Bundesbehörden halten an Geheimniskrämerei fest

Journalistenorganisationen fordern Informationsfreiheitsgesetz -Innenminister Otto Schily soll die Blockade des Gesetzes aufgeben

Drei Journalisten-Organisationen – das Netzwerk Recherche, der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) und die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di – fordern in einer gemeinsamen Erklärung die parlamentarische Durchsetzung des immer wieder verschleppten Informationsfreiheitsgesetzes. Innenminister Schily soll die Blockade des Gesetzes aufgeben.

Ein wichtiges Reformprojekt der Bundesregierung droht zu scheitern: Die im Koalitionsvertrag angekündigte Einführung eines Akteneinsichtsrechts für alle Bürger kommt nicht voran. Zwar hat das Innenministerium im Sommer vorigen Jahres eine Vorlage ins Internet gestellt, die als „Diskussionsentwurf“ bezeichnet wird. Danach soll jeder das Recht erhalten, Unterlagen von Bundesbehörden einzusehen oder Informationen aus den Behördenakten anzufordern, soweit dem keine besonderen Geheimhaltungsgründe entgegen stehen. Doch obwohl die Vorlage des Innenministeriums für ein Informationsfreiheitsgesetz erhebliche Mängel beim Umfang des Aktenzugangs, bei den Bearbeitungsfristen und bei der Gebührenregelung aufweist, geht sie offenbar einigen Ministerien immer noch zu weit. Weil Beamte mauern, kommt die Ressortabstimmung, die einem Regierungsentwurf vorausgeht, nicht vom Fleck. Ob das Akteneinsichtsrecht noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet wird, ist deshalb fraglich geworden.

Als Journalistenverbände sehen wir die Gefahr, dass Deutschland bei der Informationsfreiheit endgültig zum Schlusslicht in Europa wird. Fast alle westlichen Industriestaaten haben ihren Bürgern bereits Akteneinsichtsrechte garantiert, während in Deutschland noch das alte obrigkeitsstaatliche Prinzip der „Amtsverschwiegenheit“ herrscht. Dabei liegen positive Erfahrungen nicht nur aus dem Ausland vor, sondern auch aus den Bundesländern Brandenburg, Schleswig-Holstein und Berlin, die bereits eigene Informationsfreiheitsgesetze eingeführt haben. Seit Januar 2002 gilt die Behördentransparenz auch in Nordrhein-Westfalen.

Das Akteneinsichtsrecht ist Ausdruck eines modernen demokratischen Staates, der seinen Bürgern alle Möglichkeiten zur Information und damit auch zur politischen Mitgestaltung eröffnet. Aus journalistischer Sicht ist das Informationsfreiheitsgesetz wichtig, weil es das Geheimhaltungsprinzip bei Verwaltungsvorgängen von der Regel zur begründungsbedürftigen Ausnahme macht und damit zu einem generellen Klima der Offenheit beiträgt. Diese Umkehrung ist überfällig, weil Journalisten immer wieder in der Recherche behindert werden, da Behördenvertreter abblocken. Ein Recht auf Einsicht in Originalakten, das über den bestehenden journalistischen Auskunftsanspruch nach den Landespressegesetzen hinausgeht, wäre deshalb ein wichtiges politisches Signal.

Auch die Verwaltung selbst kann von mehr Transparenz und Bürgernähe profitieren, denn das Recht auf Akteneinsicht beugt der Vetternwirtschaft und der Korruption vor. Letztlich unterstützt die Informationsfreiheit die Modernisierung und Entbürokratisierung der Verwaltung, denn nur effizient geführte Ämter sind in der Lage, die gewünschten Daten schnell herauszugeben. Befürchtungen, die Behörden könnten durch eine Antragsflut überlastet werden, haben sich übrigens in Schleswig-Holstein, Brandenburg und Berlin als vollkommen unberechtigt erwiesen.

Vor diesem Hintergrund fordern wir die Bundesregierung auf, bei der Informationsfreiheit endlich den Anschluss an den europäischen Standard wieder herzustellen und das ins Stocken geratene Gesetzesvorhaben zügig voranzubringen.


Thomas Leif
Vorsitzender Netzwerk Recherche

Manfred Protze
Kommissarischer Vorsitzender der dju in ver.di

Rolf Lautenbach
Vorsitzender DJV

Weitere aktuelle Beiträge

Rechte Gratiszeitungen machen Meinung

In Ostdeutschland verbreiten kostenlose Anzeigenblätter zunehmend rechte Narrative – etwa der Hauke-Verlag in Brandenburg. Unter dem Deckmantel von Lokaljournalismus mischen sich Werbung, Verschwörungserzählungen und AfD-Propaganda. Möglich wird das auch wegen der Krise des Lokaljournalismus: Wo es kaum noch Medienvielfalt gibt, füllen rechte Angebote die Lücken.
mehr »

dju: Kritik an Anti-SLAPP-Entwurf

Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di fordert Nachbesserungen am Referentenentwurf für ein Anti-SLAPP-Gesetz. Mit dem Gesetz soll das Problem der strategischen Einschüchterungsklagen gegen kritische Berichte von Journalist*innen, Aktivist*innen und Wissenschaftler*innen eingedämmt werden. Die dju kritisiert die im Entwurf bestehenden juristischen Schlupflöcher.
mehr »

Rechte Influencerinnen im Netz

Rechtextremismus und rechte Parolen verbinden viele Menschen automatisch mit testosterongesteuerten weißen Männern. Diese Zielgruppe füttert AfD-Politiker Maximilian Krah mit simplen Parolen wie: „Echte Männer sind rechts.“ Das kommt an bei Menschen, die im Laufe der Zeit irgendwann beim „Gestern“ stecken geblieben sind. Inzwischen verfangen solche rechten Klischees auch bei Frauen. Vor allem im Internet.
mehr »

Sicher ist sicher: Eigene Adressen sperren

Journalist*innen sind in den vergangenen Jahren vermehrt zum Ziel rechter Angriffe geworden. Die Zahl tätlicher Übergriffe erreichte 2024 einen Rekordwert, so eine aktuelle Studie des Europäischen Zentrums für Presse- und Medienfreiheit (ECPMF) in Leipzig. Die Autoren benennen die extreme Rechte als strukturell größte Bedrohung für die Pressefreiheit. Einschüchterungen oder sogar körperliche Übergriffe geschehen mitunter direkt an der eigenen Haustür. Den damit verbundenen Eingriff in das Privatleben empfinden Betroffene als besonders belastend.
mehr »