Sachsensumpf-Rechercheure zu Geldstrafen verurteilt Berufung in nächster Instanz von beiden Seiten
In dem Prozess vor dem Dresdener Amtsgericht, in dem sich zwei freie Journalisten wegen des Vorwurfs der Verleumdung und übler Nachrede zu verantworten hatten, wurde am 13. August 2010 das Urteil gesprochen. Erwartungsgemäß erhielten die beiden Autoren eine Geldstrafe, die mit 2.500 Euro jedoch unter der 6.000-Euro-Forderung des Staatsanwaltes blieb.
Amtsrichter Dr. Hepp-Schwab sprach die Angeklagten in einem der beiden Anklagepunkte frei. Hier war es um einen Text im Spiegel 4/2008 gegangen. Die Nebenkläger – zwei inzwischen pensionierte hochrangige Juristen – fühlten sich verächtlich gemacht, weil der Bericht über ein Leipziger Bordell, in dem Minderjährige Anfang der 1990er Jahre zur Prostitution gezwungen wurden, Passagen enthält, die den Eindruck erwecken, Zitate aus staatsanwaltlichen Vernehmungsakten zu sein. Tatsächlich wich der Text vom Protokollierten ab. Bei dem Verleumdungsvorwurf ging es nicht um die Beziehungen, in denen die Kläger zu dem Bordell und den Mädchen dort tatsächlich gestanden haben könnten, sondern lediglich um den Anschein, bestimmte Aussagen seien direkt bei der Staatsanwaltschaft gemacht worden. Die Nebenkläger hatten dafür sogar Haftstrafen gefordert. Da der festangestellte Dresdener Spiegel-Redakteur die Verantwortung für die konkreten Formulierungen übernahm, ließ der Richter den Vorwurf fallen, obwohl sich ihm „kein klares, eindeutiges Bild“ aus „massiv belastenden und entlastenden Aspekten“ für die originäre Urheberschaft ergeben habe.
Anders in Punkt zwei der Anklage. Den Journalisten wurde angelastet, in einem ZeitOnline-Beitrag „schwerwiegende Vorwürfe“ gegenüber Polizeibeamten erhoben zu haben. Recherchen der beiden Freien hatten ergeben, dass sich nicht alle Fotos, auf denen ehemalige Zwangsprostituierte in polizeilichen Vernehmungen Freier wiedererkannt haben wollten, später in den Akten dokumentiert fanden. Der Fragesatz, ob auf die Kriminalisten Druck ausgeübt worden sei, führte schließlich zur Verurteilung. Datt und Ginzel hätten erweislich falsche, ehrabschneidende Tatsachenbehauptungen mit Vorsatz verbreitet, so der Richter. Dass die Journalisten zur Unvollständigkeit der Ermittlungsakten exakt recherchiert hatten, wurde bereits im ersten parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Sachsensumpf belegt. Ein Kriminalbeamter räumte das als Zeuge im jetzigen Prozess erneut ein. An der Verurteilung änderte das so wenig wie die Tatsache, dass die Polizisten selbst gar nicht gegen die Rechercheure vorgehen wollten. Der Richter warf den Angeklagten in der Urteilsbegründung vor, Quellen nicht genannt und zeitlich falsche Zusammenhänge hergestellt zu haben. Der Zeit-Justiziar, der den Artikel vor Veröffentlichung geprüft hat, habe dazu offenbar die falschen Fragen gestellt.
Die beiden Journalisten wollen einen vollständigen Freispruch. Auch die Staatsanwaltschaft ging in Berufung, „in allen Punkten“. Damit wird sich zunächst das Landgericht in Dresden zu beschäftigen haben, danach – bevor die Sache die sächsische Tiefebene endlich verlassen kann – möglicherweise noch das Oberlandesgericht.