Ein Vergleich ohne Klärung

Maulkorb bei Berichten über „Punktzielmunition“

Stefan Aigner (35), Herausgeber des Online-Magazins „regensburg-digital.de“, wird künftig nicht mehr schreiben dürfen, dass der Nürnberger Rüstungskonzern Diehl Streumunition produziert. Gleichwohl wird er bei seiner Feststellung bleiben, „dass Smart 155 gleich nach Landminen so ziemlich das Mieseste ist.“ ( M 1–2/2009)
Ob die neue intelligente Kriegsmunition aus dem Hause Diehl mit dem technischen Namen „Smart 155“ zur Kategorie der international geächteten Streubomben zählt und als Streubombe bezeichnet werden kann, blieb in der mündlichen Verhandlung zur einstweiligen Verfügung vor der Pressekammer des Landgerichts München 1 außen vor.
Nach Ansicht der Diehl-Anwälte ist „Smart 155“ eine Punktzielmunition, die nicht die Kriterien der Streumunition erfüllt. Ganz anders sehen das Nichtregierungsorganisationen wie Handicap International oder das Bündnis Landmine.de, die sich seit Jahren für die Opfer dieser Mordmunition engagieren. Doch deren Meinung zu „Smart 155“ war von den Richtern der 9. Zivilkammer nicht gefragt.
Mit einem Vergleichsvorschlag durch Richter Steiner endete nach einer guten Stunde das Verfahren „Rüstungskonzern Diehl contra Online-Journalist Aigner“. Danach akzeptiert das Ein-Mann-Unternehmen Aigner die einstweilige Verfügung und nimmt den Maulkorb hin, „um die wirtschaftliche Existenz von regensburg-digital nicht zu gefährden“. Im Gegenzug übernimmt der milliardenschwere Rüstungskonzern die Kosten des Verfahrens, einschließlich der Gerichtskosten. Für Stefan Aigner bleiben die Kosten für seine Anwältin. Ob Diehl mit diesem Vergleich eine Sprachregelung für Journalisten durchgesetzt hat, wird die künftige Berichterstattung in den Medien zeigen.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Top Tarifergebnis im Kino

In den Tarifverhandlungen mit der Kino-Kette UCI (United Cinemas International GmbH) wurde am 19. Februar 2024 ein Tarifergebnis erzielt, das an vielen Stellen die ver.di-Forderungen erreicht, so auch den Einstiegslohn von 14 Euro. In der anschließenden Befragung der Mitglieder bis zum 4. März gab es keinerlei Ablehnung. Somit beschloss auch die ver.di-Tarifkommission einstimmig die Annahme des Tarifergebnisses.
mehr »

Einschüchterungsversuche der Hohenzollern

Eine Studie der Universität Leipzig hat am Beispiel der deutschen Adelsfamilie Hohenzollern untersucht, wie kritische Berichterstattung und Forschung durch gezielte Anwaltsstrategien beeinflusst oder behindert werden sollen. Die Kommunikationswissenschaftler*innen haben dabei die Wirkung von SLAPPs (Strategic Lawsuits Against Public Participation) aus Sicht der Betroffenen nachvollzogen. Verunsicherung und Einschränkung der Arbeitsfähigkeit sind direkte Folgen bei ihnen.
mehr »

Honoraruntergrenzen bei der Kulturförderung

Claudia Roth will ein Versprechen einlösen und Mindeststandards für Honorare von Freien bei der Kulturförderung des Bundes sichern. Laut Ampel-Koalitionsvertrag von 2021 sollten öffentliche Gelder für die Kultur an faire Vergütung gekoppelt sein. Nun, so die Kulturstaatsministerin, werden „für den Kernbereich der Bundeskulturförderung“ Mindesthonorare für Künstler*innen und Kreative eingeführt.
mehr »

Verwaltungsräte treten aus dem Schatten

Die Verwaltungsräte der Öffentlich-rechtlichen Sender sind mächtig. Sie überwachen und kontrollieren die Geschäftsführung des Intendanten oder der Intendantin, soweit es nicht um die inhaltliche Gestaltung des Programms geht. Außerdem legen sie den Haushaltsplan und den Jahresabschluss fest, kontrollieren die Beteiligung an Unternehmen und vieles mehr. Ihre Beschlüsse fassen sie nicht öffentlich.
mehr »