Herr Gröger nicht anonym

junge Welt darf den Namen des Ministerialrats wieder nennen

Herr Gröger hat wieder einen Namen: Der Besitzer eines Seegrundstücks in Niederlehme bei Berlin, auf dem sich eine Ernst-Thälmann-Gedenkstätte befindet, die er durch Neubebauung beseitigen möchte, muss nicht anonym bleiben. Das Berliner Kammergericht entschied am 5. November, dass die Tageszeitung junge Welt Gerd Grögers Namen wieder nennen darf. Damit revidierte der 9. Zivilsenat ein Urteil des Berliner Landgerichtes vom Juni diesen Jahres, in dem Gröger zugestanden worden war, dass die Namensnennung sein allgemeines Persönlichkeitsrecht verletze.

Gröger hatte im gleichen Zusammenhang vielfach Unterlassungsansprüche geltend gemacht, um „in gewählter Anonymität zu bleiben und die eigene Person nicht in der Öffentlichkeit dargestellt zu sehen“, so auch gegen das Magazin Der Spiegel oder die Märkische Allgemeine Zeitung (siehe M 11 / 2004). Der Verlag 8. Mai, in dem die junge Welt erscheint, sah das Recht der Berichterstattung beeinträchtigt und legte Widerspruch ein. Das aktuelle Urteil ist die erste Entscheidung in zweiter Instanz.

Gröger hätte von Anfang an bewußt sein müssen, dass es sich beim Kauf des Grundstücks um einen „öffentlichkeitsrelevanten Vorgang“ handele, führte der Senat aus. Er sah ein begründetes Informationsinteresse, wer die Person sei, die eine „zumindest in der DDR als wichtig angesehene Institution beseitigen“ lassen wolle, woher sie komme und welche Ziele sie verfolge. Da Gröger als Ministerialrat im brandenburgischen Bauministerium zudem beruflich mit baurechtlichen Fragen vertraut sei, begründe auch das ein Berichterstattungsinteresse. Der Anwalt Grögers beklagte eine „Prangerwirkung“ der Berichte, sein Mandant sei „durchs Dorf getrieben“, durch Anrufe und Briefe massiv angegangen worden. Rechtsanwalt Johannes Eisenberg machte für die junge Welt geltend, dass ein Recht auf Anonymität dort ende, wo eine Person in einem „kulturellen Konflikt mit starkem wirtschaftlichem Hintergrund aktiv in die Gesellschaft hineinwirke“.

Dietmar Koschmieder, Geschäftsführer des Verlages 8. Mai, begrüßte, dass eine „grundsätzlichee Frage, die schwerwiegende Folgen für das Recht der freien Meinungsäußerung habe“ zugunsten freier Berichterstattung entschieden worden sei. Es sei allerdings „bedenklich, dass große, finanziell starke Pressehäuser“ sich mit Gröger ohne Strafbewährung geeinigt hätten und auf dem juristischen Instanzenweg die junge Welt die Kastanien aus dem Feuer holen müsse.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Medienkompetenz: Von Finnland lernen

Finnland ist besonders gut darin, seine Bevölkerung gegen Desinformation und Fake News zu wappnen. Eine wichtige Rolle spielen dabei die Schulen, aber die Strategie des Landes geht weit über den Unterricht hinaus. Denn Medienbildung ist in Finnland eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die auf vielen Ebenen in den Alltag integriert ist und alle Altersgruppen anspricht. Politiker*innen in Deutschland fordern, sich daran ein Beispiel zu nehmen. Kann das gelingen?
mehr »

Beim Tatort selbst ermitteln

Ein Zocker sei er nicht. So sagte es Kai Gniffke, Intendant des Südwestrundfunks (SWR), als er im August vorigen Jahres auf der Gamescom in Köln zu Gast war. Am ARD-Stand hat sich der damalige Vorsitzende des Senderverbunds dennoch zum Zocken eingefunden, zu sehen auch im Stream auf der Gaming-Plattform Twitch. Erstmals hatte die ARD einen eigenen Auftritt auf der weltweit größten Messe für Computer- und Videospiele – ein deutliches Signal, dass die ARD auch auf Games setzt. Und das hat maßgeblich mit dem SWR zu tun.
mehr »

Die unendliche Krise des RBB

Der Schock sitzt nach wie vor tief. „2025 wird ein Schicksalsjahr für den RBB“, so die unfrohe Botschaft von Intendantin Ulrike Demmer Ende Januar auf einer Informationsveranstaltung vor der fassungslosen Belegschaft. Was folgte, war ein radikales Sanierungsprogramm für den Sender. Insgesamt 22 Millionen Euro will die Geschäftsleitung am Personal- und Honoraretat einsparen. Das entspricht 10,2 Prozent der bisherigen Aufwendungen und ziemlich genau 254 Vollzeitstellen.
mehr »

Gleichstellung im Journalismus

Lag vor 10 Jahren der Frauenanteil im Journalismus noch bei knapp über 40 Prozent, sind mittlerweile 44 Prozent der Journalist*innen weiblich. Das hat das Leibniz-Institut für Medienforschung ermittelt. In wenigen Jahren kann man möglicherweise von einem Gleichstand sprechen, was die Anzahl der Journalistinnen betrifft. Doch Frauen verdienen auch in den Medien noch immer weniger als Männer. Politischer und gewerkschaftlicher Druck sind noch immer notwendig.
mehr »