Institut zieht Klage gegen Autor zurück

Justitia Foto: Hermann Haubrich

Das Institut zur Zukunft der Arbeit in Bonn, finanziert von der Deutsche Post-Stiftung, zog jetzt eine seit 2013 anhängige, vom ehemaligen IZA-Direktor Prof. Dr. Klaus Zimmermann betriebene Klage gegen den Autor Werner Rügemer vollständig zurück. Rügemer hatte in einem Artikel die Unabhängigkeit des Instituts in Zweifel gezogen. Anfang Januar sollte dazu vor dem Oberlandesgericht Hamburg in zweiter Instanz verhandelt werden.

Die Klage des IZA-Direktors richtete sich gegen Rügemers Artikel „Der unterwanderte Staat“ in Ausgabe 8/2013 der Blätter für deutsche und internationale Politik. Zimmermann hatte zunächst durch Einstweilige Verfügung das Verbot von vier Aussagen durchgesetzt: Rügemer hatte geschrieben, dass sich das Institut „faktenwidrig“ als unabhängig bezeichne. Von „freier Wissenschaft“ könne beim besten Willen nicht gesprochen werden. Das IZA betreibe „Lobbying zugunsten der Unternehmer“, die Finanzierung durch die Deutsche Post AG sei „dem breiten Publikum unbekannt“.

Dafür hatte der Autor vielfältige Belege ins Feld geführt, unter anderem: Exklusive Dauer-Finanzierung durch die Deutsche Post-Stiftung, Übereinstimmung mit Forderungen der Unternehmerlobby; Polemik gegen den Mindestlohn, Forderungen wie Arbeitspflicht für Hilfsempfänger, verlängerte Arbeitszeit; Gefälligkeits-Gutachten für die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft INSM, Verteidigung der vier Hartz-Gesetze; vielfältige personelle Vernetzung über „policy fellowsmit Regierungsparteien und Konzernen, einschließlich etwa Friedrich Merz und Blackrock. Die Unterwanderung des Staates bestehe darin, dass Lobbyisten wie IZA nicht von außen an den Staat herantreten, sondern durch Dauerbeauftragung etwa für die Bundesregierung, für die Europäische Kommission und die Weltbank als Teil des Staates agieren.

Das Hamburger Landgericht hatte auf Antrag von Prof. Zimmermann im Januar 2014 verfügt, dass bei Wiederholung der fraglichen Passagen ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 Euro oder eine Ordnungshaft bis zu zwei Jahren fällig sei. Die Verfügung richtete sich überdies gegen die neue rheinische zeitung, die Rügemers Artikel übernommen hatte. Um die Vorwürfen umfassend zu klären, forderte Rügemer das IZA auf, Hauptsachenklage zu erheben. In diesem Verfahren ließ sich Prof. Zimmermann durch die Bonner Kanzlei Redeker Sellner Dahs vertreten, die auch für Mandanten wie Helmut Kohl, Christian Wulff, Papst Benedikt XVI. oder Angela Merkel arbeitet.

Bereits in erster Instanz hatte das Landgericht entschieden, dass die angegriffenen ersten beiden Äußerungen nicht verboten werden können. Da Rügemer auch wegen der weiteren Aussagen, speziell dem „Lobbying“ nicht kleinbei geben wollte, landete das Verfahren 2015 beim Oberlandesgericht (OLG) Hamburg (Az. 7 U 19/15). Bis 2018 setzte das jedoch keinen Verhandlungstermin an, weshalb Rügemer Entschädigung einforderte und Ende 2018 gezahlt bekam. Daraufhin terminierte das OLG die Verhandlung für den 8. Januar 2019.

Noch zuvor zog der Kläger seine gesamte Klage zurück, übernahm die kompletten Gerichtskosten und die Hälfte der Anwaltskosten des Beklagten. So bekommt Rügemer mehrere tausend Euro Verfahrenskosten zurück, die größtenteils vom Solidaritätskonto „Meinungsfreiheit in der Arbeitswelt“ der aktion gegen arbeitsunrecht übernommen worden waren.

In den Verfahren in erster und zweiter Instanz hatte das Gericht Vergleiche vorgeschlagen. Danach hatte sich IZA-Direktor Zimmermann in ausführlichen Kommentaren so selbstgerecht als Sieger gefeiert, dass dies selbst dem Aufsichtsrat der Deutschen Post unangenehm geworden sein muss. Zimmermann wurde Ende 2015 entlassen („Unrühmlicher Abgang“, Handelsblatt 17.12.2015). Danach ist das IZA umstrukturiert worden. 2011 hatte Zimmermann bereits als Präsident des DIW zurücktreten müssen: Der Berliner Rechnungshof hatte die Verschwendung von Fördergeldern, zu häufige Abwesenheit und Unregelmäßigkeiten bei Abrechnungen moniert.

Im Gegensatz zur Redaktion der neuen rheinischen zeitung und zu Rügemer selbst hatte die Redaktion der Blätter für deutsche und internationale Politik die von Zimmermann zu Beginn geforderte, strafbewehrte Unterlassungs-Erklärung unterzeichnet, die fortgilt. Deshalb sind die fraglichen Passagen auf der Blätter-Internetseite weiterhin gelöscht. Die Redaktion suche nun einen Weg, den unzensierten Text der Printfassung von 2013 auch online zur Verfügung zu stellen.

 

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Einschüchterungsversuche der Hohenzollern

Eine Studie der Universität Leipzig hat am Beispiel der deutschen Adelsfamilie Hohenzollern untersucht, wie kritische Berichterstattung und Forschung durch gezielte Anwaltsstrategien beeinflusst oder behindert werden sollen. Die Kommunikationswissenschaftler*innen haben dabei die Wirkung von SLAPPs (Strategic Lawsuits Against Public Participation) aus Sicht der Betroffenen nachvollzogen. Verunsicherung und Einschränkung der Arbeitsfähigkeit sind direkte Folgen bei ihnen.
mehr »

Meilenstein im Kampf gegen SLAPPs

Die Coalition Against SLAPPs in Europe (CASE) hat die Empfehlung des Europarats zur Bekämpfung von SLAPPs begrüßt. In einer Erklärung vom 5. April nennt sie die Empfehlung einen wichtigen Schritt zum Schutz der Pressefreiheit. Obwohl es immer noch Raum für Verbesserungen gebe, werde Journalist*innen ein sichereres Umfeld, frei von Angst und Einschüchterung garantiert. Der Europarat hatte der Empfehlung am 19. März zugestimmt, das Europaparlament bereits Ende Februar.
mehr »

Dreyeckland-Journalist wegen Link angeklagt

Am 18. April beginnt der Prozess gegen den Journalisten Fabian Kienert. Dem Mitarbeiter von Radio Dreyeckland in Freiburg wird die Unterstützung einer verbotenen Vereinigung vorgeworfen, weil er das Archiv eines Onlineportals in einem Artikel verlinkt hat. Das Portal mit Open-Posting-Prinzip war von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) 2017 als kriminelle Vereinigung verboten worden.
mehr »

Wichtiger Schritt gegen Einschüchterungsklagen

Die Europäische Union will Journalist*innen, Menschenrechtler*innen und Nichtregierungsorganisationen besser vor strategischen Einschüchterungsklagen (SLAPPs) schützen. Die Mitgliedstaaten gaben einer entsprechenden Richtlinie am Dienstag grünes Licht, das EU-Parlament hatte bereits Ende Februar zugestimmt. Die Regierungen haben nun zwei Jahre Zeit, sie in nationales Gesetze zu übertragen.
mehr »