Kündigung passé

Bauer schickt weitere Abmahnungen an Betriebsrätin

Nach drei, jeweils vierstündigen Mediationssitzungen zieht der Bauer-Verlag sein Begehren für die ersatzweise Zustimmung zur fristlosen Kündigung der Konzernbetriebsrätin Kersten Artus vor dem Hamburger Arbeitsgericht zurück. ver.di begrüßt diese Entscheidung und sieht sich in der Auffassung bestätigt, dass dieses Verfahren „weder juristisch noch politisch für den Medienkonzern durchzusetzen“ war.


Hamburgs ver.di-Chef Wolfgang Rose: „Wir freuen uns für Kersten Artus und den Betriebsrat. Die starke Solidarität und die vielfältige Unterstützung, auch überbetrieblich und bundesweit, hat dazu beigetragen, dass dieses Ergebnis gekommen ist.“ Martin Dieckmann, ver.di-Fachbereichsleiter (FB 8) im Norden, ergänzt: „Bauer wollte sich einer unbequemen und aktiven Betriebsrätin entledigen und die Belegschaft einschüchtern. Das ist nicht gelungen.“ Aber und auch gerade deshalb: „Die Forderung, wie auch in anderen Medienunternehmen eine vernünftige Zusammenarbeit von betrieblichen Interessenvertretungen und Unternehmensleitung zu praktizieren, bleibt bestehen.“
Und Kersten Artus selbst: „Die letzten Monate haben an den Nerven gezerrt.“ Doch die vielfältige Solidarität habe ihr geholfen. Neben vielen anderen bedankt sie sich besonders auf einer Bauer-Betriebsversammlung bei „den Mitgliedern des Betriebsrates und des Konzernbetriebsrates. Sie haben sich bedingungslos solidarisch verhalten. Und mir zu keiner Sekunde das Gefühl gegeben, dass sie den Stress gerne loswerden möchten, den sie durch mich haben.“
Die Mediation als Instrument zur Klärung sieht sie allerdings in ihrem speziellen Fall kritisch: „für Prozesse mit dieser politischen Dimension ist eine Mediation untauglich. Bauer und ich haben kein Kommunikationsproblem. Der Verlag wollte und will Macht demonstrieren.“ Mediation bedeute „keinen Waffenstillstand“. Gerade das habe sich nach dem Erfolg der Zurücknahme des Kündigungsbegehrens gezeigt: Zwar sei das Druckmittel des Lohnabzuges für angeblich nicht erforderliche Betriebsratsarbeit mittlerweile vom Tisch, doch der Bauer-Verlag lässt nicht locker.

Kein Grund zur Entwarnung

Vier neue Abmahnungen sind bei der engagierten Betriebsrätin und Gewerkschafterin eingegangen: Eine Abmeldung in der Redaktion, sie sei für Betriebsratsarbeit „im Betrieb unterwegs“, sei „nicht konkret genug“. Zweitens habe sie sich für ehrenamtliche Gewerkschaftsarbeit keine Genehmigung eingeholt. Und die Vorwürfe aus dem fristlosen Kündigungsbegehren zur betrieblichen und ehrenamtlichen Gewerkschaftsarbeit sind der Gegenstand der weiteren zwei neuen Abmahnungen. Das deutet aber darauf hin: Der Verlag bereitet die nächste Kündigung vor und „von daher“, sagt sie, „ ist kein Grund zur Entwarnung gegeben.“
Und wie der Bauer-Verlag mit seinen Angestellten und Betriebsräten umgeht, zeigt sich nicht nur in Hamburg bei den Zeitschriften, sondern jüngst auch in Magdeburg bei der Bauer-Tageszeitung Volksstimme. Das dortige Druckzentrum wurde geschlossen und ausgelagert, „hinter einer Bretterwand“, so der damalige Betriebsrats- und KBR-Vorsitzende Thomas Laskowski, wurde eine Leiharbeitsfirma installiert und er selbst wegen der Betriebsauslagerung mit Kündigung zum 31. August „entsorgt“. Über Jahre wurde der gesamte Verlag der Magdeburger Volksstimme aufgesplittert. Laskowski: „Das sind jetzt etwa 23 Einzelfirmen, ich hab da den genauen Überblick verloren, aber nahezu alle ohne Betriebsrat.“ Getroffen hat es auch die Redakteurin Renate Wähnelt. Sie rückte als Ersatzmitglied in den Betriebsrat nach, bekam aber nach der letzten Zersplitterungswelle in den neuen „Unterredaktionen“ kein Angebot und wurde gekündigt, wogegen sie nun vor dem Arbeitsgericht klagt. Der Gütetermin blieb erfolglos, weil Bauer kein Angebot vorlegte, der Kammertermin ist für November angesetzt. ver.di gibt der Redakteurin Rechtsschutz und setzt auf Sieg. Denn, so der ver.di-Landesbezirksfachbereichsleiter Michael Kopp aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen: „Das Unrecht hat Namen und Adresse: Heinz Bauer, Verleger, Hamburg.“

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Top Tarifergebnis im Kino

In den Tarifverhandlungen mit der Kino-Kette UCI (United Cinemas International GmbH) wurde am 19. Februar 2024 ein Tarifergebnis erzielt, das an vielen Stellen die ver.di-Forderungen erreicht, so auch den Einstiegslohn von 14 Euro. In der anschließenden Befragung der Mitglieder bis zum 4. März gab es keinerlei Ablehnung. Somit beschloss auch die ver.di-Tarifkommission einstimmig die Annahme des Tarifergebnisses.
mehr »

Einschüchterungsversuche der Hohenzollern

Eine Studie der Universität Leipzig hat am Beispiel der deutschen Adelsfamilie Hohenzollern untersucht, wie kritische Berichterstattung und Forschung durch gezielte Anwaltsstrategien beeinflusst oder behindert werden sollen. Die Kommunikationswissenschaftler*innen haben dabei die Wirkung von SLAPPs (Strategic Lawsuits Against Public Participation) aus Sicht der Betroffenen nachvollzogen. Verunsicherung und Einschränkung der Arbeitsfähigkeit sind direkte Folgen bei ihnen.
mehr »

Honoraruntergrenzen bei der Kulturförderung

Claudia Roth will ein Versprechen einlösen und Mindeststandards für Honorare von Freien bei der Kulturförderung des Bundes sichern. Laut Ampel-Koalitionsvertrag von 2021 sollten öffentliche Gelder für die Kultur an faire Vergütung gekoppelt sein. Nun, so die Kulturstaatsministerin, werden „für den Kernbereich der Bundeskulturförderung“ Mindesthonorare für Künstler*innen und Kreative eingeführt.
mehr »

Verwaltungsräte treten aus dem Schatten

Die Verwaltungsräte der Öffentlich-rechtlichen Sender sind mächtig. Sie überwachen und kontrollieren die Geschäftsführung des Intendanten oder der Intendantin, soweit es nicht um die inhaltliche Gestaltung des Programms geht. Außerdem legen sie den Haushaltsplan und den Jahresabschluss fest, kontrollieren die Beteiligung an Unternehmen und vieles mehr. Ihre Beschlüsse fassen sie nicht öffentlich.
mehr »