Wie wehrt man sich gegen unrechtmäßige geheimdienstliche Überwachung?
M sprach mit dem Göttinger Rechtsanwalt Sven Adam. Er vertritt fünf Journalisten gegen den Verfassungsschutz, darunter Andrea Röpke, Kai Budler und den Sportjournalisten Ronny Blaschke, der irrtümlich zum Kreis der jüngst in Niedersachsen Observierten gerechnet wurde. Seit kurzem ist bekannt, dass der Jurist selbst über Jahre vom Verfassungsschutz bespitzelt wurde.
M | Haben Sie aus Niedersachsen inzwischen Erkenntnisse über die Gründe, warum Ihre Mandanten jahrelang geheimdienstlich überwacht wurden?
Sven Adam | Nein, nichts Bestätigtes. Das wird vermutlich noch ein paar Wochen dauern. Es gilt ja etliches aufzuarbeiten.
Es hieß, die Journalisten seien weder abgehört noch mit V-Leuten bespitzelt worden. Ist das glaubhaft?
Ich bewahre da eine natürliche Skepsis. Solange nichts bewiesen wird, sind das schlicht nur Behauptungen. Im Fall von Andrea Röpke gibt es inzwischen die eindeutige Erklärung der Behörde, dass die im März 2012 verfügte Löschung der Daten rechtwidrig war. Es deutet sich an, dass dort Eintragungen nicht nur in der Amtsdatei des Verfassungsschutzes, sondern auch in Sachakten erfolgt sind. Deshalb lässt sich womöglich einiges rekonstruieren.
Ist das ein Ergebnis Ihrer Strafanzeige wegen Urkundenvernichtung?
Nein. Die Strafanzeige ist leider eher ein stumpfes Schwert und beschäftigt zunächst nur die Staatsanwaltschaft Hannover. Die müsste nun gegen das dem Innenministerium unterstehende Landesamt für Verfassungsschutz vorgehen. Mehr verspreche ich mir verwaltungsrechtlich von den Anträgen, die wir auf vollständige Rekonstruktion und Übermittlung aller jetzt noch zur Verfügung stehenden Daten von Frau Röpke an den Verfassungsschutz gestellt haben. Für andere betroffene Journalisten haben wir ähnliche Anträge gestellt. Ich weiß aber nicht, ob nach den jüngsten Löschungen auf Weisung von Präsidentin Brandenburger auch da noch Chancen auf eine Rekonstruktion bestehen.
Journalisten als Berufsgeheimnisträger sind ja – wie Rechtsanwälte, Ärzte oder Geistliche – eigentlich vor Überwachung weitgehend geschützt. Wann darf gegen sie überhaupt verdeckt ermittelt werden?
Das Gesetz legt das leider nicht sehr klar fest. Die Verhältnismäßigkeit muss gewahrt sein, heißt es in den einschlägigen Gesetzen regelmäßig neben weiteren auslegbaren Formulierungen. Allerdings gibt es jetzt die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur jahrelangen rechtswidrigen Überwachung des Linken-Abgeordneten Bodo Ramelow. Sie ist – obwohl auf den Parlamentarierberuf gemünzt – auch auf Journalisten übertragbar. Die Verfassungsrichter erklärten am 9. Oktober 2013 in der Begründung, überwacht werden dürfe nur, „wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Abgeordnete sein Mandat zum Kampf gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung missbraucht oder diese aktiv und aggressiv bekämpft“. Analog gilt das für die Berufsausübung von Journalisten. Solange sie ihre Tätigkeit nicht in diesem Sinne missbrauchen, genießen Journalisten – besonders auch in Ausübung der Pressefreiheit – Schutz vor staatlichen Eingriffen und vor Überwachung. Das schließt ihre Kontakte zu Quellen ein – egal, ob Whistleblower aus Unternehmen oder Behörden oder Informanten tief in bestimmten gesellschaftlichen Szenen.
Wie kann man prüfen, ob nicht doch observiert wird?
Ich würde Journalistinnen und Journalisten, die in relevanten Bereichen recherchieren, tatsächlich raten, regelmäßig entsprechende schriftliche Anfragen beim Verfassungsschutz zu stellen. Ich selbst mache das nun auch im Jahresrhythmus. Man kann formlos nachfragen. Manche Behörden – etwa die Landesämter in Baden-Württemberg und Thüringen, auch der Bundesverfassungsschutz – verlangen zwar, dass man ein berechtigtes Interesse nachweist. Grundsätzlich sind aber genau diese Anfragen der einzige Weg, für sich selbst Transparenz herzustellen.
Wirksame Prävention ist illusorisch?
So bitter das ist, der staatliche Schutz des Berufsstandes vor geheimdienstlichen Eingriffen reicht offenbar nicht aus. Ein Allheilmittel gegen die umfassenden Möglichkeiten eines eben geheim arbeitenden Dienstes gibt es nicht. Journalisten können nur persönlich vorsorgen und sollten tun, was allen auf Privatsphäre bedachten Bürgern zu raten ist: Ihre Kommunikation absichern, auf Verschlüsselungstechniken bauen und nicht alles am Telefon besprechen.
Nach dem jüngsten Skandal: Was muss sich beim Verfassungsschutz ändern?
In der bisherigen Gestalt eines unkontrollierbaren und Daten offenbar willkürlich sammelnden Kraken gehört er abgeschafft. Ich neige aber zu der Position, den Verfassungsschutz so aufzustellen, dass er sich ausschließlich aus öffentlichen Quellen bedienen darf. Dann hätte man das Problem nachrichtendienstlicher Mittel und der damit einhergehenden tiefen Eingriffe in die Privatsphäre vom Tisch. Was auf jeden Fall erforderlich ist, sind Konzepte zur wirksamen demokratischen Kontrolle der Nachrichtendienste. Anderenfalls werden wir immer wieder erleben, dass diese als Instrument zur Ausspähung des politischen Gegenübers statt zur Beobachtung verfassungsfeindlicher Bestrebungen genutzt werden.