Im Kampf gegen Hassrede in sozialen Netzwerken hat das Oberlandesgericht (OLG) Wien in Österreich zwei wegweisende Entscheidungen getroffen. Zum einen müsse Facebook solche Hasspostings weltweit löschen und nicht nur in dem betreffenden Land. Zum anderen gelte für Klagen gegen Facebook österreichisches und nicht, wie von Facebook wiederholt behauptet, kalifornisches oder irisches Recht.
Eine „große Entscheidung“ nannte Grünen-Pressesprecher Dieter Brosz den Beschluss des OLG Wien vom 26.04.2017 (Az.: 5 R 5/17t), der Facebook dazu verpflichtet, beleidigende Äußerungen über die Vorsitzende der Grünen in Österreich, Eva Glawischnig, umgehend zu löschen – und zwar weltweit. Die Grünen hatten zunächst eine Einstweilige Verfügung vor dem Handelsgericht Wien erwirkt, gegen die das Unternehmen mit Sitz in Kalifornien allerdings in Berufung gegangen war. Gegenstand der Klage waren über ein Fake-Profil verbreitete, beleidigende Äußerungen über die Grünen-Chefin, in denen diese unter anderem als „korrupter Trampel“ und „miese Volksverräterin“ bezeichnet worden war.
Das OLG Wien hat die Berufung von Facebook abgelehnt und damit die Entscheidung des Handelsgerichts bestätigt. Der Vorwurf der Korruption unterstelle Glawischnig ein strafrechtlich relevantes Verhalten und könne, da er frei erfunden sei, nicht durch das Recht auf freie Meinungsäußerung gerechtfertigt sein. Überrascht hat an der Entscheidung vor allem auch die Verfügung, dass die entsprechenden Inhalte weltweit und nicht wie bisher nur für Nutzer_innen in Österreich blockiert werden müssten. Facebook hatte sich während des Verfahrens auf das sogenannte Provider-Privileg berufen, welches im Sinne von § 16 des E-Commerce-Gesetzes (ECG) festlegt, dass Host-Provider nicht verpflichtet sind, die von Nutzern gespeicherten, übermittelten oder zugänglich gemachten Informationen zu überwachen oder von sich aus nach Umständen zu forschen, die auf rechtswidrige Tätigkeiten hinweisen. Zwar sei Facebook nicht zur Vorabkontrolle von Inhalten verpflichtet. Wie das OLG Wien in seiner Begründung feststellte, habe das Unternehmen allerdings trotz Aufforderung durch Glawischnig den „offensichtlich rechtswidrigen“ Inhalt nicht gelöscht, weshalb das Provider-Privileg hier nicht mehr greife: „Indem die Beklagte (also Facebook, Anm. d. Red.) es trotz Aufforderung nicht gelöscht habe, habe sie sich als Mittäterin an der Verbreitung der rechtswidrigen Behauptungen beteiligt.“
Wie „kurier.at“ berichtete, hatte Facebook erneut, wie bereits in früheren Rechtsstreitigkeiten, die Anwendung kalifornischen Rechts – Hauptsitz des Unternehmens ist das kalifornische Silicon Valley – oder irischen Rechts – entsprechend dem Sitz seiner Europaniederlassung in Irland – gefordert. Dies wies das OLG Wien mit der Argumentation zurück, dass Unterlassungsansprüche der Klägerin beziehungsweise des Klägers stets nach dem Recht am „Erfolgsort“ zu beurteilen seien, also dem Ort, wo das „geschützte Rechtsgut verletzt wird“. Handelt es sich bei diesem Ort um ein soziales Netzwerk wie Facebook, falle der Erfolgsort häufig und im Fall der Grünen-Chefin Glawischnig zweifellos mit dem Ort des gewöhnlichen Aufenthalts des/der Geschädigten zusammen. Damit „unterliegen die gegenständlichen Rechtsverletzungen stets österreichischem Recht“.