Panoramafreiheit gilt für „AIDA-Kussmund“

Foto: Hermann Haubrich

Die sogenannte Panoramafreiheit erstreckt sich auf Kunstwerke, die nicht ortsfest sind. Das entschied der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs am 27. April. Danach dürfe die Fotografie eines Kreuzfahrtschiffes mit dem „AIDA Kussmund“ ins Internet gestellt und damit öffentlich zugänglich gemacht werden, weil sich das abgebildete Kunstwerk bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befindet. 

Die Klägerin veranstaltet Kreuzfahrten. Ihre Kreuzfahrtschiffe sind mit dem sogenannten „AIDA Kussmund“ dekoriert. Das Motiv besteht aus einem am Bug der Schiffe aufgemalten Mund, seitlich an den Bordwänden aufgemalten Augen und von diesen ausgehenden Wellenlinien. Das Motiv wurde von einem bildenden Künstler geschaffen. Er hat der Klägerin daran das ausschließliche Nutzungsrecht eingeräumt.  Der Beklagte betrieb eine Internetseite, auf der er Ausflüge bei Landgängen auf Kreuzfahrtreisen in Ägypten anbot. Auf dieser Seite veröffentlichte er das Foto der Seitenansicht eines Schiffes der Klägerin, auf dem der „AIDA Kussmund“ zu sehen ist. Die Klägerin ist der Ansicht, der Beklagte habe damit ihre Rechte am als Werk der angewandten Kunst urheberrechtlich geschützten „AIDA Kussmund“ verletzt. Zudem forderte sie Schadensersatz.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Der Bundesgerichtshof hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen (I ZR 247/15).  Der Beklagte durfte – so der Bundesgerichtshof – die Fotografie des Kreuzfahrtschiffs mit dem „AIDA Kussmund“ ins Internet einstellen und damit öffentlich zugänglich machen, weil sich der abgebildete „AIDA Kussmund“ im Sinne von § 59 Abs. 1 Satz 1 UrhG bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinde.

„Ein Werk befindet sich im Sinne dieser Vorschrift an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen, wenn es von Orten aus, die unter freiem Himmel liegen und für jedermann frei zugänglich sind, wahrgenommen werden kann. Diese Voraussetzung ist auch dann erfüllt, wenn ein Werk nicht ortsfest ist und sich nacheinander an verschiedenen öffentlichen Orten befindet. Ein Werk befindet sich bleibend an solchen Orten, wenn es aus Sicht der Allgemeinheit dazu bestimmt ist, für längere Dauer dort zu sein“, so die Erklärung.

Die Panoramafreiheit erfasse daher beispielsweise Werke an Fahrzeugen, die bestimmungsgemäß im öffentlichen Straßenverkehr eingesetzt werden. Dabei könne es sich etwa um Werbung auf Omnibussen oder Straßenbahnen handeln, die den Anforderungen an Werke der angewandten Kunst genüge. Das Fotografieren und Filmen im öffentlichen Raum würde zu weitgehend eingeschränkt, wenn die Aufnahme solcher Fahrzeuge urheberrechtliche Ansprüche auslösen könnte. Künstler, die Werke für einen solchen Verwendungszweck schaffen, müssten es daher hinnehmen, dass ihre Werke an diesen öffentlichen Orten ohne ihre Einwilligung fotografiert oder gefilmt würden.  Das treffe auf  das Kreuzfahrtschiff zu. Es befinde sich bleibend an öffentlichen Orten, weil es dazu bestimmt sei, für längere Dauer auf der Hohen See, im Küstenmeer, auf Seewasserstraßen und in Seehäfen eingesetzt zu werden, und dort von Orten aus, die für jedermann frei zugänglich sind, wahrgenommen und fotografiert werden könne.

M berichtete zur Panoramafreiheit unter anderem hier:

https://mmm.verdi.de/recht/sanssouci-fotografieverbot-bleibt-bestehen-4473

https://mmm.verdi.de/recht/panoramafreiheit-nur-fuer-fotos-von-der-strasse-aus-24789

 

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