Probleme mit der Künstlersozialkasse

Versicherung von freien Journalistinnen und Journalisten
mit Pauschal- und Rahmenverträgen

In letzter Zeit sind vermehrt Fälle aufgetreten, in denen die Künstlersozialkasse eine Versicherung nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz abgelehnt hat, wenn die antragstellenden Journalistinnen und Journalisten auf der Grundlage sogenannter Rahmen- oder Pauschalvereinbarungen für einen Verlag oder Rundfunksender tätig waren. Nach Ansicht der Rechtsabteilung der IG Medien ist eine solche Praxis nicht zulässig, allen Betroffenen wird empfohlen, gegen diese Entscheidung Widerspruch einzulegen.

Die Künstlersozialkasse (KSK) prüft neuerdings die Voraussetzungen für eine Versicherung nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) besonders genau. Hintergrund ist möglicherweise eine Diskussion auf politischer Ebene über die kontinuierlich steigende Zahl der Versicherten, die mittlerweile weit jenseits aller Prognosen beim Erlaß des KSVG liegt. Nach dem KSVG werden Personen versichert, die – als Künstler oder Publizisten – einer selbständigen Tätigkeit nachgehen. Die liegt in der Regel vor, wenn
– ein „unternehmerisches“ Risiko getragen wird (bei freien Journalistinnen und Journalisten typischerweise das Risiko, Aufträge zu bekommen),
– eine eigene Betriebsstätte unterhalten wird (wofür auch ein Arbeitsplatz in der eigenen Wohnung ausreicht),
– die Arbeit nach Ort, Zeit und Dauer frei gestaltet werden kann (wogegen es nicht spricht, daß Aufträge termingerecht erledigt werden müssen).

Keine selbständige Tätigkeit, sondern ein Arbeitsverhältnis liegt vor, wenn

– eine Eingliederung in einen fremden Betrieb erfolgt

– die Tätigkeit dem Weisungsrecht des Arbeitgebers untersteht (nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) etwa gegeben bei Disponierung im Dienstplan).

Arbeitnehmerähnliche Personen

Eine besondere Gruppe der selbständig Tätigen sind die sogenannten „arbeitnehmerähnlichen“ Personen – nach 12a Tarifvertragsgesetz (TVG) handelt es sich bei ihnen um Selbständige, die wegen ihrer besonderen Abhängigkeit von einem bestimmten Arbeitgeber auch besonders schutzbedürftig sind. Sie sind also keine Arbeitnehmer/Arbeitnehmerinnen, sondern selbständige „Unternehmer“ im Rechtssinne. (Ansonsten würde die Wortwahl im Gesetz auch keinen Sinn ergeben, weil eine Arbeitnehmerin vernünftigerweise nicht als eine Person bezeichnet werden kann, die einer Arbeitnehmerin „ähnlich“ ist.)

Für diese Personen können nach 12a TVG die Beschäftigungsbedingungen durch Tarifvertrag geregelt werden. Nach 2 Satz 1 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) haben arbeitnehmerähnliche Personen Anspruch auf bezahlten Urlaub. Die Voraussetzungen für die Feststellung der Arbeitnehmerähnlichkeit sind in 12a TVG beschrieben.

Falls es Entscheidungen der KSK gibt, die eine Versicherungspflicht nach dem KSVG ablehnen, weil der Status der Arbeitnehmerähnlichkeit vorliegt, wären diese Entscheidungen sicher nicht zutreffend.

Rahmen- und Pauschalverträge

Probleme hat die KSK neuerdings mit der Selbständigkeit von freien Journalistinnen und Journalisten dann, wenn deren Tätigkeit für einen bestimmten Auftraggeber (Verlag oder Rundfunksender) auf der Basis einer langfristigen Vereinbarung und nicht nur im Rahmen von Einzelvereinbarungen für den jeweiligen Beitrag erfolgt.

In solchen Verträgen ist oft eine Honorarzahlung in festen monatlichen Raten festgelegt. Diese Raten sind entweder als abschließende („pauschale“ – daher die Bezeichnung „Pauschalisten“) Vergütung zu verstehen, als vertragliche Mindestvergütung oder aber als Abschlagszahlung auf eine detaillierte Honorarabrechnung (nach den gelieferten Beiträgen).

Außerdem enthalten diese Verträge gelegentlich Regelungen über eine Zahlung der vereinbarten Monatsvergütungen für einen Jahresurlaub, teilweise auch eine Vergütungsfortzahlung für Zeiträume krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit.

Sollte die Sachbearbeitung bei der KSK aus diesen Elementen der Vereinbarungen geschlossen haben, es liege ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis vor, und deshalb eine Versicherungspflicht nach dem KSVG verneint haben, so sind diese Entscheidungen mit hoher Wahrscheinlichkeit falsch. Die Betroffenen sollten – unter Einbeziehung der Rechtsberatung der IG Medien und der Rechtsstellen des DGB – binnen eines Monats Widerspruch einlegen beziehungsweise dagegen Klage erheben. Sind die Fristen versäumt, sollte unbedingt ein erneuter Antrag auf Feststellung der Versicherungspflicht gestellt werden – Fristen sind dabei nicht zu wahren, auch wenn die KSK vermutlich die Versicherungspflicht erst vom Eingangsdatum des erneuten Antrags an feststellt.

Begründete Anträge auf Feststellung der Versicherungspflicht stellen

Es ist generell ratsam, bereits beim Antrag auf Feststellung der Versicherungspflicht den Sachverhalt in einem Begleitschreiben soweit klarzustellen, daß es keine unnötigen Rückfragen gibt, z.B.:

– Pauschalvertrag als Beleg für eine publizistische Tätigkeit als Journalistin oder Journalist:
„Ich erziele als freie/r Journalist/in bei diesem Auftraggeber mehr als ein Drittel meines Arbeitseinkommens und bin deshalb dort arbeitnehmerähnliche Person im Sinne von
12a TVG. Der vorgelegte Vertrag entspricht den üblichen Konditionen. Ich bin dessen ungeachtet selbständig tätig.“

– Freie Mitarbeit nach Kündigung eines Arbeitsverhältnisses:
„Mein Arbeitsverhältnis mit dem X…Verlag wurde arbeitgeberseitig gekündigt. Auf das Angebot einer freien Mitarbeit bin ich eingegangen, um meine Existenzgrundlage nicht vollständig zu verlieren. Ich selbst habe kein Interesse daran, ein Arbeitsverhältnis zu umgehen, bin aber bei der gegenwärtigen Vertragsgestaltung darauf angewiesen, nach dem KSVG versichert zu werden.“

Verdacht der „Scheinselbständigkeit“

Letzteres bezieht sich auf Fälle, die möglicherweise zur Ablehnung durch die KSK führen oder geführt haben, wenn diese Verdacht geschöpft hatte, weil eine Antragstellerin oder ein Antragsteller früher in einem Arbeitsverhältnis (z.B. als Fotograf bei einem Zeitungsverlag) stand, das „betriebsbedingt“ gekündigt, die Tätigkeit aber anschließend als „freier Mitarbeiter“ fortgesetzt wurde. Hier ist der Verdacht naheliegend, daß der frühere Arbeitgeber eine Journalistin oder einen Journalisten durch eine – wohl zweifelhaft begründete – betriebsbedingte Kündigung lediglich in die Scheinselbständigkeit abgeschoben hat, um arbeitsrechtliche Schutzvorschriften zu umgehen und Sozialversicherungsbeiträge zu vermeiden. Auch wenn die Annahme der KSK, diese Verträge seien als Arbeitsverhältnisse einzuordnen, richtig sein sollten, sollte gegen die entsprechenden Bescheide vorgegangen werden, um die unsichere Position des Antragstellers in bezug auf die Versicherungspflicht möglichst bald zu klären, keine langen Beitrags-Nachzahlungs-Zeiten und -Beiträge auflaufen zu lassen und den ungeklärten Status z.B. in der Krankenversicherung möglichst rasch zu klären. Möglicherweise erübrigt sich in derartigen Fällen aber ein Rechtsstreit dadurch, daß der zuständige Sozialversicherungsträger (AOK) im Rahmen einer Prüfung von sich aus ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis feststellt.

Freien Journalistinnen und Journalisten kann jedenfalls nicht ernstlich unterstellt werden, sie selbst hätten ein Interesse, Pauschal- oder Rahmenverträge zu unterschreiben, um ein Arbeitsverhältnis zu vermeiden (das belegt allein die Diskrepanz der Einkommensverhältnisse zwischen dem niedrigsten Redakteursgehalt und den Monatspauschalen, die in den meisten Fällen knapp 50 Prozent davon ausmachen). Würde durch solche Verträge ein in Wirklichkeit bestehendes Arbeitsverhältnis nur verschleiert, wäre der einzige Nutznießer dieses „Gestaltungsmißbrauchs“ der Arbeitgeber, der auf diesem Wege nicht nur die Arbeitgeberanteile zur gesetzlichen Sozialversicherung sparen würde (von anderen Rechtspflichten eines Arbeitgebers einmal abgesehen), sondern auch die anteilige Künstlersozialabgabe, die im Falle einer wirklichen Selbständigkeit zweifelsfrei abzuführen wäre. Es kann also nicht hingenommen werden, daß die „Opfer“ eines Mißbrauchs von Rechtsformen sozialversicherungsrechtlich die Nachteile zu tragen hätten, die „Täter“ aber den Nutzen daraus ziehen könnten.

Selbstverständlich ist es Aufgabe der KSK zu prüfen, ob eine selbständige Tätigkeit vorliegt oder nicht doch ein verkapptes Arbeitsverhältnis („Scheinselbständigkeit“). Aus gewerkschaftlicher Sicht ist es im Prinzip zu begrüßen und zu unterstützen, daß die KSK Umgehungsgeschäfte nicht akzeptieren will. Wenn die IG Medien in der KSK eine späte Bundesgenossin im Kampf gegen ungeschützte Beschäftigungsverhältnisse findet, dann ist das nur erfreulich.

Bei Rückfragen der KSK sollte klargestellt werden, daß auch in Zweifelsfällen umgehend eine Versicherungspflicht nach dem KSVG festgestellt werden muß, um dem berechtigten Anliegen, einen Schutz in der gesetzlichen Sozialversicherung – gegen Beitragszahlung! – zu erwerben, Rechnung zu tragen. Darauf besteht ein Anrecht.

 

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