Recherche ohne Strafandrohung

Warum gesetzliche Verbesserungen keinen Aufschub dulden

Sicher, kein Vergleich mit Nordkorea, China oder Usbekistan – die Pressefreiheit ist hierzulande ein hohes Gut. Doch nicht ohne Grund ist Deutschland in der 167 Staaten umfassenden Rangliste der Medienfreiheit von Reporter ohne Grenzen im Vorjahr von Platz 11 (2004) auf 18 abgerutscht.

Egal was man von solchen Listen hält, aber schon rein rechtlich hat sich die Situation verschlechtert. Der neue § 201 a Strafgesetzbuch (StGB) zum Schutz der Privatsphäre vor Foto-Spannern kann ebenso gegen investigative Journalisten angewendet werden wie das „Stalking-Bekämpfungsgesetz“ (§ 241 b StGB), das nur wegen der vorgezogenen Bundestagswahl noch nicht in Kraft ist.

Mehr Redaktionsdurchsuchungen und Beschlagnahmen

Außerdem häufen sich die Übergriffe von Ermittlungsbehörden gegenüber den Medien. Da wurden die Redaktionen von Cicero in Potsdam, des Internetportals LabourNet, von anti atom aktuell im Kreis Lüchow-Dannenberg und die Räume des Münchner Journalisten Nikolaus Braun durchsucht, Computerdaten sichergestellt und gleich noch „Zufallsfunde“ dazu. Auch die Telefonüberwachung hebelt Redaktionsgeheimnis und Informantenschutz aus, wie jüngst das Beispiel der Wolfsburger Allgemeinen Zeitung zeigte.
Insbesondere die Cicero-Affäre hat zur Einbringung von zwei Gesetzentwürfen durch die Fraktionen von Bündnis 90 / Die Grünen und FDP in den Bundestag geführt. Ihr Ziel ist es, dass Journalisten künftig nicht mehr wegen Beihilfe zum Geheimnisverrat (§ 353 b StGB) bestraft werden können. Dieser Schritt zur Stärkung der Pressefreiheit verdient Unterstützung, egal ob man die Cicero-Veröffentlichung als journalistische Meisterleistung oder „erfolgreiche Marketing-Kampagne“ bewertet.
Beide Fraktionen wollen Journalisten, die Dienstgeheimnisse veröffentlichen, von einer Strafandrohung ausnehmen, wobei die Grünen auch die Anstiftung zum Geheimnisverrat straflos stellen wollen. Einig sind sich die Oppositionsparteien darin, durch Änderung der Strafprozessordnung (StPO) künftig die Beschlagnahme in Wohnungen von Journalisten ebenso unter den Vorbehalt einer richterlichen Anordnung zu stellen, wie dies bereits bei Redaktionen der Fall ist. Die Grünen wollen dies auch auf die Anordnung von Durchsuchungen ausdehnen und den Informantenschutz durch ein Verwertungsverbot von „Zufallsfunden“ stärken.
Außerdem wollen beide Fraktionen die Regelung in § 353 d StGB streichen, nach der die Veröffentlichung oder das Zitieren von Anklageschriften oder amtlichen Schriftstücke aus Straf-, Bußgeld- oder Disziplinarverfahren vor einer öffentlichen Verhandlung unter Strafe gestellt ist.
Bei der ersten Lesung im Bundestag am 16. März wurde allerdings schon deutlich, dass der grüne Gesetzentwurf kaum Chancen auf Zustimmung der Regierungsfraktionen hat, während Teile der FDP-Initiative zumindest in der SPD für überlegenswert gehalten werden. Abwarten wollen die Sozialdemokraten aber, bis das Bundesverfassungsgericht über die Cicero-Verfassungsbeschwerde entschieden hat.

Kommunikationsdaten müssen geschützt werden

Keine Rolle in der Debatte spielte der Vorschlag von Grünen und FDP, die Auskunft über Telekommunikationsdaten von Medienvertretern unter den gleichen Schutz zu stellen wie bei anderen Berufsgeheimnisträgern, so dass eine Herausgabe in Zukunft unzulässig wäre (§ 100 h Strafprozessordnung StPO). Dabei wäre dies dringend notwendig.
Denn die mit der Stimme der Bundesregierung beschlossene EU-Richtlinie zur Vorratsspeicherung muss bis zum 15. September 2007 in nationales Recht umgesetzt werden, für Internet-Daten zwei Jahre später. Ab dann werden sämtliche Verbindungs- und Standortdaten, die beim Telefonieren oder der Internetnutzung anfallen, für sechs Monate gespeichert.
Ebenso betroffen sind Redaktionen und Journalisten von einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 2. März, nach dem der Schutz des Fernmeldegeheimnisses in dem Moment endet, „in dem die Nachricht bei dem Empfänger angekommen und der Übertragungsvorgang beendet ist.“ Die gespeicherten Kommunikationsdaten auf dem Handy oder Computer (E-Mails und heruntergeladene Dateien) sind danach zwar noch durch die Grundrechte auf informationelle Selbstbestimmung und Unverletzlichkeit der Wohnung geschützt, doch dürfen Durchsuchung und Beschlagnahme nach § 94 StPO auch bei „einfachen“ Straftaten und von Polizeibeamten (ohne Richtervorbehalt) angeordnet werden.
Richterliche Unterstützung für die Stärkung der Pressefreiheit kam hingegen vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Er hatte über ein Jahrzehnt alte Fälle zu entscheiden, in denen zwei Schweizer Journalisten wegen Anstiftung zur Verletzung des Amtsgeheimnisses verurteilt wurden. Der Gerichtshof in Straßburg gab am 25. April beiden Journalisten Recht und verwies auf den hohen Rang der Wächterfunktion der Presse. Die Schweiz, heißt es in den Urteilen, habe die in der Europäischen Menschenrechtskonvention garantierte Meinungsfreiheit verletzt. Im Unterschied zum Caroline-Urteil, wäre es für die Pressefreiheit von Nutzen, wenn die Straßburger Entscheidung in deutsches Recht umgesetzt wird

 

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