Saftiges Nachhonorar

Eine Ex-taz-Redakteurin kämpft erfolgreich gegen „Texte-Klau“ im Internet

Mancher Zeitungsjournalist freut sich, wenn seine Artikel so viel Interesse finden, dass sie nach dem Abdruck auch noch per Internet weiterverbreitet werden – als Dokumentation auf den Websites von politischen Organisationen oder Abgeordneten. Wäre nur nett, wenn die Webmaster sich vorher eine Genehmigung dafür einholen würden. Das tun jedoch die wenigsten, und deshalb haben ein paar dieser Text-Piraten Ärger mit einer streitfreudigen Journalistin bekommen: Sie will sich den eigenmächtigen Umgang mit dem Urheberrecht nicht länger gefallen lassen.

Kerstin Schneider, einst Redakteurin der taz-Lokalredaktion Bremen und heute beim „Stern“, hatte zufällig entdeckt, dass mehrere ihrer taz-Artikel im Internet kursierten: unter anderem auf den Websites der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung, des grünen Bundestagsabgeordneten Cem Özdemir und der so genannten „Polizei-Basis-Gewerkschaft“ (dort sogar ohne jede Quellenangabe, wie Schneider berichtet).

„Texte zu klauen, ist kein Kavaliersdelikt“, findet die 35-Jährige. „Man muss da mal eine Lanze brechen, vor allem für die Freien Journalisten.“ Als sie sich zunächst persönlich bei den Text-Freibeutern beschweren wollte, wurde sie nach eigener Darstellung entweder abgewimmelt oder stieß auf taube Ohren. Daraufhin forderte sie per Anwalt saftigen Schadenersatz: 1.000 Mark für jede unberechtigte Textnutzung – bei Widerstand Klage.

Das wirkte: Die Naumann-Stiftung zahlte noch vor einem Rechtsstreit den vollen Tausender (wenn auch ohne Anerkennung einer Rechtspflicht). Die so genannte „Polizei-Basis-Gewerkschaft“ ließ sich laut Schneider zwar erst verklagen, löhnte aber dann. Nur Cem Özdemir, früher selbst mal Freier Journalist, wollte sich mit der 1.000-Mark-Rechnung nicht abfinden.

Die Justiziarin seiner Fraktion, Birgit Laubach, fand die Forderung „völlig überzogen“: Nach den üblichen Honorarsätzen könne Schneider für ihren 131-Zeilen-Artikel (über Özdemir und dessen Parteikollegin Marieluise Beck) allenfalls 300 Mark verlangen. Im Übrigen sei die Rechtslage nicht eindeutig, und zumindest habe Özdemir nicht vorsätzlich gehandelt, meinte die Fraktionsjuristin.

Redakteurin Schneider konterte bissig: „Özdemir benimmt sich wie ein Ladendieb, der erwischt wird und hinterher die Preise selbst bestimmen will.“ Ihre eigene Preisgestaltung ist freilich nicht gerade marktüblich: Sie orientiert sich vor allem an großzügigen „Stern“-Honoraren.

Als Kompromiss schlug Schneider schließlich vor, Özdemir solle das Geld einer Anti-Rassismus-Stiftung spenden. Das tat er dann auch – aber nur in Höhe von 300 Mark. Die Redakteurin nahm das zähneknirschend hin und kämpft dafür an anderer Front weiter: mit einer Klage gegen ein Marburger Informationszentrum für Rassismusforschung, das ebenfalls einen taz-Artikel von ihr im Internet dokumentiert hatte. Auch hier fordert Schneider 1.000 Mark Honorar – wobei ihr offenbar egal ist, wie der ehrenamtlich geführte Verein das bezahlen soll.

 

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