Terrordelikt Pressearbeit

Urteil im Fall Schrader: Ende eines fragwürdigen Prozesses

Ein Jahr und zehn Monate auf Bewährung – so lautete das Urteil gegen die Journalistin und Griechenland-Korrespondentin Heike Schrader. Am 9. Dezember zog das Oberlandesgericht Düsseldorf mit der auf eine Bewährungszeit von drei Jahren angesetzten Strafe einen Schlussstrich unter ein skandalöses Terrorismusverfahren gegen die inzwischen 43-jährige Auslandskorrespondentin.

Schrader war von der Staatsanwaltschaft der Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation bezichtigt worden. Von 1996 bis 1999 hatte die heute mit ihrem griechischen Mann in Athen lebende Auslandskorrespondentin in Köln für die linke türkische Organisation DHKP-C als Pressebeauftragte gearbeitet. Ein Großteil dieser Zeit war die DHKP-C in Deutschland legal, ihr wurde erst 1998 das Engagement hierzulande untersagt. Von einer Terrorgruppe war selbst dabei keine Rede. Trotzdem wurde Schrader rund ein Jahrzehnt später – im Dezember 2007 – bei der Einreise aus Griechenland am Flughafen Köln-Bonn festgenommen (siehe M01/ 02.2008).
Bei dem Entscheid nun folgte kein Mitglied des dreiköpfigen Richtergremiums dem Vorwurf der Staatsanwaltschaft. Demzufolge sollte Schrader Mitglied einer „terroristischen Vereinigung innerhalb der DHKP-C“ gewesen sein. Beweise gab es dafür nicht. Auch deswegen lautete das Urteil nach dem so genannten Terrorparagraphen 129a auf eine unterstellte „Unterstützung einer terroristischen Organisation“. Das sei ein Vergehen, sagt Schrader, kein Verbrechen. Ein wichtiger Unterschied.
Trotz zahlreicher Unstimmigkeiten will die Kollegin gegen den Richterspruch nicht angehen. Es sei nach Einschätzung von Anwälten kaum möglich, aus einem solchen Terrorverfahren unbeschadet herauszukommen. Das Urteil hält sie trotzdem für skandalös. „Das Gericht hat in der Begründung des Urteils selbst anerkannt, dass ich legale Pressearbeit geleistet habe“, sagt sie im Gespräch mit M. Auch andere Tätigkeiten hätten sich „auf den organisatorischen und logistischen Bereich beschränkt“, räumten die Richter ein. Eine solche Terroranklage, sagt Heike Schrader rückblickend, könne demnach alle Kollegen ereilen, „die sich für irgendeine den Behörden unliebsame Vereinigung engagieren“.

Korrespondentin wieder nach Athen zurückgekehrt

Auch ein weiterer Passus in der Urteilsbegründung sollte Journalisten aufhorchen lassen. Das Urteil wurde unter anderem auf Bewährung ausgesetzt, weil die Angeklagte „sich eine Existenz als Journalistin aufgebaut (hat), was ihr die Möglichkeit eröffnet, auf legalem Weg ihre politischen Überzeugungen kundzutun.“ Eine fragwürdige Begründung: Wer seine journalistische Arbeit auf dem Markt feilbietet, ist demnach gegen den Terrorvorwurf geschützt. Wer sie im Rahmen politischen Engagements unendgeltlich leistet, dem kann sie angelastet werden.
Die inzwischen 43-jährige Heike Schrader konnte noch vor dem Jahreswechsel zu ihrem Mann nach Athen zurückkehren und die Arbeit für mehrere deutsche Redaktionen, Tageszeitungen und Onlinemedien, wieder aufnehmen. „Wir warten jetzt auf die Rechnung des Verfahrens, dessen Kosten ich tragen soll“, sagt sie. Für die freie Journalistin eine erhebliche finanzielle Belastung, die zu den psychischen Torturen der vergangenen zwölf Monate kommt.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Vernetzte Frauen im Journalismus

Sich als Frau in einer Branche behaupten müssen, in der Durchsetzungskraft und Selbstbewusstsein entscheidende Faktoren sind: Für Generationen von Journalistinnen eine zusätzliche Belastung im ohnehin schon von Konkurrenz und Wettbewerb geprägten Beruf. Angesichts dieser Herausforderung sind Netzwerke und solidarische Bündnisse von großer Bedeutung. Der Journalistinnenbund (JB) hatte hierbei seit seiner Gründung im Jahr 1987 eine Vorreiterrolle inne. Sein Anliegen: Geschlechtergleichstellung in den Medien erreichen.
mehr »

In den eigenen Räumen etwas bewegen

Stine Eckert forscht zu Geschlechterkonstruktionen in den Medien am Institut für Kommunikationswissenschaft an der Wayne State University in Detroit. Ihr Buch „We can do better“ versammelt  „feministische Manifeste für Medien und Kommunikation“. Mit Ulrike Wagener sprach sie für M über die Verbindung zwischen Universitäten und Aktivismus und die Frage, wo Medien und Medienschaffende etwas verändern können.
mehr »

Smart-Genossenschaft für Selbstständige

Smart klingt nicht nur schlau, sondern ist es auch. Die solidarökonomische Genossenschaft mit Sitz in Berlin hat seit ihrer Gründung im Jahr 2015 vielen selbstständig Tätigen eine bessere und stärkere soziale Absicherung verschafft – genau der Bereich, der bei aller Flexibilität und Selbstbestimmtheit, die das selbstständige Arbeiten mit sich bringt, viel zu oft hinten runterfällt.
mehr »

Medienkompetenz: Von Finnland lernen

Finnland ist besonders gut darin, seine Bevölkerung gegen Desinformation und Fake News zu wappnen. Eine wichtige Rolle spielen dabei die Schulen, aber die Strategie des Landes geht weit über den Unterricht hinaus. Denn Medienbildung ist in Finnland eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die auf vielen Ebenen in den Alltag integriert ist und alle Altersgruppen anspricht. Politiker*innen in Deutschland fordern, sich daran ein Beispiel zu nehmen. Kann das gelingen?
mehr »