Wehrsport-Hoffmann scheiterte vor Gericht

Prozessauftakt am Landgericht Nürnberg im Februar um Äußerungen des "Wehrsportgruppengründers" Karl-Heinz Hoffmann links im Bild, daneben sein Rechtsanwalt Alexander Suck und Rechtsanwalt Peter Hückmann mit Ulrich Chaussy
Foto: Heinz Wraneschitz

Komplett gescheitert ist der ehemalige Wehrsportgruppen-Führer Karl-Heinz Hoffmann mit seiner Klage gegen den Münchner Journalisten und Autor Ulrich Chaussy. „Der Ausdruck Drahtzieher, der fiel gar nicht“, betonte Richterin Monika Bieber vom Nürnberg-Fürther Landgericht in der Beweisaufnahme. Doch genau wegen dieses Wortes hatte der Rechtsextremist Hoffmann seine Zivilklage gegen Chaussy angestrengt.

Nicht wegen eines Radiobeitrags, sondern wegen einer Rede hatte Hoffmann den Rundfunkjournalisten Ulrich Chaussy in den Nürnberger Justizpalast zitieren lassen. Chaussy hatte im März 2016 anlässlich der Woche der Brüderlichkeit in Erlangen gesprochen. Dabei ging er auf die in Gerichtsakten und Zeitungsartikeln beschriebenen Verbindungen des Ex-WSG-Chefs zu dem offensichtlichen Mörder des Erlanger Verlegerpaars Schlomo Lewin und Frida Poeschke am 19. Dezember 1980 ein. Zudem beschrieb er die engen Kontakte des Oktoberfest-Attentäters vom 26. September 1980 mit dem in einem Schloss lebenden Rechten Hoffmann. In einem Bericht in den Erlanger Nachrichten wurde Chaussy anschließend zitiert. Dabei soll er Hoffmann als „Drahtzieher“ genannter Verbrechen bezeichnet haben. Eine Tonbandaufnahme, die Chaussy der Richterin vorlegte, belegt aber: Während seines Brüderlichkeits-Vortrags in Erlangen hat der Journalist das Wort „Drahtzieher“ nicht verwendet. Hoffmann soll deshalb auch gedroht haben, den freien Berichterstatter der Erlanger Nachrichten dem Prozess „beizuziehen“, ihn auch zu verklagen. Das geschah aber nach Gerichtsauskunft nicht.

Ulrich Chaussy hat schon 1985 das Buch „Oktoberfest. Ein Attentat. Wie die Verdrängung des Rechtsterrors begann.“ veröffentlicht. Über diesen schwersten Terrorakt der deutschen Nachkriegsgeschichte in München mit 13 Getöteten und 211 Verletzten spricht er bis heute genauso engagiert wie über den Erlanger Doppelmord: Beide Anschläge sind nicht endgültig aufgeklärt. Für seine 30jährigen Recherchen zum Oktoberfestattentat erhielt Ulrich Chaussy 2015 den „Leuchtturm“-Preis für besondere publizistische Leistungen von netzwerk recherche.

Karl-Heinz Hoffmanns WSG wurde am 30. Januar 1980 als verfassungsfeindlich verboten und offiziell aufgelöst. Doch bis heute wird deren einstiger „Führer“ aufgeschreckt, wenn Medien über mögliche Zusammenhänge zwischen der WSG und offensichtlich terroristischen Taten aus der rechten Szene berichten. Und so hatte Wehrsport-Hoffmann Chaussy auf „Unterlassung“ und Schmerzensgeld verklagt. Beides bekommt der Rechtsausleger nun aber nicht. Stattdessen hat er die gesamten Kosten des Verfahrens zu tragen. Aber noch bleiben ihm vier Wochen Zeit, um Berufung einzulegen.

 

 

 

 

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Warnstreik bei der Süddeutschen Zeitung

Für die zweite Tarifverhandlungsrunde am 25. Juli 2024 hatten die Verhandler*innen des Zeitungsverlegerverbandes BDZV der dju in ver.di ein Angebot zu Tariferhöhungen angekündigt. Gehalten haben sie das Versprechen nicht. Konkrete Zahlen zur Tariferhöhung blieb der BDZV schuldig. Stattdessen stellte er Gegenforderungen zum Nachteil der Zeitungsredakteur*innen. Heute streikten dagegen über 100 Beschäftigte der Süddeutschen Zeitung. In Nürnberg gab es eine Aktive Mittagspause vor dem Verlag Nürnberger Presse.
mehr »

Süddeutsche ohne Süddeutschland?

Die Süddeutsche Zeitung (SZ) will sich aus der Regionalberichterstattung in den Landkreisen rund um München weitgehend zurückziehen. Am Mittwoch teilte die Chefredaktion der SZ zusammen mit der Ressortleitung den rund 60 Beschäftigten in einer außerordentlichen Konferenz mit, dass die Außenbüros in den Landkreisen aufgegeben werden und die Berichterstattung stark zurückgefahren wird. Dagegen wehrt sich die Gewerkschaft ver.di.
mehr »

Breiter Protest für Rundfunkfinanzierung

Anlässlich der Konferenz der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten (MPK) in Leipzig fordert ver.di die Fortführung des Reformdiskurses über die Zukunft öffentlich-rechtlicher Medienangebote und über die Strukturen der Rundfunkanstalten. Die notwendige Debatte darf die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten jedoch nicht daran hindern, ihren vom Bundesverfassungsgericht zuletzt im Jahr 2021 klargestellten Auftrag auszuführen: Sie müssen im Konsens die verfassungsmäßige Rundfunkfinanzierung freigeben.
mehr »

Games: Welcome to Planet B

Die Bürgermeisterin muss sich entscheiden: Soll zuerst ein Frühwarnsystem vor Springfluten eingerichtet oder neue Möglichkeiten zum Schutz vor Hitze geplant werden? Und sollen diese neuen Schutzmaßnahmen besonders günstig oder lieber besonders nachhaltig sein? Was wie Realpolitik klingt ist ein Computerspiel. Denn immer mehr Games setzten sich auch mit Umweltthemen auseinander.
mehr »