Heiß diskutiert: neues Radio3 vom RBB

Foto: RBB/Gundula Krause

Licht und Schatten beim Rundfunk-Berlin Brandenburg: Nach dem Facelifting im RBB-Fernsehen Anfang 2024 erfolgte zum 2. April eine umstrittene Programmreform bei Radio 3 (vorher RBB Kultur). Noch immer kommen neue Skandale ans Licht. Eine Ex-Führungskraft kassierte jahrelang üppige Ruhegelder – trotz neuem Job. Positiv: Feste Freie erhalten endlich den lange umkämpften Bestandsschutz und werden künftig im RBB-Personalrat vertreten sein.

Neuer Name, neues Programm? Am 2. April startete beim RBB Radio 3, das Nachfolgeprogramm von rbbKultur. Mit dem Namen radio3 wolle man das „Signal für einen Neuaufschlag setzen und neugierig machen“, verkündete Dorothee Hackenberg, seit November 2023 Leiterin der beiden Radioprogramme RBB Kultur und Radioeins. 

So richtig zwingend erscheint die Neubenennung nicht – schon die im Jahr 2003 fusionierten Landessender Ostdeutscher Rundfunk Brandenburg (ORB) und der Sender Freies Berlin (SFB) verfügten über Klassik- und Kulturwellen namens Radio 3 und SFB 3. Entscheidender für das Urteil des Publikums dürften weniger solche Namensrochaden als inhaltliche Aspekte des reformierten Programms werden. 

Bereits in der unseligen Ära von Patricia Schlesinger war das Kulturradio zum Schrumpfkandidaten degradiert worden, mit entsprechenden Auswirkungen auch auf die Arbeitssituation vor allem der Freien in den Redaktionen. „Programm-Marken, die plötzlich aus dem Äther verschwinden, die Marginalisierung programmprägender Formate zur Alten und Neuen Musik, die Verbannung längerer Dokumentationen, Features und Gespräche in die Abendstunden – immer weniger Stammhörer identifizieren sich noch mit so einem verflachten Sendekonzept“, kritisierte damals der Landesmusikrat. 

Frühprogramm ohne Klassik im Kulturradio

Auch von der aktuellen „Reform“ erwartet die Kulturszene der Hauptstadtregion nichts Gutes. „Mit dem erneuten Namenswechsel könnte eine erneute Sparrunde bei den Beschäftigten und im Programm einhergehen“, fürchtet ein Bündnis verschiedener Verbände, dem neben ver.di  unter anderem der Landesmusikrat, der VS und der bbk (Bildende Künste) angehören. 

Analog zu den Veränderungen bei anderen ARD-Sendern, zum Beispiel dem Bayerischen und dem Hessischen Rundfunk, soll die Reise auch bei radio3 offenbar verstärkt in Richtung eines tagesbegleitenden Formatradios gehen. Zwar soll klassische Musik weiterhin den „Markenkern“ bilden. Aus dem Frühprogramm zwischen sechs und zehn Uhr ist sie allerdings weitgehend verbannt, da werde laut Senderchefin Hackenberg ein „anspruchsvoller Mix verschiedener Genres“ angestrebt, „Jazz, Soul, ausgewählte Singer-Songwriter“. 

Bis heute, so monieren die bisherigen Kulturradio-Autor*innen, habe niemand von der Wellenleitung mit ihnen über die einzelnen Veränderungen und ihr künftiges Arbeitsvolumen gesprochen. „Gebaute“ Beiträge, so fürchten sie, dürften verstärkt kostengünstigeren Live-Formaten weichen. Nur so lässt sich realistischerweise die Vorgabe eines doppelten Wortanteils (bei den Informationen am Morgen) umsetzen.

Orientierung am Niveau der Privatsender?

Ob mit der neuen Anmutung – wie der Landesmusikrat argwöhnt – eine Orientierung am Niveau von Privatsendern – oder eine „weitere Entintellektualisierung“ dräut, lässt sich nach einer ersten Hörprobe noch nicht bestätigen. Am Eröffnungsmorgen gab es pünktlich zur Liberalisierung des Cannabis-Konsums in Deutschland ein Gespräch mit dem Kinder- und Jugendpsychologen Jakob Hein sowie eine Nachlese zu den Ostermärschen. Die allererste Moderation übernahm RBB-Allzweckwaffe Jörg Thadeusz, dessen multimediale Auftritte – auch sein TV-Talk „Thadeusz und die Beobachter“ bleibt erhalten – offenbar ressourcensparende Synergieeffekte erzeugen sollen.  

Derweil gehen die Aufräumarbeiten innerhalb und außerhalb des Senders weiter. Die Hauptverantwortlichen für Verschwendung und Vetternwirtschaft im RBB geben bei der Aufarbeitung des Skandals nach wie vor keine gute Figur ab. Sowohl Ex-Intendantin Patricia Schlesinger als auch der ehemalige Vorsitzende des RBB-Verwaltungsrats Wolf-Dieter Wolf verweigerten in getrennten Sitzungen vor dem RBB-Untersuchungsausschuss im Brandenburger Landtag die Aussage. 

Anfang Februar erfuhr die Öffentlichkeit, dass die 2016 als RBB-Programmdirektorin ausgeschiedene Claudia Nothelle noch bis November 2023 ein monatliches Ruhegeld in Höhe von zuletzt rund 8.200 Euro erhalten hatte – zusätzlich zu einer Abfindung von etwa 240.000 Euro. Das Ruhegeld bekam sie auch weiter, nachdem sie als Professorin für Journalismus an Hochschule Magdeburg-Stendal angestellt wurde und dort ein Gehalt bezog. Die neue RBB-Geschäftsleitung klagt gegen Nothelle vor dem Arbeitsgericht Berlin auf Rückzahlung von Ruhegeldern – Ausgang offen. 

Hoffnungszeichen im RBB

Es gibt aber auch positive Nachrichten. Am 20. März stimmte der RBB-Verwaltungsrat endlich dem umkämpften Tarifvertrag über einen Beendigungsschutz für langjährige freie Mitarbeiter*innen zu. Vorausgegangen war ein drei Jahre lang währender Verhandlungsmarathon mit drei verschiedenen Geschäftsleitungen.

Die erste Runde hatte bereits unter der später unehrenhaft ausgeschiedenen Intendantin Patricia Schlesinger stattgefunden. Ihr Angebot, arbeitnehmerähnlichen Freien allenfalls nach mindestens 25 Jahren ununterbrochener Beschäftigung einen gewissen Schutz zu gewähren, war damals von den Betroffenen als Zumutung und „Gnadenbrot“ abgelehnt worden. Es folgten eine spektakuläre „Frei im Mai“ – Aktionswoche 2021 und ein erfolgreicher Warnstreik ein Jahr später. Aber auch Interimsintendantin Katrin Vernau zeigte sich angesichts knapper Kassenlage äußerst hartleibig und verkündete im Februar 2023 von einem Tag auf den anderen den Abbruch der Gespräche.

Erst mit dem Amtsantritt von Intendantin Ulrike Demmer kam neue Bewegung in die Verhandlungen, ehe kurz vor Weihnachten letzten Jahres der Durchbruch gelang. Zu verdanken war dies, so lobt die Freienvertretung, „den Gewerkschaften, den solidarischen festen Kolleg*innen und nicht zuletzt allen Freien, die sich mit Mut und Ausdauer an den zahlreichen Protestaktionen beteiligt haben“. 

„Bestandsschutz für alle“

Einen „Meilenstein des künftigen Miteinanders im RBB“ nennt auch Intendantin Demmer den neuen Tarifvertrag. Er bietet – sobald Geschäftsleitung und Gewerkschaften ihn ratifiziert haben – arbeitnehmerähnlichen Freien ab dem siebten Beschäftigungsjahr beim RBB einerseits eine Beschäftigungssicherheit, andererseits eine stufenweise ansteigende Honorargarantie. Eine Garantie, die nach acht aufeinanderfolgenden Kalenderjahren bei 20 Prozent einsetzt und nach 20 Jahren 100 Prozent erreicht.

Der garantierte Anspruch bezieht sich auf die Durchschnittseinkünfte der jeweils vorausgegangenen fünf Jahre. Unter den Freien dürfte jetzt das Grübeln darüber einsetzen, wer in welchem Umfang von der neuen Regelung profitieren wird. Licht in das Dickicht der tariflichen Einzelbestimmungen und ihre Auslegung will die Freienvertretung demnächst in „ausführlichen Informationsveranstaltungen“ bringen. 

Das könnte zugleich eine der letzten Aufgaben sein, die die seit zehn Jahren sehr erfolgreich arbeitende Freienvertretung zu erfüllen hat. Denn bei der in Kürze anstehenden Personalratswahl passiert endlich das, was in den meisten anderen ARD-Sendern längst Normalität ist. Nach dem Inkrafttreten des Ende 2023 verabschiedeten neuen RBB-Staatsvertrags werden erstmals auch die Festen Freien in die Mitbestimmung einbezogen.

„Beides – sowohl der Bestandsschutz als auch die Teilnahme an den Personalratswahlen – sind hart erkämpfte gewerkschaftliche Erfolge“, sagt Kathlen Eggerling, zuständige ver.di-Gewerkschaftssekretärin, „sie können die Freien in Zukunft besser schützen und die Belegschaft gleichberechtigter zusammenbringen.“ Voraussichtlich in der letzten Mai-Woche wird der neue Personalrat gewählt.

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