Die Landesregierungen von Bayern und Sachsen-Anhalt erwarten von ARD und ZDF weiterhin, dass sie ihre Verfassungsbeschwerden zum Rundfunkbeitrag zurückziehen. Erst wenn dies passiert, wollen sie den Modellwechsel zur künftigen Festsetzung des Rundfunkbeitrags unterstützen. Das erklärten die Staatskanzleien in München und Magdeburg auf Nachfrage.
Im November 2024 zogen ARD und ZDF vor das Bundesverfassungsgericht, weil die Bundesländer die empfohlene Erhöhung des Rundfunkbeitrags zum 1. Januar 2025 nicht umsetzten. Die Verfassungsbeschwerde sei darauf gerichtet, erklärte etwa das ZDF, dass die Länder das von ihnen selbst festgelegte Verfahren einer staatsfernen Festlegung des Rundfunkbeitrags einhalten. Die zuständige Finanzkommission KEF hatte den Ländern vorgeschlagen, Anfang 2025 den Rundfunkbeitrag um 58 Cent auf 18,94 Euro pro Monat zu erhöhen. Von der KEF-Empfehlung können die Länder nur in engen Ausnahmefällen abweichen.
Im Dezember 2024 hatten sich die Ministerpräsident*innen der Länder im Grundsatz auf ein neues Verfahren zur Festsetzung des Rundfunkbeitrags ab 2027 verständigt. Die Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) einigte sich darauf, den Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag entsprechend zu novellieren. Der Rundfunkbeitrag soll bis Ende 2026 bei monatlich 18,36 Euro unverändert bleiben. Bis dahin sollen die Anstalten, heißt es von den Ländern, Rücklagen in Höhe von rund einer Milliarde Euro nutzen, um Finanzierungslücken zu schließen.
Zum damaligen MPK-Beschluss gaben Bayern und Sachsen-Anhalt eine gemeinsame Protokollerklärung ab. Darin hielten sie fest, die Staatsvertragsnovelle nur zu unterzeichnen, wenn die Sender ihre Verfassungsbeschwerden zurückzögen. Das gelte weiterhin, erklärte der bayerische Medienminister Florian Herrmann (CSU) auf Anfrage: „Beitragserhöhungen müssen ausgeschlossen sein, bevor ein neues Finanzierungsverfahren eingeführt werden kann.“ Ähnlich äußerte sich auf Nachfrage die CDU-geführte Landesregierung von Sachsen-Anhalt über ihren Regierungssprecher Matthias Schuppe. Dass ARD und ZDF ihre Verfassungsbeschwerden vor dem Bundesverfassungsgericht zurückziehen, ist indes nicht zu erwarten. Dafür gibt es keine Anzeichen seitens der Sender.
Verfahren in der Sackgasse
Aufgrund der Haltung von Bayern und Sachsen-Anhalt bleibt nun unklar, ob das vorgesehene neue Verfahren zur Festsetzung des Rundfunkbeitrags überhaupt kommt. Dieses soll für Vereinfachungen sorgen. Bisher müssen einem Vorschlag der KEF zur Beitragshöhe alle Länder (Regierungen und Landtage) zustimmen, damit diese wirksam wird. Mit der Novelle des Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrags soll eine Widerspruchslösung eingeführt werden. Abhängig davon, wie hoch künftig eine von der KEF ermittelte Beitragserhöhung prozentual ausfällt, müsste eine bestimmte Anzahl von Ländern widersprechen, damit eine Anhebung nicht automatisch gilt.
Das Grundprinzip dabei: Je höher eine Anhebung ausfallen soll, desto weniger Länder müssten widersprechen, damit sie nicht gültig würde. Soll der Rundfunkbeitrag zwischen 3,5 bis fünf Prozent steigen, wäre der Widerspruch von mindestens einem Land erforderlich, um die Anhebung zu blockieren. Mindestens zwei Länder wären nötig, wenn die Erhöhung zwischen zwei und 3,5 Prozent betragen soll. Ist ein Anstieg bis maximal zwei Prozent geplant, müssten mindestens drei Länder widersprechen. Ein Widerspruch kann für jedes Land von der Regierung oder vom Parlament eingelegt werden.
Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) kritisierte nun mit Blick auf die geplanten Rundfunkreformen „die Unzuverlässigkeit der medienpolitisch Verantwortlichen“. Christoph Schmitz-Dethlefsen, für Medien zuständiges Mitglied im ver.di-Bundesvorstand, erklärte, die verfassungsgemäßen Verfahren würden weiter von den Zuständigen ignoriert. ARD und ZDF müssten „ihr Recht in Sachen Rundfunkbeitrag in Karlsruhe einklagen“.
Stellungnahmen bis Ende April
Wann das Bundesverfassungsgericht über die Verfassungsbeschwerden von ARD und ZDF entscheiden wird, ist offen. Ob es eine mündliche Verhandlung geben wird, ist bisher nicht bekannt. Zum weiteren Verfahrensgang gebe es derzeit noch keine näheren Informationen, heißt es vom Bundesverfassungsgericht auf Anfrage. Zuständig für die Verfahren ist der Erste Senat, Berichterstatterin ist Verfassungsrichterin Ines Härtel. Bis Ende April können Stellungnahmen zu den Verfassungsbeschwerden eingereicht werden.
Dafür hat das Verfassungsgericht eine ganze Reihe von Institutionen kontaktiert. Neben allen Landesregierungen und allen Landtagen auch den Deutschen Bundestag, das Bundeskanzleramt sowie das Justiz- und das Innenministerium. Hinzu kommen noch das Deutschlandradio, die Landesmedienanstalten, die KEF, mehrere Landesrechnungshöfe, der Bundesrechnungshof und der Bund der Steuerzahler sowie Vaunet, der Verband privater Medien. Erste Landtage, etwa der nordrhein-westfälische, haben bereits entschieden, keine Stellungnahmen nach Karlsruhe zu schicken.
Die 16 Landesregierungen lassen sich gemeinsam in den beiden Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht vom Heidelberger Verfassungsrechtler Hanno Kube vertreten. Das beschloss die Rundfunkkommission der Länder in ihrer Sitzung am 11. März. Die ARD hat den Kölner Medienrechtler Karl-Eberhard Hain als Prozessvertreter bestellt, das ZDF den Kölner Staatsrechtler Christian von Coelln.