Die Linkszeitung

Engagierte Medien abseits des Mainstreams sind hochinteressant, aber wenig bekannt. Deshalb stellt M mit dieser neuen Rubrik in jedem Heft eines davon vor.

In der Doppeldeutigkeit von links und dem Link steckt System. Genau das wollten einige über die Bundesrepublik verstreut arbeitende Journalisten und Webdesigner schaffen. Sie fanden im vergangenen Sommer auf einem Forum der WASG, dass eine linke Zeitung dem Netz fehle und eine solche Stimme sich vielfach verlinken sollte.
Seit 1. August 2005 erscheint die Linkszeitung täglich im Internet – und nur dort. Alle Ressorts einer klassischen Zeitung werden umfangreich und professionell bedient: Welt, Deutschland, Wirtschaft und Soziales, Kultur, Kaleidoskop, Meinung, Medien, Wissen und Verstehen, Sport, Regionalreport, Wetter etc. – etwa 18 feste Rubriken mit Raum für Leserbriefe und Meinungen. 10 – 15 Zeilen Vorspann umreißen das Thema – alles, was aktuell ist, wird aufgegriffen, im Februar etwa Vogelgrippe oder Olympia. Wer mehr lesen will, klickt sich weiter. „Klar, dass wir Akzente setzen wollen“, erklärt Chefredakteur Werner Jourdan, „wir wählen aus der Vielfalt der Nachrichten möglichst das aus, was andere nicht bringen.“ Von parteipolitischem Wohl­verhalten und Abhängigkeit halten die Macher nichts, „haben auch von Parteien keinen Pfennig bekommen“, sagt Jourdan. „Wir verstehen uns pluralistisch und meinungsfreudig, obwohl wir natürlich auf der linken Seite agieren, linke Strömungen aufgreifen und aus dem linken Lager Unterstützung erhoffen.“ Erfahrene Journalistinnen und Journalisten mit langen Berufskarrieren in verschiedenen, teils führenden Print- und elektronischen Medien schreiben für die Linkszeitung, setzen vom Bericht über die Meinung und Analyse bis zur Reportage unterschiedliche Handschriften. Auch die Grafi­kerin ist Profi.
Noch – und vielleicht bleibt das aufgrund der Spezifik so – kommt das virtuelle Blatt mit spartanischen Bedingungen aus, hat – obwohl eine Münchner Anschrift – keinen festen Redaktionsstandort. Es entsteht am Küchentisch oder hei­mischen Schreibpult – überall dort, wo die Blattmacher zu Hause sind. Einmal täglich gibt’s eine Telefonkonferenz zur Absprache, alles Weitere läuft über Mails. Der große Vorteil: Die Zeitung kann praktisch 24 Stunden lang aktualisiert werden. „Ich mache bis auf wenige Stunden Schlaf fast rund um die Uhr Zeitung“, konstatiert Jourdan. Bei der Frage nach dem Warum einer solchen Mammutbelastung, bei der er bislang noch kein Gehalt verdient hat, spricht der 50Jährige von der Rückbesinnung auf Werte wie Solidarität und Engagement statt Karrierestreben. „Aber natürlich stehen wir ganz am Anfang, wollen erst zu einem richtigen Unternehmen werden, das sich und uns finanziert und Arbeitsplätze schafft. Marketing ist deshalb überfällig.“ Nach der inhaltlichen Profilierung wird es in den nächsten Wochen und Monaten um Anzeigenkunden und Spenden gehen.
Jourdan und seine Mitstreiter sind optimistisch, weisen doch die Zahlen auf Wachstum. Die Be­suche auf der Homepage sind allein im Januar um 25 Prozent auf fast 90.000 gestiegen, auch die ­Zugriffe ständiger Nutzer auf die einzelnen Seiten erhöhen sich, über 800 Links verweisen bereits auf die neue Zeitung.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Österreichs Rechte greift den ORF an

Eines muss man Herbert Kickl lassen – einen Hang zu griffigen Formulierungen hat er: „Die Systemparteien und die Systemmedien gehören zusammen, das ist wie bei siamesischen Zwillingen,“ sagte der FPÖ-Spitzenkandidat auf einer Wahlkampfveranstaltung im September. „Die einen, die Politiker, lügen wie gedruckt, und die anderen drucken die Lügen. Das ist die Arbeitsteilung in diesem System“. Seinen Zuhörenden legte Kickl mit seinen Worten vor allem eins nahe: Die rechte FPÖ könne dieses dubiose System zu Fall bringen oder zumindest von schädlichen Einflüssen befreien.
mehr »

Die Entstehung des ÖRR in Deutschland

Im Jahr 1945 strahlten die deutschen Radiosender Programme der Militärregierungen aus. Zum Beispiel Norddeutschland. Dort hatte der nationalsozialistische Reichssender Hamburg am 3. Mai seine Tätigkeit eingestellt. Nur wenige Stunden später besetzten britische Soldaten das Funkhaus und schon am 4. Mai erklang eine neue Ansage: „This is Radio Hamburg, a station of the Allied Military Government.”
mehr »

KI sitzt am Redaktionstisch

Erst vor wenigen Jahren hat ein Großteil der Menschen überhaupt erfahren, was Künstliche Intelligenz (KI) in der Praxis bedeutet. Genauer gesagt: Viele Menschen haben mit ChatGPT einen ersten Eindruck davon bekommen, wie Maschinen Texte formulieren, Prüfungsaufgaben in Sekundenbruchteilen lösen oder umfangreiche Artikel in wenigen Sekunden auf wesentliche Inhalte zusammenfassen. Auch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk zieht die generative KI seitdem ein.
mehr »

Klimajournalismus im Aufwind

Noch immer wird zu wenig über den Klimawandel und seine Folgen informiert. Daran tragen auch Medien eine Mitschuld. Das Netzwerk Klimajournalismus will  Klima-Wissen in die Redaktionen bringen und ermöglicht Austausch unter Journalist*innen und Medienschaffenden. Wir sprachen im M-Podcast mit Jürgen Döschner.
mehr »