Mittelbayerische lässt Haustarifverhandlungen für Redaktion und Verlag patzen
Der angekündigte „Pilot“, ein von Arbeitgeberseite als zeitgemäß gesehener neuer Haustarifvertrag für Verlag und Redaktion der „Mittelbayerischen Zeitung“ in Regensburg, ging unerwartet zu Bruch. Der externe Verhandlungsführer Johannes Weberling, wesentlicher Konstrukteur des Vertragsentwurfes auf Arbeitgeberseite, erklärte Mitte Dezember 2015 nach fast vier Jahren Marathon das Scheitern der Verhandlungen. Zum „Bedauern und Unverständnis“ der Gewerkschaften.
Seit die Mittelbayerische Verlag KG (MVKG) vor vier Jahren aus der Tarifbindung geflohen war, wurde über einen Haustarifvertrag verhandelt. Dazu engagierte der Verlag den in der Medienbranche einschlägig bekannten Presserechtler und Arbeitgeberanwalt Dr. Johannes Weberling als Verhandlungsführer. Mit einer innovativen Vertragslösung wollte der sich vermutlich sogar bundesweit empfehlen: Der Haustarif sollte für Redaktion und Verlag gleichermaßen gelten, lediglich drei Gehaltsstufen festschreiben und vom Unternehmensergebnis abhängige Einkommensbestandteile enthalten. „Messgröße sollte das angepeilte Unternehmensergebnis sein. Abhängig davon, ob dieses EBITDA erreicht würde, könnte das Jahreseinkommen der Beschäftigten dann bis zu fünf Prozent gesenkt oder erhöht werden“, erläutert ver.di-Verhandlungsführer Karl-Heinz Kaschel-Arnold. Auf diese Konstruktion ließen sich die Gewerkschaften ein, nachdem im Verhandlungsmarathon andere Bestandteile des komplizierten Systems annähernd „auf Flächentarifvertragsniveau gebracht“ worden seien. Ein weiterer Knackpunkt: Die MVKG wollte für Redaktion und Verlag eine einheitliche Wochenarbeitszeit von 40 Stunden, was für Journalist_innen ein Plus von dreieinhalb, im Verlagsbereich gar von fünf Stunden bedeutet hätte. Mit dieser Mehrarbeit wären in der Redaktion Einkommensverluste von 8,3 Prozent, für die Verlagsangestellten gar von 14 Prozent verbunden gewesen. „Hier wollten wir selbstverständlich einen Ausgleich durch eine entsprechende Anzahl freier Tage“, so Kaschel-Arnold.
Auf Krawall gebürstet
Ab 14. Dezember sollten in einer für zwei Tage geplanten Runde Fortschritte bei noch offenen Punkten erzielt werden. Sowohl ver.di als auch der Bayerische Journalistenverband (BJV) waren optimistisch. Überraschend verlangte die Arbeitgeberseite zu Verhandlungsbeginn von ver.di über die bereits eingereichten Positionspapiere hinaus einen schriftlichen Vorschlag, der auch die Kompromisslinien beschreibe. Die dann vorgelegte kurze Stellungnahme erachtete der Verlag als unzureichend und erklärte unvermittelt das Scheitern der Verhandlungen. Wer heute noch an den Regelungen des Flächentarifvertrages festhielte, werde morgen ganz allein dastehen, ließ sich Verhandlungsführer Weberling sinngemäß vernehmen. Für „nicht nachvollziehbar“ erklären BJV und ver.di das Vorgehen. Die Geschäftsführung sei von Beginn an „auf Krawall gebürstet“ gewesen, berichtet der ver.di-Verhandler. Für Kaschel-Arnold ist offensichtlich, dass man eine „Revanche“ suchte für die Proteste und die öffentliche Aufmerksamkeit um die skandalöse Betriebsstilllegung und die Kündigung langjähriger Beschäftigter bei der MVKG-Tochter Druckservice Regensburg. Auch 20 Stadträte hatten sich in dieser Sache an Verleger Peter Esser gewandt, Fairness eingefordert und den „notwendigen sozialen Rückhalt“ für die Beschäftigten, der für „einen unabhängigen Journalismus unabdingbar ist“. Die Gekündigten im Druckservice, die durch Leih- und Billigkräfte in einer anderen Verlagstochter ersetzt wurden, klagen auf Weiterbeschäftigung. Wie mit ihnen und ver.di – gleichfalls unter Stabführung von Rechtsanwalt Weberling – umgegangen wurde, das sieht der zuständige ver.di-Sekretär Pascal Attenkofer als „Union Busting wie aus dem Lehrbuch“. (siehe Artikel)
Ohne Tarifvertrag ist auch in Redaktion und Verlag unlauterer Trickserei kein Riegel vorgeschoben. Zudem werden Neueinstellungen bereits seit Längerem nur über die tariflose Tochterfirma m-crossmedia vorgenommen, deren Angestellte und die Volontäre seien „Freiwild“, so Kaschel-Arnold. Nach der Bruchlandung habe die Geschäftsführung angekündigt, auf den Betriebsrat zukommen zu wollen. „Regelungen auf dieser Ebene bringen nichts“, erklärt der ver.di-Mann: „Dagegen mobilisieren wir die Belegschaft. Mitte Januar gibt es eine gemeinsame Mitgliederversammlung in Redaktion und Verlag.“
Studie Union Busting
Das gemeinnützige Recherchezentrum CORRECT!V führt eine Studie zum sogenannten Union Busting durch. Untersucht wird die Verbreitung des Phänomens, ob es auf Unternehmensseiten Strukturen gibt, die gezielt Betriebsratsarbeit behindern, und wer dort die wichtigsten Akteure sind. Es soll eine bundesweite Datenbank aufgebaut werden.
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