Zwischen der Tarifkommissionssitzung am 11. 11. 1997 und der Tarifabschluß im Morgengrauen des 15. 12. 1997 wurde im Norden etwas Neues ausprobiert
Als sich abzeichnete, daß die Tarifrunde „Tageszeitungen“ nicht am Verhandlungstisch alleine entschieden wird, wurden im Hamburger dju-Vorstand diverse „Mobilisierungsvarianten“ diskutiert. Bald war klar, daß es mehr bedarf, als nur eines Aufklärungsflugblatts und eines Warnstreikaufrufs.
Dem „Hauptamtlichen-Apparat“ wurden aufgrund der Personal-Situation im Landesbezirk die Aufgaben alleine nicht zugetraut. Auch ist die Präsenz von Journalistinnen und Journalisten in den Betriebsratsgremien der Hamburger Zeitungen nicht gerade ermutigend. Wohlwissend, daß Betriebsräte nicht zu Streiks aufrufen dürfen, halten wir sie dennoch als „Meinungsmultiplikatoren“ gerade bei Tarifbewegungen für unerläßlich. Keines der Hamburger dju-Vorstandsmitglieder arbeitet in oder für eine Hamburger Tageszeitung. Zur „Mopo“ gibt es über die dju-Landesvorsitzende einen „direkten“ gewerkschaftlichen Draht.
Ehrenamtliches Engagement hat da seine Grenzen, wo es für Freie ums Überleben geht: Aufträge abarbeiten hat Vorrang. Einige Vorstandsmitglieder besuchen hin und wieder Betriebs- und Redaktionsversammlungen. Ansonsten übersteigt schon die täglich zu bewältigende ehrenamtliche „Routinearbeit“ weit das, was von Ehrenamtlichen geleistet werden kann. Erst recht das notwendige Engagement zur Begleitung und Unterstützung eines Journalistinnen- und Journalistenstreiks, der unter anderen Bedingungen geführt wird als beispielsweise ein Druckerstreik.
Die Forderung der dju an den Landesbezirksvorstand: Ein ehrenamtlicher Kollege wird „von der Arbeit“ freigestellt und bekommt Verdienstausfallhonorar. Er sollte Öffentlichkeitsarbeit nach innen und außen machen und die politisch verantwortliche Sekretärin im administrativen und operativen Geschäft unterstützen. Die beiden Mitarbeiterinnen des geschäftsführenden Landesbezirksvorstands machten nach Absprache Bereitschaftsdienst. Als „IG Medien-Warnstreikteam im Norden“ wurden wir in den nächsten Wochen in den Redaktionen bekannt.
Zunächst wurden alle angestellten Redakteurinnen und Redakteure im Landesbezirk angeschrieben und zu einer Informationsveranstaltung eingeladen. Ein Aufruf über den „Freien-Verteiler“ der dju sollte die Freien mobilisieren. Neben Redaktionsversammlungen wurden Unterschriftenaktionen organisiert. Gestützt auf einen umfangreichen Faxverteiler versorgten wir die Redaktionen mit aktuellen Informationen. Diese „Flugblätter per Fax“ waren unsere „IG Medien-Warnstreiknachrichten“ mit fortlaufender Numerierung. Unsere Homepage und das Tariftelefon wurden ständig aktualisiert. „Dienstleistungen“ wie Transparente malen gehörten auch zum Aufgabengebiet des Warnstreikteams.
Betriebliche Aktionen wurden durch Pressemitteilungen bekannt gemacht. Das hatte zur Folge, daß wir sowohl in der Wort- wie auch Bildberichterstattung sehr gut beachtet wurden. Kurz: Über die IG Medien wurde geredet. Durch die ständige Präsenz im IG-Medien-Büro konnten telefonische Anfragen zu jeder Zeit beantwortet werden; etliche Live-Statements über regionale Radiosender waren so auch möglich. War mal ein oder zwei Tage „Funkstille“, kam es vor, daß sich Kolleginnen und Kollegen meldeten und nachfragten, wie denn der Stand der Dinge sei.
An den „heißen Tagen“ der Tarifauseinandersetzung wurden dann noch um die 25 regionale und überregionale Zeitungen ausgewertet und ein Pressespiegel erstellt und per Post an die Betriebsräte und andere aktive Kolleginnen und Kollegen versandt. So wollten wir sicherstellen, daß die Tarifbewegung auch die letzten Unwissenden erreicht. Über Telefonkonferenzen wurden die betrieblichen „Entscheidungsträger“ eingebunden und auf dem laufenden gehalten.
Unseres Erachtens hat sich der Aufwand gelohnt. Die IG Medien war in den Redaktionen präsent; die Kolleginnen und Kollegen der elektronischen Medien und der Agenturen wurden ständig informiert. Wir konnten zudem einen lückenlosen Informationsfluß zwischen Hauptvorstand, Landesbezirk und den Redaktionen gewährleisten. Dies war nur mit der Hilfe der zusätzlichen Arbeitskraft zu leisten.
Jetzt obliegt es den Gremien und Vorständen der IG Medien, mit diesen Erfahrungen umzugehen und für die weitere Arbeit Schlüsse zu ziehen: Die IG Medien müßte ständig die Fahne aus dem Fenster hängen! Auch die Diskussion auf der Tarifkommissionssitzung am 13. Januar in Frankfurt hat gezeigt: Wir müssen zum einen zeigen, daß wir die Besseren sind, und zum anderen mit unseren Kolleginnen und Kollegen in engeren Kontakt treten. Nur so gewährleisten wir, daß wir zum Beispiel in Fragen der Arbeitszeit ein großes Stück weiterkommen. Beiträge zu diesem Thema sind erwünscht!