dpa: Tarifeinigung zum Greifen nahe!

Nach zweijährigen mühseligen Verhandlungen über die Umsetzung der 35-Stunden-Woche, konnte am 17. 10. 1997 in Hamburg der fast nicht mehr für möglich gehaltene Durchbruch geschafft werden. Die Tarifparteien einigten sich auf einen Tarifabschluß bis zur Jahrtausendwende. Das Ergebnis muß nun noch von den entsprechenden Gremien beraten und beschlossen werden (bis 14. 11. 1997).

Zur Erinnerung: Am 30. April 1997 wurden die Verhandlungen von den Gewerkschaften IG Medien, DJV und DAG nach fast zweijährigen Verhandlungen abgebrochen, da am Verhandlungstisch zunächst kein Ergebnis erreicht werden konnte. Während der Sommermonate kam dann wieder Bewegung in die Sache. Die Geschäftsleitung legte ein neues Angebot vor, welches allerdings in wesentlichen Punkten weiterhin nicht kompromißfähig war. Am 4. September 1997 kam es zu einem Sondierungsgespräch. Dort signalisierte die Gegenseite zum ersten Mal Kompromißbereitschaft in der entscheidenden Frage der Umsetzung der Arbeitszeit. Allerdings gab es keine Bereitschaft, den von der GL gekündigten Manteltarifvertrag automatisch wieder in Kraft zu setzen.

Für die Verhandlungen am 17. 10. 1997 hatten Geschäftsleitung und Chefredaktion erstmals einen Vorschlag zur Umsetzung der Arbeitszeit in Form von freien Tagen vorgelegt. Allerdings blieb die Frage der Inkraftsetzung des Manteltarifvertrages noch offen.

Die Verhandlungen wurden dann konstruktiv und unter Verzicht unnötiger Rituale von beiden Seiten geführt. Nach einer frühzeitigen Unterbrechung war bereits am Mittag der Durchbruch geschafft. Die plötzliche Kompromißbereitschaft bei Geschäftsleitung und Chefredaktion ist zunächst sicherlich durch den aus ihrer Sicht bedrohlich nahen Termin der Einführung der vereinbarten 35-Stunden-Woche zum 1. 1. 1998 zu erklären. Lange Zeit wurde die 35-Stunden-Woche verteufelt und bereits vorab dafür verantwortlich gemacht, daß im großen Stil nach ihrer Einführung Arbeitsplätze ausgelagert und abgebaut werden müßten. Auch einige Beschäftigte bei dpa haben oder hatten diese Befrüchtung. So gesehen erstaunte es schon ein wenig, daß die Geschäftsleitung eher nebenbei hat durchblicken lassen, daß die termingemäß eingeführte 35-Stunden-Woche dazu geführt hätte, Neueinstellungen bei dpa vorzunehmen. Auf diesem Hintergrund wird der ernste Wille zur Tarifeinigung sicherlich verständlicher.

Und so sieht das Verhandlungsergebnis vom 17. 10. 1997 aus:

  • Vom 1. 9. 1997 bis 31. 12. 1997 wird ein Festbetrag für alle Beschäftigten von 300,- DM gezahlt.
  • Vom 1. 1. 1998 bis 31. 12. 1998 werden die Gehälter linear um 1% erhöht.
  • Vom 1. 1. 1999 bis 31. 12. 1999 werden die Gehälter linear um 2% erhöht.
  • Ab 1. 1. 1998 beträgt die wöchentliche Arbeitszeit 36,5 Stunden. Die Umsetzung erfolgt vorrangig in freien Tagen im Umfang von insgesamt 7,5 Tagen im Jahr. Wobei eine Abnahme in der Regel nach zwei aufaddierten Tagen erfolgen soll. Mit dem Betriebsrat sind entsprechende Betriebsvereinbarungen abzuschließen.
  • Ab 1. 1. 1998 gilt bei dpa ein Tarifvertrag zur Altersteilzeit und Teilzeit.
  • Ab 1. 1. 2000 gilt die 35-Stunden-Woche. Über die Umsetzung wird dann zu gegebener Zeit verhandelt.
  • Der Manteltarifvertrag wird unverändert wieder bis zum 31. 12. 1999 in Kraft gesetzt.
  • dpa erklärt sich bereit, die Zahl der Volontäre und Auszubildenden um zwei bzw. drei zu erhöhen.
  • dpa ist bereit, die Mittel für die Weiterbildung um 50% aufzustocken. Derzeit sind dies 100000,- DM.

Mit diesem Ergebnis ist den Gewerkschaften in der Frage der Umsetzung der Arbeitszeit und der Arbeitszeitverkürzung ein wichtiger Kompromiß gelungen. Auch trägt er deutlich dpa-spezifische Züge. Es hat sich gezeigt, daß sich die Standfestigkeit der IG Medien in der Sache letztendlich doch positiv ausgezahlt hat.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

„Das Problem mit der Leidenschaft“

Lena Hipp ist Professorin für Soziologie an der Universität Potsdam und leitet die Forschungsgruppe „Arbeit und Fürsorge“ am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB). Mit M sprach sie über „Gute Arbeit“, Stressoren im Journalismus und weshalb die Trennung von Arbeit und Privatleben für Medienschaffende so wichtig ist.
mehr »

Die Verantwortung der Redaktionen

Auf die mentale Gesundheit zu achten, ist keine individuelle Aufgabe. Auch Arbeitgeber*innen können und sollten etwas für psychische Gesundheit ihrer Mitarbeiter*innen tun. Wie funktioniert das in einer Branche, die so geprägt ist von Zeit und Leistungsdruck und belastenden Inhalten wie der Journalismus? Wir haben uns in zwei Redaktionen umgehört, die sich dazu Gedanken gemacht haben: das Magazin Neue Narrative und der Schleswig-Holsteinische Zeitungsverlag (SHZ).
mehr »

Gewalterfahrung im Lokaljournalismus

In Deutschland hat sich die Zahl der gewalttätigen Übergriffe auf Journalist*innen deutlich erhöht. Viele der Übergriffe finden am Rande von Demonstrationen statt. Der Thüringer Journalist Fabian Klaus recherchiert zu Rechtsextremismus und wird deshalb bedroht. Mit M sprach er über zunehmende Bedrohungslagen im Lokaljournalismus und die Unterstützung aus den Redaktionen.
mehr »

Media Hub Riga: Ein sicherer Ort

Wer den Media Hub Riga besuchen will, bekommt vorab von Leiterin Sabīne Sīle die Anweisung, die Adresse nicht weiterzugeben und keine Fotos zu machen, die seine Lage preisgeben. Drinnen wartet die alltägliche Atmosphäre eines Büros. Der Media Hub wirkt wie ein gewöhnlicher Co Working-Space – nur freundlicher. An den Wänden hängen Fotos von lächelnden Menschen am Strand, eine Girlande aus Orangenscheiben schmückt den Flur. Luftballons, auf denen „Happy Birthday“ steht, zeugen von einer Geburtstagsparty.
mehr »