DW-Beschäftigte gehen auf Abstand

Bei der Deutschen Welle in Bonn protestieren Beschäftigte am 3. September 2020 bei einer aktiven Mittagspause gegen das halbierte Angebot der DW-Geschäftsführung in den am 17. August von Gewerkschaftsseite für gescheitert erklärten Tarifverhandlungen
Bild: Fabian Schmidt

Bei der Deutschen Welle (DW) in Bonn haben sich heute rund 60 Beschäftigte an einer aktiven Mittagspause beteiligt. Vergangene Woche Dienstag hatten sich zum gleichen Zweck rund 80 DW-Mitarbeitende in Berlin versammelt. Grund sind die von Gewerkschaftsseite für gescheitert erklärten Tarifverhandlungen, nachdem die Geschäftsleitung statt der im Januar per Eckpunktepapier verabredeten 6,2 Prozent Tariferhöhung nun nur noch drei Prozent angeboten hatte.

Eigentlich schien schon alles in trockenen Tüchern: Ende Januar dieses Jahres hatten sich die Gewerkschaften und die Geschäftsleitung der Deutschen Welle auf ein Eckpunktepapier geeinigt, das die Ergebnisse der Tarifverhandlungen festhielt. Danach sollten die Beschäftigten über 33 Monate insgesamt 6,2 Prozent mehr Geld erhalten, Auszubildende und Volontär*innen jährlich 50 Euro. ver.di hatte zudem gefordert, das vereinbarte Volumen in Form eines Festbetrags zu verteilen, von dem besonders die unteren Gehaltsgruppen profitieren würden. Eine Diskussion darüber war aus Sicht der Gewerkschaft aber von der DW-Geschäftsleitung verschleppt worden – bevor die Tarifverhandlungen dann wegen der Corona-Pandemie unterbrochen werden mussten.

Die Wiederaufnahme der Tarifverhandlungen im Juni begann aus Sicht von ver.di mit einem „Wortbruch“. Statt der vereinbarten 6,2 Prozent bot die Deutsche Welle nun eine Gehalts- und Honorar-Erhöhung von drei Prozent über 33 Monate, also etwa einem Prozent pro Jahr an. „Damit wären die Beschäftigten der DW nicht nur von der positiven Lohnentwicklung im öffentlichen Dienst und der Privatwirtschaft in den letzten Jahren abgekoppelt, sondern auch von der von Wirtschaftsexperten prognostizierten Entwicklung der Inflation“, kritisierte Klaus Barm, Mitglied im ver.di Tarifausschuss bei der Deutschen Welle.

DW-Verwaltungsdirektorin Barbara Massing habe das veränderte Angebot in einem Schreiben an die Mitarbeitenden, über das DWDL berichtete, mit der ungewissen Haushaltssituation begründet. Anders als die übrigen öffentlich-rechtlichen Sender wird die DW nicht aus dem Rundfunkbeitrag, sondern aus Steuern finanziert. Massing: „Die Wirtschaft hat deutliche Einschnitte zu verzeichnen, es ist mit einer Erhöhung der Arbeitslosenzahlen in Millionenhöhe zu rechnen und der Bund hat ein von der Höhe her bisher nie dagewesenes Rettungspaket geschnürt, das rein denknotwendig große Risiken für den Bundeshaushalt und damit für den DW-Haushalt beschert. Daran kommen wir als Geschäftsleitung nicht herum. “ Und: „Wir wollen und müssen uns frühzeitig wappnen, um an unserem wichtigen Ziel der Beschäftigungssicherung festhalten zu können.“

Um diesem Risiko einer Verringerung des DW-Budgets durch die Bundesregierung Rechnung zu tragen, boten die Gewerkschaften der Senderleitung ein Sonderkündigungsrecht für den Tarifvertrag an. Doch das lehnte diese ab. Die Gewerkschaften erklärten die Tarifverhandlungen daraufhin am 17. August für gescheitert. „Das ist kein Angebot, sondern Ausdruck mangelnder Wertschätzung. Die Deutsche Welle versucht, neben etwaigen Mehrbelastungen der Corona-Krise weitere Risiken auf die Belegschaft abzuwälzen“, erklärte dazu ver.di-Verhandlungsführerin Kathlen Eggerling. Klaus Barm bezeichnet das Angebot der Arbeitgeberseite auch deshalb als problematisch, weil es bereits in den Vorjahren nur moderate Tariferhöhungen gegeben habe. So habe die Deutsche Welle mit zwei Prozent Tariferhöhung im Jahr 2018 und 2,5 Prozent 2019 unter den Gehaltserhöhungen im öffentlichen Dienst gelegen. Dies decke insbesondere bei vielen freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht die finanzielle Lücke, die ihnen durch eine Serie von Nullrunden in den 2000er Jahren entstanden sei, so Barm.

Einen Gruß an die Bonner Kolleg*innen gab es von DW-Beschäftigten in Berlin, die bereits in der Woche zuvor am 25. August bei einer aktiven Mittagspause ein Statement gesetzt hatten.
Bild: ver.di

Bei der ersten aktiven Mittagspause am vergangenen Dienstag in der Berliner Voltastraße forderte Eggerling die Geschäftsleitung deshalb auf, mit einem ernstgemeinten Angebot an den Verhandlungstisch zurückzukehren. „Solange sich die DW nicht bewegt, werden Arbeitskampfmaßnahmen unausweichlich sein. Der heutige Tag war ein guter Auftakt! Die nächsten Aktionen folgen…“, so die Gewerkschafterin.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Freie unter Honorar-Druck

Die prekären Arbeitsverhältnisse im Journalismus sind schon lange bekannt. Besonders trifft es aber freie Journalist*innen, deren Honorare sogar noch weiter sinken. Das hat auch Auswirkungen auf die Art des journalistischen Arbeitens.
mehr »

Anti-SLAPP-Gesetz ungenügend

Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di kritisiert das von der Bundesregierung beschlossene Anti-SLAPP-Gesetz. Es beschränke den Schutz vor Einschüchterungsklagen nur auf grenzüberschreitende Fälle. Damit bleibe ein Großteil der realen Bedrohungslagen für Journalist*innen in Deutschland unberücksichtigt.
mehr »

Die Newsfluencer kommen

In Deutschland vertraut eine Mehrheit der Menschen beim Nachrichtenkonsum in der digitalen Welt noch immer mehrheitlich auf klassische Medien. Das ist eine Erkenntnis aus einer im Oktober 2025 veröffentlichten Studie des Reuters Institute. Die britische Denkfabrik wollte herausbekommen, wie Menschen sich im Netz informieren. Dafür sind Personen in 24 Ländern befragt worden.
mehr »

Trumps digitaler Medienpranger

Donald Trump verfolgt mit seinen Attacken auf Medien und Journalist*innen drei Hauptziele: Ablenkung von eigenen Verfehlungen, Bindung seiner rechten Unterstützer*innen und Selbstbereicherung. Große Medienkonzerne unterstützen ihn, um eigene Profitinteressen zu fördern. Das Resultat ist eine Bedrohung von Pressefreiheit und Demokratie.
mehr »