Ein Tarifabschluß, mit dem mancher nicht mehr gerechnet hatte

Der Manteltarifvertrag für die Redakteurinnen und Redakteure an Zeitschriften wurde neu abgeschlossen und die Presseversorgung gesichert

Der Tarifabschluß mit dem VDZ hat nach einer mehr als dreijährigen Hängepartie endlich wieder Tarifsicherheit für die Redakteurinnen und Redakteure in den Zeitschriftenbetrieben hergestellt. Das schönste Ergebnis: Die Presseversorgung bleibt in vollem Umfang erhalten.

Als Erfolg können die Gewerkschaften zudem verbuchen, daß die Verleger sich in der Frage der Urheberrechtsregelung nicht mit ihrer Forderung nach völliger Preisgabe aller Rechte durchsetzen konnten. Ein schmerzhafter Verlust sind der Verzicht auf die Einführung der bereits vereinbarten 35-Stunden-Woche und die Absenkung der Jahresleistung von 100 auf 95 Prozent.

Zeitweise war in den letzten Jahren niemand mehr bereit, auch nur einen Pfifferling darauf zu verwetten, daß ein Abschluß noch gelingen könnte. Zu deutlich waren die Anzeichen für ein Auseinanderfallen des Verbandes Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ), der seine internen Probleme nicht in den Griff bekam. Zwei Dinge brachten den Stein dann endlich ins Rollen: Der Tarifabschluß für die Redakteurinnen und Redakteure an Tageszeitungen vom Dezember 1997 und die zunehmenden Rechtsprobleme der Verleger mit dem Urheberrecht bei der digitalen Verwertung von Bildern und Texten der Redakteurinnen und Redakteure.

Zeitungsabschluß als Maßstab?

Der Zeitungsabschluß war für den VDZ das Maß aller Dinge. Wie der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger forderte auch der VDZ ultimativ den Wegfall der für den 1. Mai 1998 bereits vereinbarten 35-Stunden-Woche. Die IG Medien sah keine Chance, diesem Ultimatum auszuweichen, zumal sich in der Arbeitszeitfrage kaum Mobilisierungschancen aufzeigten. Es bleibt deshalb auch während der Laufzeit des neuen Manteltarifvertrags bei der 36-Stunden-Woche. Fragen der Arbeitszeitgestaltung und auch der verbesserten Teilzeitmöglichkeiten sollen aber schon bald verhandelt werden. Dies gilt auch für einen tarifvertraglichen Anspruch auf journalistische Weiterbildung. Hier war der VDZ mit Blick auf den Zeitungsabschluß am Ende der Verhandlungen nicht einmal mehr bereit, seinen eigenen Entwurf in dieser Sache zu tarifieren.

Die Kürzung der Jahresleistung schließlich ist ebenfalls wie im Zeitungsbereich der Preis für die Beibehaltung der vollen Lohnfortzahlung bei Krankheit. Die weitergehende Forderung des VDZ nach einer absoluten Höchstgrenze für die Jahresleistung konnten die Verleger aber ebensowenig durchsetzen wie ihre Begehrlichkeiten nach Verschlechterungen des Kündigungsschutzes.

Altersversorgung erhalten

Nachdem der VDZ sich bei der Arbeitszeit und der Jahresleistung ultimativ auf die Zeitungsvorgaben stützte, verlangten die Gewerkschaften dasselbe bei der Altersversorgung, die deshalb in vollem Umfang erhalten bleibt (siehe dazu auch S. 22/23). Auch in Zukunft werden die Zeitschriftenverlage also insgesamt fünf Prozent der Gehälter in die Presseversorgung einzahlen, der Beitrag der Redak-teurinnen und Redakteure bleibt bei 2,5 Prozent. Diese Regelung war äußerst schwierig zu erreichen, da sich der VDZ zunächst strikt geweigert hatte, die volle Zuzahlung ab 1999 beizubehalten.

Die inhaltlich schwierigste Materie der gesamten Verhandlungen war die Neuregelung des Urheberrechtsparagraphen im Manteltarifvertrag. Gut die Hälfte aller zwölf Verhandlungsrunden hatte überwiegend oder allein diese Problematik zum Thema. Hatten die Verleger noch vor zwei Jahren frech-fröhlich nach der Veröffentlichung eines von ihnen bestellten Gutachters behauptet, ohnehin über die Rechte zur digitalen Nutzung zu verfügen, so mußten sie diese Haltung jetzt Zug um Zug aufgeben. Die Urheberrechtsexperten der IG Medien und des DVJ widerlegten unisono die Behauptungen des VDZ. Gelichwohl ließen die Gewerkschaften nie einen Zweifel daran, daß den Verlegern die Rechte per Tarifvertrag übertragen werden sollen, wenn der Grundsatz der Vergütungspflicht beibehalten wird.

Online-Verwertung vergütungspflichtig

Die Neuregelung sieht deshalb auch vor, daß die Beiträge der Redakteurinnen und Redakteure in allen digitalen Medien (z.B. Online-Dienste und CD-ROM) verwertet werden können. Die Nutzung ist aber ab dem 1. Tag der Einstellung an vergütungspflichtig, soweit nicht arbeitsvertraglich die Arbeit für diese Medien mitvereinbart ist.

Wichtig: Eine einzelvertragliche Rechteübertragung solcher Nutzungsarten genügt nicht, um der Vergütungspflicht zu entgehen; es muß ausdrücklich eine Arbeitspflicht für das laut Arbeitsvertrag maßgebliche Objekt und/oder die digitale Ausgabe vereinbart sein. Die Berechnung der Vergütung soll nach dem neuen Tarifvertrag grundsätzlich per Einzelabrechnung erfolgen. Die Vergütungsregelung wurde vom bisherigen Brutto- auf das Nettoprinzip umgestellt. Dies ist eine Verschlechterung, weil davon auch die bisherigen Vergütungen für nicht-digitale Nutzung betroffen sind. Die Verhandlungskommission hat sich dennoch für diesen Weg entschieden, um die letzte Hürde auf dem Weg zu einem Verhandlungsergebnis noch zu nehmen. Ansonsten hätte die Gefahr bestanden, daß ein Abschluß erneut gescheitert wäre.

Pauschalierung möglich

Die neue Vergütungsregelung lautet nun wie folgt: „Als angemessen gilt eine Vergütung von mindestens 40Prozent des aus der Verwertung erzielten, hilfsweise des üblicherweise erzielbaren, um Aufwand und Mehrwertsteuer verminderten Nettoerlöses. Zum Aufwand rechnen die direkten Herstellungs-, Marketing- und Vertriebskosten.“ Um die Anwendung dieser Regelung in der Praxis zu erleichtern, wurde die Möglichkeit zur Pauschalierung vereinbart. Die Pauschale muß im Anstellungsvertrag vereinbart werden, ihre Höhe muß mindestens der durchschnittlichen jährlichen Vergütung entsprechen, wenn einzeln abgerechnet würde. Die Höhe der Pauschale muß auf Verlangen überprüft und gegebenenfalls neu festgesetzt werden.

Der neue Manteltarifvertrag hat eine Laufzeit bis zum 31. Dezember 2002. Die IG Medien-Tarifkommission hat dem Abschluß bereits zugestimmt. Falls auch der VDZ das Verhandlungsergebnis akzeptiert, tritt der Vertrag mit Wirkung zum 1. Mai 1998 in Kraft. Die Erklärungsfrist endet am 5. Juni 1998.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Klimaprotest erreicht Abendprogramm

Am 20. August 2018, setzte sich die damals 15jährige Greta Thunberg mit dem Schild “Skolstrejk för Klimatet“ vor das Parlament in Stockholm. Das war die Geburtsstunde von Fridays for Future (FFF) – einer Bewegung, die nach ersten Medienberichten international schnell anwuchs. Drei Jahre zuvor hatte sich die Staatengemeinschaft auf der Pariser Klimakonferenz (COP 21) völkerrechtlich verbindlich darauf geeinigt, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen.
mehr »

Mediatheken löschen ihre Inhalte

In Zeiten von Video-on-demand, Streaming und Mediatheken haben sich Sehgewohnheiten verändert. Zuschauer*innen  gucken wie selbstverständlich Filme, Serien, Dokus oder Nachrichten online. Private und öffentlich-rechtliche Fernsehsender pflegen daher inzwischen umfangreiche Mediatheken. Sendung verpasst? In den Online-Videotheken der TV-Anstalten gibt es nahezu alle Medieninhalte, um sie zu einem passenden Zeitpunkt anzuschauen, anzuhören oder nachzulesen. Irgendwann werden sie dann aber gelöscht.
mehr »

Neues vom Deutschlandfunk

Auch beim Deutschlandfunk wird an einer Programmreform gearbeitet. Es gehe etwa darum, „vertiefte Information und Hintergrund“ weiter auszubauen sowie „Radio und digitale Produkte zusammen zu denken“, erklärte ein Sprecher des Deutschlandradios auf Nachfrage. Damit wolle man auch „auf veränderte Hörgewohnheiten“ reagieren.
mehr »

Österreich: Gefahr für die Pressefreiheit

In Österreich ist die extrem rechte FPÖ bei den Nationalratswahlen stärkste Kraft geworden. Noch ist keine zukünftige Koalition etabliert. Luis Paulitsch erklärt im Interview, welche Entwicklungen in der österreichischen Medienlandschaft zu erwarten sind, sollten die FPÖ und ihr Spitzenkandidat Herbert Kickl an der Regierung beteiligt werden. Paulitsch ist Jurist, Zeithistoriker und Medienethiker. Von 2019 bis 2024 war er Referent des Österreichischen Presserats, dem Selbstkontrollorgan der österreichischen Printmedien;  seit 2024 bei der Datum Stiftung für Journalismus und Demokratie.
mehr »