Über die unrühmliche Rolle des Fernsehens bei der Filmförderung
Endlich geschafft: Der Film ist abgedreht, das Premierenpublikum begeistert, Applaus brandet auf, noch während der Abspann läuft: Ein schöner Traum, der aber oft genug am fehlenden Geld scheitert. Dabei schüttet die deutsche Filmförderung jährlich einen respektablen dreistelligen Millionenbetrag aus.
Das klingt zwar eindrucksvoll, hat aber auch mehrere Haken. Gefördert wird oftmals nur, wer den Anschub eigentlich nicht nötig hätte, zum Beispiel Projekte wie die Komödien der Umsatzgaranten Michael „Bully“ Herbig (zuletzt „Wickie und die starken Männer“) oder Til Schweiger („Keinohrhasen“, „Kokowääh“). Im Gegensatz etwa zum zentralistischen Frankreich funktioniert die Filmförderung hierzulande nach dem Gießkannenprinzip. Kultur ist in Deutschland Sache der Bundesländer, also wird auch die Filmförderung vor allem föderal geregelt. Der Bund steuert Geld bei über den Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, Bernd Neumann, und seinen Deutschen Filmförderfonds (DFFF). Seit 2007 wurden bisher alljährlich 60 Millionen Euro aus dem Fonds ausgeschüttet, ab 2013 werden es 70 Millionen sein. Durch die Filmförderungsanstalt (FFA) in Berlin, die überwiegend durch Abgaben von Kinobetreibern und Fernsehsendern finanziert wird, fließen jedes Jahr 30 Millionen Euro in Förderprogramme und Auszeichnungen. Der Löwenanteil stammt jedoch von regionalen Einrichtungen wie der Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg (MFG), der Film- und Medienstiftung NRW, dem FilmFernsehFonds Bayern (FFF) oder dem Medienboard Berlin-Brandenburg; fast jedes Bundesland hat seine eigene Fördereinrichtung.
Standortpolitik
Für einen Produzenten heißt das: Er muss die Regionalbüros abklappern. Mitunter vergehen auf diese Weise Jahre, bis die Finanzierung steht. Die regionale Förderung ist zudem mit der Auflage verbunden, die Fördersumme plus X (in der Regel weitere 50 Prozent) auch an Ort und Stelle zu investieren. Das Zauberwort heißt Standortpolitik: Niemand gibt uneigennützig, jeder will die eigene Infrastruktur fördern.
Größter Pferdefuß im Förderungsdrama ist jedoch die Rolle der Fernsehsender, und zwar in doppelter Hinsicht. Zwar weisen sämtliche Einrichtungen von der Berliner FFA bis zu den regionalen Stellen weit von sich, bloße Wirtschaftsförderung zu betreiben. Tatsache ist aber auch, dass in den diversen Gremien Abgeordnete des ZDF wie auch der verschiedenen ARD-Sender sitzen, und die vergeben ihre Gelder mit Vorliebe an Projekte, an denen auch das Fernsehen beteiligt ist. Kein Wunder: Die Sender selbst sind verpflichtet, sich an der regionalen Förderung zu beteiligen. Prompt wollen sie diese Summe für eigene Produktionen wieder rausholen. Entsprechend schlechte Karten hat ein Projekt, das von vornherein als nicht mehrheitstauglich eingestuft wird. Gerade die sogenannten „Event“-Produktionen, aufwändige Zweiteiler mit Etats, die sich nicht selten in zweistelliger Millionenhöhe bewegen („Dresden“), wären ohne Fördergelder gar nicht finanzierbar. Hinzu kommt: Wenn ein Kinofilmproduzent keinen TV-Sender findet, der sich an den Kosten beteiligt, braucht er sich in der Regel gar nicht erst um die regionale Förderung zu bemühen. Auch das haben sich die Väter der Filmförderung ursprünglich anders vorgestellt. Komplett frei finanzierte Produktionen, die außerhalb des Fördersystems zustande kommen, sind daher eine Seltenheit.
Kriterium Tarifgebundenheit
Trotzdem werden in Deutschland nicht zuletzt dank der Förderung auch von Drehbuchentwicklungen pro Jahr weit über hundert Kinospielfilme produziert – 212 waren es 2012, davon 132 Spiel- und 80 Dokumentarfilme. Viele Filme sind ohne Frage künstlerisch anspruchsvoll und feiern Festivalerfolge. Gerade Nachwuchsproduktionen kommen allerdings oftmals nie in die Kinos, weil die Verleihe das Risiko scheuen. Die Filme werden dann zum Beispiel nach Mitternacht auf dem ZDF-Sendeplatz „Das kleine Fernsehspiel“ gezeigt.
Entsprechend groß ist immer wieder die Kritik am gesamten Fördersystem. Das Filmförderungsgesetz (FFG) wird zwar regelmäßig novelliert, doch grundsätzliche Einwände verhallen meist ungehört. Die Ausrichtung an rein filmwirtschaftlichen Kriterien ist zum Beispiel ein zentraler Kritikpunkt von ver.di. „Bei der gesetzlichen Ausgestaltung der Filmförderung müssen endlich die Interessen der Filmschaffenden stärker berücksichtigt werden“, fordert Frank Werneke, stellvertretender ver.di-Vorsitzender. Der von Bernd Neumann im Sommer 2012 vorgelegte Entwurf für die jüngste Novellierung beschneide verschiedene Förderbereiche und vernachlässige überfällige Verbesserungen für die Filmschaffenden. Es sei vollkommen unverständlich, so Werneke, „dass der vorliegende Gesetzentwurf noch immer die Frage ignoriert, ob eine geförderte Filmproduktion die branchenüblichen und tarifvertraglichen Sozialstandards einhält.“ Dieses Vorgehen sei „unfair gegenüber den Filmschaffenden und wettbewerbsverzerrend für all jene Produktionsfirmen, die tarifgebunden arbeiten.“ Das FFG drifte mehr und mehr zu einer reinen Finanzförderung ab.
In rund einem Jahr könnte der Spuk allerdings ohnehin ein Ende haben: Das Bundesverfassungsgericht überprüft derzeit aufgrund einer Klage des Multiplex-Betreibers United Cinemas International mögliche Unstimmigkeiten in der Verteilung der Abgabenlast. Untersucht wird auch, ob der Bund überhaupt die notwendige Gesetzgebungskompetenz für ein Gesetz zur Filmförderung hat. Sollte das BVerfG zu dem Ergebnis kommen, dass dies nicht der Fall ist, wäre dies das Ende der Filmförderungsanstalt; zumindest in ihrer derzeitigen Form.