Fachliche Kompetenz und soziale Eigenschaften

Teamarbeit für Freie Journalisten – Was sind die Voraussetzungen?

Teamarbeit – das ist der Traum vieler Freier Journalisten von einem erfolgreichen Büro mit verständnisvollen Kollegen und professioneller Arbeitsatmosphäre. Eine Studie an der Universität Dortmund hat erstmals die Bedingungen für erfolgreiche Teamarbeit in Journalistenbüros aufgezeigt.

Egal ob Fernsehen, Hörfunk oder Zeitung – gute Teamarbeit ist von nicht weniger als 30 Bedingungen abhängig. Angesichts dieser Zahl wird schnell deutlich, warum viele Versuche, Teamarbeit in Journalistenbüros zu realisieren, oft mit Enttäuschungen enden.

Es kommt darauf an „dieselben Bilder im Kopf zu haben“ sagt Ralf Höke vom Kölner Autorenbüro „SCRIPTS R‘ US“. Alle Teammitglieder müssen wissen, worum es bei der Arbeit geht, aber auch, was die Interessen und Arbeitsbedingungen des anderen sind. Freundschaften alleine sind – entgegen landläufiger Meinung – keine Garantie für gute Teamarbeit. Bei der Auswahl der Teammitglieder achten erfolgreiche Teams neben der fachlichen Kompetenz dennoch vor allem auf soziale Eigenschaften.

Teammitglieder sollten grundsätzlich kooperations-, dialog- und kritikfähig sein.

„Dazu gehört Offenheit. Das ist ganz wichtig für ein Team. Fachwissen kann man sich aneignen, aber diese sozialen Fähigkeiten nur schwer“, erklärt Wolfgang Müller vom Düsseldorfer Büro CON/TEXT, in dem drei Journalisten für verschiedene Printmedien arbeiten. Daß die Arbeit bei falscher Auswahl der Teammitglieder „ganz schön hart sein kann“, haben die beiden Kölner Fernsehjournalistinnen Susanne Küppers und Phillis Horn bei einem Dreh in Grönland festgestellt. „Es war schon so, daß der Kameramann sich als Künstler begriff, der jetzt auch mal nicht so kritisiert werden soll“, erzählt Susanne Küppers. Ihre Teampartnerin hat folgenden Rat für alle, die ein neues Teammitglied suchen: „Ich würde vorher mit ihm dreimal ein Bier trinken gehen, um zu sehen, ob ich mit dem auch noch ein viertes Bier trinken würde.“ Auch wenn Außenstehende, wie Techniker, Sekretärinnen und Redakteure nur kurz in ein Teamprojekt mit- einbezogen werden, sollten für sie möglichst die gleichen Arbeitsbedingungen und Ansprüche gelten, wie für alle übrigen Teammitglieder.

Kompetenzstreitigkeiten sind ein großes Hindernis effektiver Teamarbeit. Deshalb diskutieren teamorientierte Journalistenbüros bei jedem Auftrag die Arbeitsverteilung neu. Diese kann themenorientiert oder journalistisch-handwerklich geschehen. Gerade, weil Journalisten in einem Büro oft gleich qualifiziert sind, muß über die jeweiligen Aufgabenbereiche der Mitglieder Klarheit herrschen. Sehr effektiv haben sich die Büromitglieder von CON/TEXT ihre Arbeit aufgeteilt: Ein Büromitglied macht vorwiegend Akquise und Recherche, die beiden anderen schreiben. Erny Hildebrand von CON/TEXT: „Dazu gekommen sind wir, weil wir gefragt haben: ,Was will jeder am liebsten machen? – Und dann haben wir eine Liste gemacht und uns entsprechend spezialisiert.“

Gemeinsame und persönliche Ziele definieren

Die Definition der gemeinsamen und persönlichen Ziele, die jedes Mitglied mit der Arbeit im Team verfolgen will, müssen vor jedem neuen Projekt deutlich herausgearbeitet und am besten grundsätzlich in einem Vertrag (z.B. der GbR-Vertrag) formuliert werden. Beate Hinrichs vom RHEINISCHEN JOURNALISTINNEN BÜRO in Köln (RJB): „Wir haben ja den Anspruch, nicht irgendein x-beliebiges Büro zu sein. Ich denke an unseren Anspruch an Journalismus. Da haben wir uns immer wieder zusammengesetzt und gesagt: ,Wir formulieren das jetzt für uns noch mal. Was bedeutet es, in unserem Sinn guten Journalismus zu betreiben? Was bedeutet für uns das RJB?“

Ferner sollten sich alle Mitglieder über die Art der medialen Produkte, über Arbeitszeitregelungen, Urlaubsansprüche, Bezahlung, Ein- und Ausstiegsklauseln, Beteiligungsverhältnisse sowie Haftungsfälle – am besten schriftlich – geeinigt haben, bevor sie mit der gemeinsamen Arbeit beginnen.

Vertrag hin, Vertrag her: „Grundvoraussetzung für erfolgreiche Teamarbeit ist Vertrauen, daß keiner den anderen über den Tisch zieht und auf Kosten der anderen seine Sachen schluren läßt“, sagt Albrecht Kieser vom RJB.

Formelle Hierarchiefreiheit ist nach Bernhard Müller von CON/TEXT eine weitere Voraussetzung für produktive Teamarbeit: „Mein Partner weiß genau, wenn ich sage: ,Ich finde den Einstieg nicht gut, dann sage ich das nicht, weil ich Chefredakteur bin und mich irgendwie auch rechtfertigen muß, daß ich soundso viel Geld im Monat verdiene, sondern dann sage ich das, weil ich will, daß das beste Produkt raus geht. Niemals, um ihm eins einzuschenken, das ist für ihn völlig klar.“ Gleichberechtigung bedeutet natürlich nicht Harmoniesüchtigkeit. Konflikte werden offen und leidenschaftlich ausgetragen. Sie vergiften jedoch im Gegensatz zu anderen Erfahrungen in hierachisch-gegliederten Redaktionen nicht das Betriebsklima.

Einheitslohn?

Obwohl viele Freie Journalisten ein gleich verteiltes Haftungsrisiko für Teamprodukte uneingeschränkt bejahen, sind sie gegenüber der Idee vom Einheitslohn für Teamprodukte eher skeptisch eingestellt. Die Sorge, daß sich einer auf der Arbeit des anderen ausruht, ist immer noch weit verbreitet. Die Dortmunder Studie zeigt aber: Eine genaue Aufrechnung und Bewertung der individuellen Leistungen der einzelnen Teammitglieder ist im teamorientierten Journalistenbüro unpraktikabel. Bernhard Müller von CON/TEXT: „Wir haben sehr schnell gemerkt, daß das unmöglich ist. – Was ist denn jetzt wirklich was wert? Wieviel ist eine Idee wert? Wieviel ist denn der Verkauf der Idee wert? Wieviel ist das Schreiben wert? Wieviel ist die Buchhaltung wert? – Mit einer Idee kann ich mich einen halben Tag herumplagen – das kann mir aber auch einfach beim Frühstück einfallen. Die Recherche, die kann eine Stunde dauern, weil ich denjenigen, den ich haben will, sofort erreiche – sie kann aber auch zwei oder drei Tage dauern, weil ich den nicht erreiche oder vorher noch was anderes recherchieren muß.“

Ein weiterer wesentlicher Aspekt für funktionierende Teamarbeit ist jederzeit mögliche Kommunikation. Räume sollten den Kommunikationsbedürfnissen der Teammitglieder angepaßt sein. D.h., sie können telefonieren, ohne ihren Teampartner zu stören, sie können sich zurückziehen, um ungestört zu arbeiten, sie können sich jederzeit unterhalten. Auch technische Einrichtungen (Vernetzung der Computer) sind hilfreich.

Teamgröße beachten

Ferner beeinflußt die Teamgröße die Kommunikationsmöglichkeiten. Ab sieben Büromitgliedern wird die Teamarbeit sehr schwierig. Der Kommunikations- und Koordinierungsaufwand wird höher und schließlich muß auch der Umsatz entsprechend gesteigert werden.

Neben regelmäßigen redaktionellen Sitzungen veranstalten erfolgreiche teamorientierte Journalistenbüros auch spezielle Treffen, in denen das Team selbst thematisiert wird. Erny Hildebrand (CON/TEXT) beschreibt diese so: „Zweimal im Jahr machen wir einen Teamtag, wo wir uns völlig ausklinken. Und dann gibt es eine Auswertung der alten Sachen, Planung für das nächste halbe Jahr. Oder auch, wenn jemand was persönlich auf dem Herzen hat, Fortbildungen machen will. Einmal haben wir das auf ewig verschoben, weil aktuell viele Sachen zu tun waren, das war nicht gut.“

So erfolgreich teamorientierte Journalistenbüros am Markt auch sind, ihre Auftraggeber – Redakteure in Sendeanstalten und Verlagen – bevorzugen immer noch lieber die Zusammenarbeit mit einem einzelnen Autor. Journalistenteams wie CON/TEXT müssen daher ein wenig tricksen. Bernhard Müller: „Egal, wer es bei uns geschrieben hat – dann steht eben der gewünschte Autorenname drunter.“ Kleine Schönheitsfehler, die man in einem Team gerne in Kauf nimmt, wenn man die Arbeit dort so beurteilt wie z.B. wie Beate Hinrichs vom RJB: „Ich habe immer das Gefühl gehabt, ich habe meine Planstelle mit der wirtschaftlichen Sicherheit eingetauscht gegen etwas viel viel viel Besseres.“

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