Festivalarbeit gerecht gestalten

Foto: Filmfest München / Bernhard Schmidt

Zusammenschluss für bessere Bedingungen

Einen Aufruf zur gerechten Gestaltung von Arbeitsbedingungen in der Filmfes­tival-Landschaft starteten die Gründer_innen der „Initiative Festivalarbeit”. Sie setzen auf bundesweite Vernetzung und gemeinsame Forderungen. Das erste Treffen soll es in den Räumen von ver.di am 4. November am Rande des DOK-Festivals in Leipzig geben.

Filmfestivals sind en vogue: Besonders in den letzten beiden Jahrzehnten haben sich in Deutschland und international zahlreiche Filmfestivals gegründet; fast jede größere Stadt oder Region hat inzwischen ihr Festival. Ende 2015 waren es deutschlandweit knapp 400 Filmfestivals, die ihre Profile schärfen, um möglichst viel Publikum anzulocken. Was dabei allerdings weniger beachtet wurde, war die Rolle der Filmfestivals als Arbeit- und Auftraggeber: Viele Festivals können überhaupt nur stattfinden, weil ihre Beschäftigten unter prekären Bedingungen arbeiten.

Die Filmfestivals bilden mittlerweile ein eigenes, zahlenmäßig relevantes Arbeitsmarktsegment im Rahmen der Kreativwirtschaft. Die Entwicklung einer so vielfältigen Festivallandschaft ist innerhalb des filmwirtschaft­lichen Verwertungskreislaufs auch als Standortfaktor bedeutend. „Doch dies wäre nicht möglich gewesen ohne die Arbeit und vor allem Selbstausbeutung tausender Festival­arbeiter_innen”, betont DOK-Programmleiterin Grit Lemke, die selbst viele Jahre lang als Freie für das Leipziger Festival arbeitete. „Wenn sich an der Situation unserer Kolleginnen und Kollegen bei allen Filmfestivals in Deutschland etwas ändern soll, müssen wir uns zusammenschließen”, so ihre logische Schlussfolgerung. Lemke rief gemeinsam mit Alexandra Hertwig (Kasseler Dokfest), Andrea Kuhn (Filmfestival der Menschenrechte Nürnberg) und Ludwig Sporrer (DOK.fest München) die „Initiative Festivalarbeit” ins Leben. Der Aufruf, sich der Initiative anzuschließen, stieß auf reges Interesse: Rund 100 Rückmeldungen kamen in wenigen Wochen zusammen; für das erste Treffen haben sich bereits zahlreiche Mitarbeiter_innen von Filmfestivals bundesweit angemeldet.

Hochspezialisierte, aber prekäre Arbeitsverhältnisse

Im Aufruf heißt es u.a.: „Die Festivalbranche hat hoch spezialisierte Berufsfelder hervorgebracht. Die Kuratierung, Programmierung und Koordinierung eines Filmprogramms, die Leitung eines Gästebüros, Kopiendisposition, Spielstättenmanagement, Katalogredaktion, Technik, Produktion u.v.a.m. erfordern ein sehr spezifisches Expertenwissen und langjährige Berufserfahrung. In der Wertschätzung, die unserer Arbeit gesellschaftlich und finanziell beigemessen wird, spiegelt sich das nicht wider. Die meisten von uns arbeiten auf freier Basis, mit Werkverträgen ausgestattet oder in befristeten Anstellungen, wobei über deren Ausgestaltung oft willkürlich entschieden wird. Gesetzeslagen sind unklar und werden nach Belieben ausgelegt. Dies alles ist nur möglich, da es zwischen uns bislang kaum Austausch gibt und wir keine Lobby haben.” Das wollen Grit Lemke und ihre Mitstreiter_innen ändern. Handlungsbedarf sehen sie besonders hinsichtlich gerechter Entlohnung, denn nur Festangestellte kommen in den Genuss des gesetzlichen Mindestlohns. Der weit größere Teil der Festivalteams arbeitet frei auf der Basis von Tagessätzen oder Projekthonorar – sie können von Mindestlohn-Stundensätzen nur träumen. Hinzu kommt vielerorts die unterschiedliche Wertigkeit von Tätigkeiten: technische = männliche = besser bezahlte gegen eher künstlerische = weibliche = schlechter bezahlte Jobs. Ein weiteres Problemfeld für Festivalarbeiter_innen ist die soziale Absicherung: Ein Kind zu bekommen, krank oder gar alt zu werden, wird angesichts der prekären Anstellungsverhältnisse zur Existenzbedrohung. „Kritik gilt hier auch den Aufnahmeregularien der Künstlersozialkasse, die absurder Weise kuratorische Tätigkeiten als nicht-künstlerisch ausschließt”, so die Initiator_innen. Weitere Handlungsfelder der Initiative sind der Aufbau eines Netzwerks sowie Erstellung einer Datenbank bzw. Jobbörse.

Politik in die Pflicht nehmen

„Die teilweise unzumutbaren Entlohnungsbedingungen der Festivalarbeiter_innen gilt es besonders den Förderinstitutionen der Festivals zu verdeutlichen: Deren Zuwendungen erfolgen in vielen Fällen knapp und rein projektbezogen. Die angemessene Bezahlung der Kernbereiche von Festivalarbeit lassen diese Förderkonstrukte nicht zu. Hier müssen wir auch die Politik in die Pflicht nehmen”, so Lemke.

Einige der Festivalarbeiter_innen sind bereits Mitglied bei ver.di. Bei ihrem ersten Treffen in Leipzig wollen sie sich persönlich kennenlernen, vernetzen und organisieren sowie ausloten, wie die Zusammenarbeit mit der Gewerkschaft gestaltet werden könnte. Denkbar ist zum Beispiel, einen eigenen Berufs­verband innerhalb der ver.di FilmUnion zu bilden und die Kräfte dort zu bündeln.

Aufruf der Initiative      

https://festivalarbeit.wordpress.com/

Anmeldung zum ersten bundesweiten Vernetzungstreffen am 4.11.2016 in Leipzig unter:

kontakt@festivalarbeit.de

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Aktive Medien gegen Rechts

„Wie weiter?“ – unter dieser Fragestellung wollten am 7. Mai in der rheinland-pfälzischen Landesvertretung in Berlin Medienpolitiker*innen und Journalist*innen über „Visionen für eine demokratische Medienlandschaft“ diskutieren. Den Rahmen bildete das Roman Brodmann Kolloquium zum Oberthema „Rechtsruck in Europa! Ohnmacht der Medien?“ Anstelle von überzeugenden Visionen spiegelte die Debatte eher die Ratlosigkeit der Demokraten angesichts eines erstarkenden Rechtsextremismus.
mehr »

Gutes Ergebnis für die VG Wort

Im Jahr 2024 hat die VG Wort 165,64 Millionen Euro aus Urheberrechten eingenommen. Im Vorjahr waren es 166,88 Millionen Euro. Aus dem Geschäftsbericht der VG Wort geht hervor, dass weiterhin die Geräte-, und Speichermedienvergütung der wichtigste Einnahmebereich ist. Die Vergütung für Vervielfältigung von Textwerken (Kopiergerätevergütung) ist aber von 72,62 Millionen Euro im Jahr 2023 auf nun 65,38 Millionen Euro gesunken. Die Kopier-Betreibervergütung sank von 4,35 auf 3,78 Millionen Euro.
mehr »

Berichten über die sozialen Folgen von KI

Soziale Ungleichheiten, Diskriminierungen und undemokratische Machtstrukturen: Eine neue Studie der Otto-Brenner-Stiftung untersucht, wie soziale Folgen von KI in den Medien verhandelt werden. Warum dies generell eher oberflächlich und stichwortartig geschieht, hängt auch damit zusammen, dass die Berichterstattung bei KI-Themen von Ereignissen und Akteuren aus Technologie-Unternehmen dominiert wird.
mehr »

Hartes Brot: Freie im Journalismus

Freie Journalist*innen oder Redakteur*innen haben es häufig nicht leicht: Sie werden oft schlecht bezahlt, nicht auf Augenhöhe behandelt, Mails und Anrufe werden zuweilen ignoriert, sie warten auf Rückmeldungen zu Themenangeboten, Redaktionen sind in manchen Fällen für sie nicht zu erreichen. So geht es vielen Freien, egal, welches Medium.
mehr »