Bauer-Verlagsgruppe Hamburg trotz hoher Umsätze auf Tarifflucht
Der Hamburger Bauer-Konzern bezeichnet sich selbst als „Europas führenden Zeitschriftenverlag“ mit 185 Zeitschriften in 15 Ländern. „Allein in Deutschland“, so der aktuelle Geschäftsbericht, „gibt das Familienunternehmen 42 Zeitschriften heraus und erreicht 32 Millionen Leser. Der Umsatz der Bauer Verlagsgruppe liegt bei 1,79 Milliarden pro Jahr.“ Und auch in einem anderen Bereich hat sich der Marktführer einen Namen gemacht: In der Zeitschriftenbranche steht der Begriff der „Verbauersierung“ für eine Verlagspolitik der Aufsplittung eines Konzerns, der Auslagerung in neue, eigenständige KGs, für eine Zerschlagung gewachsener Betriebsratsstrukturen und den Abschied von Tarifverträgen, kurz Tarifflucht genannt. „Verbauersierung“ bedeutet auch permanente Auseinandersetzungen.
Zum Beispiel: Saal 324, Arbeitsgericht Hamburg. Verhandelt wird ein Eilantrag des Betriebsrates gegen die „Heinrich Bauer Programmzeitschriften KG“, einer der vielen Untergesellschaften der Bauer-Verlagsgruppe. Das im vergangenen November frischgewählte Betriebsratsmitglied Andreas Grell, Schlussredakteur bei TV Movie will eine BR-Schulung besuchen. Eigentlich eine betriebsverfassungsrechtliche Selbstverständlichkeit, doch die Bauer-Tochter weigert sich, die anfallenden Kosten zu übernehmen. Denn wegen angeblicher Betriebsauflösung, nämlich der Schließung der Schlussredaktion bei TV Movie, ist dem Redakteur Grell gekündigt worden. Und da es sich aus Sicht des Verlages eben um eine Betriebsauflösung handele, sei von der Kündigung auch der Betriebsrat Grell betroffen, seinen besonderen Kündigungsschutz als Arbeitnehmervertreter könne er nicht mehr beanspruchen.
Aufsplittung in Tochterunternehmen
Arbeitsrichter Gunnar Rath signalisiert noch während der Verhandlung, dass er zwar auch keine Dringlichkeit für eine Einstweilige Verfügung sehe, aber in der Hauptsache, der Kündigungsschutzklage, eine eindeutige Meinung habe: „Das muss man in aller Deutlichkeit mal sagen: Die Luft ist für den Arbeitgeber ganz, ganz dünn!“ Sprich: Voraussichtlich wird Bauer das Verfahren verlieren.
Dicke Luft hingegen seit Jahren im Bauer-Stammhaus an der Hamburger Burchardstraße. Getreu dem Firmenmotto „Global denken – lokal handeln“ splittet sich die mittlerweile auch international sehr erfolgreiche Bauer-Verlagsgruppe in zahlreiche Tochterunternehmen auf. Bei einem Gesamt-Außenumsatz von 1,79 Milliarden Mark wurde im letzten Geschäftsbericht der Auslandsumsatz für 2006 mit 785 Millionen Euro beziffert. Zahlen für 2007 liegen noch nicht endgültig vor, werden aber auf 812 Millionen geschätzt. Und es geht weiter bergauf: Für umgerechnet fast 1,6 Milliarden Euro Eigenkapital übernahm Bauer Anfang diesen Jahres Publikumszeitschriften und Radiostationen des britischen Medienhauses Emap.
Betriebsräte zerschlagen und neu gegründet
Der aktuell veröffentlichte Geschäftsbericht: „Zum Anteilsbesitz der Bauer Verlagsgruppe gehörten im Jahr 2006 insgesamt 133 (Vorjahr: 126) Unternehmen. In den Konzernabschluss wurden neben der Heinrich Bauer KG, Hamburg (Mutterunternehmen), insgesamt 99 (Vorjahr: 94) in- und ausländische Gesellschaften (unmittelbare und mittelbare Beteiligungen) sowie 11 (Vorjahr: 11) assoziierte Unternehmen einbezogen.“
Das Zauberwort heißt Tarifflucht und Ausgliederung. Immer neue Gesellschaften entstehen, benannt nach Edel- und Halbedelsteinen: Topas-AG, Achat-KG, Carat-KG oder Rubin-AG. Redaktionen werden hin- und hergeschoben, Betriebsräte zerschlagen und neugegründet. Die Folge: Zwar lehnen sich die meisten Arbeitsverträge in Schlussklauseln noch im Gehalt an den Tarif an, doch faktisch sieht es anders aus. In den Redaktionen gilt die 40 Stunden Woche, wobei eine 15prozentige Mehrarbeit pro Woche mit dem Gehalt abgegolten ist. Das bedeutet faktisch eine 46 Stunden-Woche. Bei Neueinstellungen gibt es in der Regel keinen Arbeitgeberanteil zum Presseversorgungswerk mehr, kein Urlaubs- und Weihnachtsgeld, sondern nur noch nackte zwölf Monatsgehälter. Und nur noch 25 statt 30 Tage Urlaub.
Im Kräfteverhältnis eines zergliederten, aber im einheitlichen Familienbesitz befindlichen Medienunternehmens kann letztendlich nur ein starker Konzernbetriebsrat Paroli bieten. Elke Touba ist Schlussredakteurin bei TV Movie. Seit 1994 arbeitet die 52jährige bei der Fernsehzeitschrift, seit nunmehr zehn Jahren ist sie freigestellte Betriebsrätin, Mitglied im Konzernbetriebsrat.
Mit einer Auflage von 1,9 Millionen Exemplaren ist TV Movie das Flaggschiff unter den neun Programmzeitschriften des Verlages. Doch auch an Deck eines Flaggschiffes wird im Flottenverband gesegelt. Für das Hamburger Familienunternehmen Bauer bedeutet dies strammes Kostenmanagement in der Tradition hanseatischer Pfeffersäcke, um Synergien zu nutzen, Doppelarbeit zu vermeiden und den Konzerngewinn zu mehren. Bei neun Titeln im Segment Fernsehen lohnt es sich so seit Jahren schon, die sogenannten Listingseiten, die Seiten mit dem reinen täglichen, tabellarischen Fernsehprogramm auszulagern und in einer eigens 1994 gegründeten Tochterfirma, der „Programm Team Gesellschaft für Redaktionsservice mbH“ (PTG), zentral für alle Fernsehzeitschriften der Verlagsgruppe zu produzieren. Zentralisierung auch in anderen redaktionellen Bereichen wie den Sparten- und Vorschauseiten der sich ähnelnden Zeitschriften und den ehemals eigenständigen Fotoredaktionen.
Lediglich in der Redaktion von TV Movie wurde bislang außer dem Programmteil alles selbst produziert. Aber auch hier gibt es seit Jahren Rationalisierungspläne, um die Kosten zu senken. Im Januar war es dann soweit: Weitere Auslagerung an die PTG, Schließung der Fotoredaktion durch Verlagerung in die zentrale Bildredaktion, ersatzlose Streichung der Schlussredaktion. Diese sei nicht mehr notwendig, denn „von einem ausgebildeten Redakteur darf erwartet werden“, so die Geschäftsführung, „dass er grammatikalisch und orthografisch korrekte Texte schreibt und auch die vom ihm recherchierten Angaben (Daten, Zahlen, Fakten etc.) in seinen Texten sorgfältig überprüft.“ Außerdem seien „konsequent die Rechtschreibprogramme“ zu nutzen und ein „Cross-over-Lesen“ solle eingeführt werden: „Die Redakteure lesen die Texte untereinander Korrektur, was eine erhebliche Steigerung der Qualität mit sich bringt.“ Von Mehrbelastung kein Wort.
Betriebsbedingte Kündigung für Betriebsrätin
Maximierung hingegen auf der Verlags-Haben-Seite, denn auch in anderen Redaktionen oder Redaktionsteilen der Bauer-Tochter „Programmzeitschriften Verlag KG“ (PZV) wurde in die neue „BVG Medien KG“ verschoben. Von den ehemals 260 Mitarbeitern der PZV blieben nur 180 übrig. Die Folge: Keine Freistellung mehr im nunmehr nur siebenköpfigen Betriebsrat bei den Programmzeitschriften. Also musste die bisher freigestellte Betriebsrätin Elke Touba als Schlussredakteurin zurück in die Produktion. Nur: Die Schlussredaktion gibt es bei TV Movie nicht mehr, einen anderen, adäquaten Arbeitsplatz kann der Verlag mit seinen mehr als 4.600 Mitarbeitern nicht ausmachen. Also bleibt nach Ansicht aus der Chefetage nur eine betriebsbedingte Kündigung. Die allerdings, so der Hamburger Arbeitsrichter Gunnar Rath im Parallelverfahren „Grell gegen Bauer“, sich „in ganz, ganz dünner Luft“ bewegt. Und die Betriebsrätin Touba ist sich sicher, von diesem dünnen Lüftchen nicht umgeweht zu werden: „Wir sind als Betriebsräte betriebsbedingt nicht kündbar. Es sei denn, der Betrieb in dem wir arbeiten, wird komplett stillgelegt. Das hieße: Schließung der TV Movie-Redaktion in Gänze.“ Doch das wird sich der expandierende Bauer-Verlag sicherlich reiflich überlegen.