Hier wird der Strukturwandel konkret

Eingriff ins Innere der Medienmächte – Fachgruppe Verlage und Agenturen

„Eine neue Fachgruppe in einer neuen Gewerkschaft“ – unter diesem Motto beginnt der Aufbau der Fachgruppe Verlage und Agenturen im Fachbereich Medien. Mit Martin Dieckmann, Bundesfachsekretär für Verlage und Agenturen, sprach „M“ über ver.di in den Verlagen und über Aufgaben und Aufbau der Fachgruppe.

ver.di in Verlagen – warum sind gewerkschaftliche Aktivitäten in der Verlagsbranche so wichtig?

MD: Die zentrale Bedeutung der Verlagsbranche für die gesamte Medienwirtschaft ist unbestritten. Gemessen an dieser Bedeutung, die allein die Vormacht einiger Medienkonzerne klar macht, haben wir es gewerkschaftspolitisch nicht nur an den „Rändern“ von Betrieben und Belegschaften mit „weißen Flecken“ zu tun. Eine Schwerpunktsetzung auf die traditionellen wie neuen Bereiche der Verlagsbranche ist überfällig. Branchen- und Betriebspolitik von ver.di in Verlagen ist dann so etwas wie Eingriff ins Innere der Medienmächte. Die Schwierigkeiten sind groß, die Chancen größer. Voraussetzung ist allerdings, dass man die Beschäftigten der Verlage wie Beschäftigte anspricht – und nicht als Sondergruppe, etwa in der traditionellen Form der „Angestelltenpolitik“, die sich längst überholt hat. Womit wir heute im Verlagsbereich konfrontiert werden, ist in konzentrierter Form so ziemlich alles, was wir gesellschaftlich „Strukturwandel“ nennen. Also wird ver.di in den Verlagen eine Gewerkschaft sein müssen, die betriebsnah handelt, nah den direkten Konflikten und den Bedürfnissen der Menschen.

Was wird sich konkret verändern, wenn es eine eigenständige Fachgruppe gibt?

Sehr viel. Da ist zuallererst die Eigenständigkeit, etwas, das insbesondere die Kolleginnen und Kollegen der HBV und DAG schon mitbringen. Innerhalb der IG Medien gab es zwar Versuche, die Verlagsaktivitäten eigenständig zu organisieren, aber in vielen Fragen blieb die Gewerkschaftspolitik doch sehr stark abhängig von den Auseinandersetzungen in der Druckindustrie. Und hier wird sich sicherlich viel verändern, vor allem in der Tarifpolitik. Nun kommen ja Kolleginnen und Kollegen hinzu, die seit langem eine eigenständige Tarifpolitik machen, und dies übrigens erfolgreich.

Verändern wird sich auch viel dahingehend, dass mehr Interessierte und Aktive in die konkrete Diskussion einbezogen werden. Und natürlich wird man eine eigene Informations- und Öffentlichkeitsarbeit – über elektronische wie Print-Medien – entwickeln.

Verlage heißt in Eurem Fall: Zeitschriften- und Buchverlage. Und die Zeitungsverlage?

Manche wollen diese Abgrenzung, manche nicht. Das hat damit zu tun, wer in der Praxis näher an der Druckindustrie ist und wer nicht. Die Fachgruppe Verlage und Agenturen wird eine offene Fachgruppe sein für alle, die in und für Verlage und verlagsnahe Unternehmen arbeiten. In der Praxis wird sich die Fachgruppenarbeit nur bewähren, wenn sie ganz der Themen annimmt, als bei der Sache und bei den Interessen der Beschäftigten bleibt. Das werden Arbeitskreise, Projekte oder ähnliche Arbeitsformen sein. Dasselbe gilt ja für die konkrete Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen aus den Redaktionen. Insgesamt wird ver.di nicht dadurch Erfolg haben, wenn es die alten Abgrenzungsmuster der früheren Einzelgewerkschaften nun in der eigenen organisiert wiederholt. Das gilt das dann auch für die Zusammenarbeit mit den anderen Fachbereichen, etwa dem Fachbereich Handel, der für einen Teil der Tarife in der Verlagsbranche zuständig ist. Und natürlich auch für den Fachbereich IT und Datenverarbeitung, wenn es um verlagsnahe Online-Dienste geht. Die Fachgruppe Verlage und Agenturen wird sich nicht durch Abgrenzungen definieren, sondern sie wird Überschneidungen nutzen.

Was werden Schwerpunkte im Verlagsbereich sein?

Darüber finden zur Zeit die ersten Diskussionen statt, wir sind ja noch vor der eigentlichen „Start-Phase“. Aber schon jetzt zeichnet sich ab, dass der größte Handlungsbedarf auf dem Gebiet der Tarifpolitik besteht. Bislang fand die Tarifpolitik rein regional, aber wenig koordiniert statt. Hier wird viel Arbeit zu investieren sein, um weiterhin dezentral, aber in verbesserter Kooperation und Koordination tätig zu werden. Hinzu kommen die Informations- und Öffentlichkeitsarbeit sowie Initiativen und Aktivitäten im Bereich der beruflichen Bildung und Fortbildung. In jedem Fall wird die Fachgruppe Aktive zusammenbringen, insbesondere durch Branchen-Treffen und konkrete Projekte.

Was sind die nächsten Schritte?

Wie überall in ver.di gibt es Übergangsgremien – bis zu den ersten Organiationswahlen müssen Strukturen entstanden sein, in denen demokratisch – von unten nach oben – über Inhalte und Formen der Fachgruppenarbeit entschieden wird. Es gibt bereits den Bundesfachgruppenvorstand, einzelne Landesfachgruppenvorstände haben sich gebildet. Ich hoffe, dass wir Ende des Jahres für den Übergangszeitraum dann eine verlässliche Struktur von Ehren- und Hauptamtlichen haben und wir so auch gemeinsame Projekte und Aktionen angehen können. Aber der wichtigste, nächste Schritt ist immer: am Ort, im Bezirk, im Landesbezirk direkt die Kontakte knüpfen und miteinander verbinden und Eigeninitiativen unterstützen. Bei uns organisieren sich schließlich Menschen und keine Mitgliedsnummern.

ver.di wird nicht dadurch Erfolg haben, dass sie die alten Abgrenzungsmuster der früheren Einzelgewerkschaften nun in der eigenen organisiert wiederholt.

Also wird ver.di in den Verlagen eine Gewerkschaft sein müssen, die betriebsnah handelt, nah den direkten Konflikten und den Bedürfnissen der Menschen.

In jedem Fall wird die Fachgruppe Aktive zusammenbringen, insbesondere durch Branchen-Treffen und konkrete Projekte.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Warnstreik bei der Süddeutschen Zeitung

Für die zweite Tarifverhandlungsrunde am 25. Juli 2024 hatten die Verhandler*innen des Zeitungsverlegerverbandes BDZV der dju in ver.di ein Angebot zu Tariferhöhungen angekündigt. Gehalten haben sie das Versprechen nicht. Konkrete Zahlen zur Tariferhöhung blieb der BDZV schuldig. Stattdessen stellte er Gegenforderungen zum Nachteil der Zeitungsredakteur*innen. Heute streikten dagegen über 100 Beschäftigte der Süddeutschen Zeitung. In Nürnberg gab es eine Aktive Mittagspause vor dem Verlag Nürnberger Presse.
mehr »

Süddeutsche ohne Süddeutschland?

Die Süddeutsche Zeitung (SZ) will sich aus der Regionalberichterstattung in den Landkreisen rund um München weitgehend zurückziehen. Am Mittwoch teilte die Chefredaktion der SZ zusammen mit der Ressortleitung den rund 60 Beschäftigten in einer außerordentlichen Konferenz mit, dass die Außenbüros in den Landkreisen aufgegeben werden und die Berichterstattung stark zurückgefahren wird. Dagegen wehrt sich die Gewerkschaft ver.di.
mehr »

Breiter Protest für Rundfunkfinanzierung

Anlässlich der Konferenz der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten (MPK) in Leipzig fordert ver.di die Fortführung des Reformdiskurses über die Zukunft öffentlich-rechtlicher Medienangebote und über die Strukturen der Rundfunkanstalten. Die notwendige Debatte darf die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten jedoch nicht daran hindern, ihren vom Bundesverfassungsgericht zuletzt im Jahr 2021 klargestellten Auftrag auszuführen: Sie müssen im Konsens die verfassungsmäßige Rundfunkfinanzierung freigeben.
mehr »

Games: Welcome to Planet B

Die Bürgermeisterin muss sich entscheiden: Soll zuerst ein Frühwarnsystem vor Springfluten eingerichtet oder neue Möglichkeiten zum Schutz vor Hitze geplant werden? Und sollen diese neuen Schutzmaßnahmen besonders günstig oder lieber besonders nachhaltig sein? Was wie Realpolitik klingt ist ein Computerspiel. Denn immer mehr Games setzten sich auch mit Umweltthemen auseinander.
mehr »