Jederzeit „Fernsehen”

Veränderte Sehgewohnheiten – Jugend tendiert zu YouTube

Läuft dem Fernsehen die Jugend davon? Der Fernsehkonsum der Minderjährigen nimmt ab, während die Video-Plattform YouTube immer neue Rekorde vermeldet. In den knapp zehn Jahren ihrer Existenz hat YouTube die Vormachtstellung des Fernsehens ins Wanken gebracht. Das betrifft auch Nachrichtensendungen.

Debatte mit Florian Mundt, Yvonne Olberding, Alexander Braun, Daniel Bröckerhoff (Moderator), Heike Hoffmann, Christoph Krachten (v.l.n.r.) auf der Media Convention/ re:publica Foto: Uwe Sievers
Debatte mit Florian Mundt, Yvonne Olberding, Alexander Braun, Daniel Bröckerhoff (Moderator), Heike Hoffmann, Christoph Krachten (v.l.n.r.) auf der Media Convention/ re:publica
Foto: Uwe Sievers

Rund zwei Millionen Abonnenten hat der YouTube-Star Florian Mundt, bekannt als LeFloid. Jeden Monat kommen Tausende hinzu. Der 26-jährige Student produziert zwei Mal pro Woche auf seinem YouTube-Kanal Nachrichten für junge Menschen. Dafür hat er nun den Grimme-Online Publikumspreis erhalten. Die Mehrzahl seiner Zuschauerinnen und Zuschauer seien zwischen 16 und 18 Jahren alt, so Mundt. Eine Zielgruppe, die von den Nachrichtensendungen der TV-Sender immer weniger erreicht wird. Um die sechs Minuten lang sind LeFloids News-Shows, die er entsprechend seinem Pseudonym LeNews nennt. Wild gestikulierend sowie reichlich mit Gags und Schimpfwörtern garniert, kommentiert er aktuelle Ereignisse. Seriöses Nachrichtengeschäft ist das nicht; der YouTuber will unterhalten und das kommt an: Einzelne Videos erreichen schon mal 1,2 Millionen Zuschauer, insgesamt hat er über 200 Millionen Abrufe. „Flo macht das richtig gut”, so Alexander Braun von der LeFloid-Army während einer Podiumsdiskussion auf der diesjährigen Media Convention/re:publica. Der Fanclub des YouTube-Stars nennt sich LeFloid-Army, „das kommt von Harry Potter”, erklärt der 27-jährige Braun. Für ihn ist LeFloid eine „überragende Persönlichkeit”, weil er besonders auf die User eingehe. „Er wirft schon mal was um, wenn die Community das will”, begeistert sich Braun.
Konsequent nutzt Mundt die Möglichkeiten des neuen Mediums und tritt mit seinen Zuschauern in den Dialog: Zu nahezu jedem behandelten Thema fragt er sie nach ihrer Einschätzung, spart aber auch selber nicht mit Wertungen. Dadurch bekäme er sehr viele Kommentare, meint Mundt dazu. „Ich bin Video-Blogger und blogge über aktuelles Weltgeschehen”, sagt Mundt, der seit fünf Jahren YouTube-Videos produziert. Fernsehen zu machen, könne er sich nicht vorstellen. „Der YouTube Channel ist mein Ding, da mache ich auf meinem Kanal meinen Content.” Das sei ihm wichtig.
Ihre Freundinnen seien „fast ausgerastet”, als sie erfahren hätten, dass sie LeFloid begegnen würde, berichtet die 16-jährige Schülerin Heike Hoffmann, als Vertreterin der jungen Zielgruppe. YouTube ist für sie jedoch keine wichtige Informationsquelle: „Nachrichten gucke ich eher in der ARD-Mediathek oder im Livestream”. Die Vorteile der Mediathek sind ihr wichtig: „Wenn man Fernsehen sieht, entscheidet man sich bewusst dafür, sich davor zu setzen und macht nichts anderes”. Hingegen könne sie an ihrem Laptop nebenbei auf Facebook-Nachrichten reagieren. „Im Fernsehgerät sehe ich nur Tatort und die Heute-Show”, beschreibt die Gymnasiastin ihre Sehgewohnheiten. Sie kritisiert, dass die meisten Sendungen auf Ältere ausgerichtet seien, und das nicht erst ab 20:15 Uhr; „da fühlt man sich halt vernachlässigt”.
„Wir sehen an den Statistiken, dass der lineare Fernsehkonsum zurückgeht”, berichtet Yvonne Olberding, Koordinatorin für digitale Projekte bei EinsPlus (SWR). „Aber die Sendeanstalten schlafen nicht” und prüften, was sie von YouTube lernen könnten. „Man muss als öffentlich-rechtlicher Sender für eine junge Zielgruppe anders produzieren”, so Olberding. Jugendliche bräuchten einen Kanal, bei dem sie sich medial zuhause fühlen. Die 34-Jährige ergänzt: „Wenn man junge Leute ansprechen will, braucht man auch junge Leute im Sender.” Zwischen YouTube und Fernsehen gäbe es jedoch klare Unterschiede. LeFloids Shows seien sehr auf seine Person bezogen, „aber so etwas geht bei uns nicht”, sagt Olberding. Man könne ihm nur einen Slot anbieten: „Da kannst du machen, was du willst, dadurch erhöhst du deine Reichweite.”
Er sei eigentlich Fernsehmacher, „aber dort dauert mir alles zu lange”, kritisiert der 50-Jährige Christoph Krachten die Rundfunkanstalten. „Da muss ich mich immer erst an Gremien wenden.” Er leitet das YouTube-Netzwerk Mediakraft, dass die Macher von über 1000 YouTube-Kanälen unter Vertrag hat, auch LeFloid. „Jugendliche konsumieren komplett anders”, fährt Krachten fort, „sie haben verschiedene Endgeräte und können sehen, was dazu passt”.
„Wenn das Fernsehen von heute auf morgen abgeschaltet würde, würde ich es erst eine Woche später mitbekommen”, meint LeFloid. Eine Medienlandschaft ohne Fernsehen kann sich die Schülerin dagegen nicht vorstellen: „Das wäre auch für uns ein Kulturschock.” Den sieht Krachten schon durch die veränderten Sehgewohnheiten: „Die junge Zielgruppe wird nie wieder etwas live sehen, was sie nicht live sehen muss”. Olberding hält entgegen: „Fernsehen hat immer noch den Status, ein Leitmedium zu sein”. LeFloid sieht aber auch Gemeinsamkeiten: „Alle sagen, YouTube sei nicht wie Fernsehen, aber die Gewohnheiten der Zuschauer sind noch dieselben: Wehe, wenn mein Video nicht regelmäßig pünktlich online steht”. Bei aller Euphorie, für die Macher bleibt YouTube eine Plattform für Enthusiasten; davon leben können die wenigsten und von einem Mindeststundenlohn können sie nur träumen.

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