Drastisches Vorgehen gegen streikende Kinobeschäftigte
Die Lübecker Kinogruppe Kieft und Kieft – Deutschlands Marktführer der Kinobetreiber – wollte Betriebsratsmitgliedern fristlos kündigen. Das ist inzwischen vom Tisch. Andere Streikteilnehmer kämpfen jetzt darum, dass Abmahnungen zurück gezogen werden.
Weil die Verhandlungen über einen Haustarifvertrag nicht von der Stelle kamen, rief ver.di die Beschäftigten der zum Lübecker Konzern gehörenden UFA-Neue Filmpalast-Kinos in Berlin, Frankfurt / Main, Hamburg und Kassel am 24. Juni zu Streiks auf. Dieser wurde befolgt und dauerte zwischen 30 Minuten und einer Stunde. Daraufhin flatterten den Streikteilnehmern Abmahnungen ins Haus. Zudem wurde mit dem Ziel der fristlosen Kündigung gegen mehrere Betriebsratsmitglieder ein außerordentliches Kündigungsverfahren eingeleitet. Die betroffenen Betriebsratsgremien in Berlin und Kassel widersprachen dem Begehren. Das Vorgehen des Kinobetreibers sei „rechtlich vollkommen haltlos“, so ver.di-Verhandlungsführer Matthias von Fintel. In einem offenen Brief forderten mehrere Hundert Gewerkschaftsmitglieder die Rücknahme dieser „empörenden und dreisten Maßnahme“. Wenig später geschah das dann auch. Doch die Abmahnungen wurden aufrecht erhalten. Mit Hilfe von ver.di klagen die Kollegen jetzt auf Löschen der Abmahnungen in der Personalakte.
Eine seltsame Auffassung von verfassungsgemäßen Rechten legte die Kieft und Kieft-Personalchefin Uschi Rahn an den Tag: Die Arbeitsniederlegung wertete sie als einen „schwerwiegenden Verstoß gegen die arbeitsvertraglichen Pflichten“. Da vor Streikbeginn kein Streikbeschluss der Gewerkschaft bekannt gegeben wurde, sei die Aktion der Beschäftigten „rechtswidrig“, so Rahn. „Wir müssen einen Streik nicht unbedingt ankündigen“, stellt ver.di-Justitiar Helmut Platow klar. Ist ein Tarifvertrag ausgelaufen und mehrere Verhandlungen brachten kein Ergebnis, müssen Unternehmen mit Streikaufrufen rechnen. Im vorliegenden Fall treffe das umso mehr zu, da die Kinobetreiber sich weigertenüber Gewerkschaftsvorschläge zu verhandeln, so Platow.
Der für die Beschäftigten der UFA-Neue Filmpalast-Kinos geltende Tarifvertrag lief am 31. Januar des Jahres aus und drei Verhandlungsrunden endeten ohne Ergebnis. Die UFA strebe eine Durchlöcherung des bisherigen Tarifwerkes an, so Matthias von Fintel. Sowohl die Gehaltsstruktur wie auch die Tätigkeitsbeschreibungen sollen neu geregelt werden. Das Kinounternehmen wolle massive Lohnsenkungen und andere Verschlechterungen durchsetzen. Beispielsweise sollen Platzanweiserinnen künftig ohne vorherige Ankündigung im Umkreis von 500 Metern des Kinos auch Prospekte verteilen. Weigern sie sich, hätte dies eine Gehaltskürzung von zehn Prozent zur Folge. Um Reinigungspersonal einzusparen, sollen die Beschäftigten nach Veranstaltungsschluss selbst zu putzen. Überstunden- und Nachtzuschläge sollen nicht mehr ausbezahlt werden, sondern in ein rechtlich nicht abgesichertes Zeitkonto fließen.
Der deutsche Kinomarkt leidet seit Jahren an Überkapazität. Im Dezember 2002 wurde für die UFA-Gruppe das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Kieft und Kieft-Gruppe, zu der die CineStar-Kinokette gehört, übernahm zum 1. April des vergangenen Jahres 28 der 43 UFA-Kinos und überflügelte damit den Marktführer Cinemaxx von Joachim Flebbe. Mit dem Kauf der UFA-Kinos hat sich Kieft und Kieft auch Betriebsräte ins Haus geholt. Im Gegensatz zu den CineStar-Kinos, in denen überwiegend Schüler und Studenten mit Zeitverträgen beschäftigt sind, und die weitgehend betriebsratsfrei sind, arbeitet in den zugekauften Kinos fest angestelltes Personal. Das erklärt auch den ungeübten und schikanösen Umgang mit den Beschäftigten.