Kompromisse sind nötig – und möglich

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Interne Aufteilung der tarifvertraglichen Kinoerlösbeteiligung gelungen

Zehn Jahre stritten sich die Filmkreativen heftig um das Fell eines Bären, der nicht zu fassen war, geschweige denn erlegt werden konnte. Der Streit um die gerechte Aufteilung einer Erlösbeteiligung (basierend auf dem urheberrechtlichen Anspruch einer am Verwertungserfolg angemessenen Vergütung), die weder Sender noch Produzenten gewähren wollten, erhitzte die Gemüter der Kreativverbände und trieb sie auseinander.

Am 13. Mai letzten Jahres wurden die ersten tariflichen Erlösbeteiligungsregelungen zugunsten der Filmkreativen von ver.di FilmUnion, Bundesverband der Film- und Fernsehschauspieler (BFFS) und Produzentenallianz unterschrieben – der Bär war endlich erlegt. Ein halbes Jahr, 11 große Sitzungsrunden und zahllose bilaterale Beratungen später ist nun auch das Fell unter den Filmschaffenden verteilt, ohne dass die Beteiligten, wie von außen vorhergesagt, wie „Kannibalen“ übereinander hergefallen wären.

Die Aufteilungsergebnisse wurden von einer aus allen Kreativgewerken bestehenden Arbeitsgruppe („Binnenverteilungsrunde“) erarbeitet, in einer gemeinsamen Schlusserklärung begründet und dokumentiert, vom Dachverband der Bundesvereinigung „Die Filmschaffenden“ und der Illustratoren Organisation begrüßt, von den Gewerkschaften BFFS, ver.di FilmUnion und seinen kooperierenden Verbänden der Filmeditoren (BFS) und Tongestalter (bvft) übernommen und von der Produzentenallianz geprüft und akzeptiert. Damit werden die Verteilschlüssel Bestandteil des Ergänzungstarifvertrags Erlösbeteiligung Kinofilm.
Die drei Tarifparteien hätten im Mai 2013 nicht unterzeichnen können, ohne sich zumindest auf ein Konzept verständigt zu haben, wie „dem Grunde nach“ eine faire Aufteilung der Kinoerlösbeteiligung unter den Kreativgewerken gefunden werden könnte. ver.di FilmUnion und BFFS präsentierten der Produzentenseite die sogenannte „Kreativgruppenformel“, deren Sinn darin besteht, alle maßgeblichen Argumente der Kreativen aufzunehmen, in einen logischen Zusammenhang zu bringen und letztlich auf dem Kompromisswege einen Verteilungsschlüssel zu berechnen. Die Produzentenseite vertraute diesem Ansatz, billigte ihn und versprach, eine entsprechende Verteilung zu akzeptieren, „soweit diese nachvollziehbar und nicht offensichtlich unangemessen ist“ und den Bereich der Regie umfassen würde. Mit dieser Zusage war der Ergänzungstarifvertrag unterschriftsreif.
ver.di FilmUnion, BFS, bvft und BFFS waren von Anfang an entschlossen, nicht nur alle Kreativgewerke, sondern auch ihre wesentlichen Berufsverbände einzuladen und in den Findungsprozess einzubeziehen. Tatsächlich waren Vertreter aller Bereiche – Regie, Szenen-, Kostüm-, Maskenbild, Tongestaltung, Filmmontage, Stunt, Film- und Synchronschauspiel sowie auch alle geladenen Berufsverbände kontinuierlich an den Beratungen beteiligt – bis auf den Regie- und den Kameraverband (BVR und BVK), die nur an zwei Sitzungen und unter Darlegung ihrer Missbilligung dieses Gesamtverfahrens teilnahmen.
BVR und BVK sind schon seit Jahren durch ihre unterschiedlichen urheberrechtlichen Ansichten und Strategien untereinander und gegenüber anderen Verbänden entzweit (siehe z. B. die Erklärungen von BVK am 15.11.2013 und BVR am 18.11.2013 in Blickpunkt:Film), die aber gemein haben, dass sie den durch ver.di und BFFS abgeschlossenen Ergänzungstarifvertrag vehement ablehnen und sich einer gewerkübergreifenden Suche nach Kompromissen verschließen. Immerhin sind die beiden Verbände unserer Einladung insoweit gefolgt, dass sie uns ihre anderen Positionen von Angesicht zu Angesicht erläutern konnten. Auch diese kritischen aber im Ton angemessenen Beiträge haben den Findungsprozess zur internen Verteilung befördert.
Die Beteiligten in den Beratungen und damit die Gewerkschaften und Berufsverbände wollten keine dauerhafte Unmöglichkeit der Einigung, sondern die Möglichkeit des Kompromisses versuchen. Die gefundenen Ergebnisse bestehen im Wesentlichen aus sogenannten „Planschlüsseln“ und „Genrefaktoren“. Entsprechend des „Genres“ – Realspielfilm, Animationsfilm oder Dokumentarfilm – bzw. des „Genre-Mixes“ eines beteiligungsreifen Kinofilms und unter Berücksichtigung der Kreativgewerke, die tatsächlich an ihm mitgewirkt haben, werden die Planschlüssel in sogenannte „Istschlüssel“ umgerechnet.
Dadurch ergeben sich

  • bei einem typischen Realspielfilm die Istschlüssel 24,55% für Regie, 8,48% für Kamera, 6,77% für Szenenbild, 3,44% für Kostümbild, 3,01% für Maskenbild, 5,48% für Tongestaltung, 8,20% für Montage und 40,06% für Schauspiel (inklusive Stunt).
  • bei einem typischen Animationsfilm die Istschlüssel 20,56% für Regie, 9,18% für Tongestaltung, 57,14% für Animation, 4,04% für Montage und 9,08% für Synchronschauspiel.
  • bei einem typischen Dokumentarfilm die Istschlüssel 41,00% für Regie, 19,83% für Kamera, 11,90% für Tongestaltung, 21,92% für Montage und 5,35% für Sprecher.

Einerseits unterstreichen die Formelergebnisse das unbestreitbare „Schwergewicht“ der Regie im Vergleich zu den weiteren am Gemeinschaftswerk Kinofilm mitwirkenden Kreativen. Andererseits kennt das tarifliche Verteilungsschema keine Berechtigten „zweiter Klasse“, die von Fall zu Fall ihre urheberrechtliche Relevanz beweisen müssten, um beteiligt zu werden. Filmschaffende, die nur in schwankendem Maß zu den Urhebern bzw. ausübenden Künstlern gezählt werden können, werden trotzdem regelmäßig erlösbeteiligt, wenngleich entsprechend zum Teil deutlich geringer.
Einerseits befriedigen die nun festgelegten Verteilschlüssel nicht die ursprünglich deutlich höheren Erwartungen der Regisseure, Kameraleute, Schauspieler usw. und beziehen sich bewusst nicht auf Verteilschlüssel, wie sie etwa bei anderen Verwertungsgesellschaften oder Tarifverträgen festgelegt wurden. Dies auch deswegen, weil in anderen Verteilschlüsseln andere Kreativgewerke miteinander verglichen werden oder schlicht andere Rechtsgrundlagen oder Branchenbereiche zu Grunde gelegt sind. Andererseits brauchten wir für den Ergänzungstarifvertrag einen weiter gefassten Verteilungsplan für alle relevanten Kreativgewerke im Kinofilm. Dass dabei die geweckten höheren Erwartungen aller einzelnen Kreativgewerke dann im gefundenen Kompromiss auch nicht ganz zufrieden gestellt werden konnten, ist die Erklärung für die Dauer der Beratungen über einen Verteilungsplan und zugleich die politische Leistung aller beteiligten Berufsvertreter und Verbände. Schließlich haben die Spannweite der zu beteiligenden Kreativgewerke und die Formelresultate in Vielem vor der Beurteilung unabhängiger Experten standgehalten.
Einerseits war der Findungsprozess für alle anstrengend, nervenaufreibend und manchmal schmerzhaft. Andererseits ist der Kompromiss eine nötige Voraussetzung für eine gemeinsame Erlösbeteiligung und hat darüber hinaus zu einer vertrauensvollen Zusammenarbeit geführt, die neben ver.di FilmUnion, BFFS nun auch die Bundesvereinigung „Die Filmschaffenden“ umfasst. Ein politischer Einigungsprozess, der neben den errungenen Ergebnissen über diesen materiellen Wert hinaus zu einem tieferen Verständnis aller Beteiligten untereinander geführt hat.
Einerseits haben mit dem Kompromiss kein Kreativgewerk und kein Verband eigene Haltungen an der Garderobe abgegeben. Auch BVR und BVK werden verständlicherweise an ihren Strategien festhalten und wahrscheinlich nach wie vor dem Ergänzungstarifvertrag Erlösbeteiligung Kinofilm, (übrigens auch dem gesamten Tarifwerk) und seinen internen Verteilregeln gänzlich ablehnend gegenüberstehen. Andererseits will die Arbeitsgruppe „Binnenverteilungsrunde“ die Schlüssel in regelmäßigen Abständen überprüfen und den sich ändernden filmischen und rechtlichen Gegebenheiten anpassen. Die Tür bleibt insofern für die beiden Verbände, aber auch andere, offen.
Herrscht nun „Friede, Freude, Eierkuchen“ unter uns Filmschaffenden? Wohl kaum! Wir bleiben ein bunter Haufen mit noch bunteren Gedanken, Worten und Werken, vor allem aber auch wirtschaftlichen Interessen, das müssen wir anerkennen und sportlich nehmen …
Aber das erfolgreiche Ringen um gerechte Verteilungsschlüssel mit den „Spielregeln“ der Kreativgruppenformel hat uns einander näher gebracht. Denn wir haben in den letzten Monaten die Erfahrung gemacht, dass Filmschaffende gemeinsam nicht nur Filme schaffen, sondern auch trotz unüberwindlich scheinender Gegensätze zu einer Einigung finden können. Damit eröffnen sich uns sogar Chancen, auch größere gemeinsame Ziele in Angriff zu nehmen. Wir haben gelernt, dass Kompromisse nötig und mit dem gebotenen gegenseitigen Respekt durchaus auch möglich sind. Alle Beteiligten haben aus diesem Prozess mehr mitgenommen als ihren Teil des Fells.

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