Loi Travail: Neues Arbeitsgesetz treibt Franzosen auf die Straße

Der Hamburger ver.di-Fachbereich Medien hatte einen Kenner der aktuellen sozialen Bewegung in Frankreich eingeladen – und viele interessierte Zuhörer kamen. Foto: Lars Hansen

Der letzte Aktionstag der Bewegung gegen das neue Arbeitsgesetz in Frankreich fand kurz nach den Anpfiff der Fußball-EM statt. Bis zum Abpfiff sind noch weitere Aktionen in Planung, erfuhren die Zuhörer im Raum St. Georg im Hamburger Gewerkschaftshaus „Besenbinderhof.“  Gut 60 Kolleginnen und Kollegen waren auf Einladung des ver.di-Fachbereichs Medien gekommen, um mehr über die Streiks und die soziale Bewegung in Frankreich zu erfahren. Christian Mahieux vom französischen Gewerkschaftsverband SUD – Solidaires informierte aus erster Hand.

Aus Frankreich hörte man in den letzten zwei Wochen hauptsächlich von Toren und Terror. Dass dort gerade auch eine der wichtigsten sozialen Auseinandersetzungen dieser Zeit stattfindet, erreicht die Nachbarländer kaum. Das „Loi Travail“, das neue Arbeitsrecht, treibe die Leute auf die Straße, erklärte Christian Mahieux, weil es die Franzosen auf zwei Ebenen betrifft: Zum einen persönlich, indem es beispielsweise Kündigungsschutz, Überstundenbezahlung und Arbeitszeiten wesentlich verschlechtere; zum anderen kollektiv, weil es die gewohnte Rechtshierarchie völlig auf den Kopf stellt: „Nach dem Gesetz sollen betriebliche Regelungen Tarifverträge und zum Teil auch Gesetze außer Kraft setzen können“, sagte Mahieux. „Damit ist es nicht mehr möglich, dass große, gut organisierte Belegschaften auch die Bedingungen in kleineren Betrieben mit verbessern. Im Gegenteil: Die kleinen Betriebe werden jetzt die großen unter Druck setzen.“

Es sei den Gewerkschaften, die sich beteiligten, gelungen, gegen das neue Gesetz eine breite soziale Bewegung zu formieren, die bereits ein Vierteljahr nicht nur läuft, sondern an Stärke gewinnt. Am letzten großen Aktionstag am 14. Juni beteiligten sich eine Million Franzosen. Für den 23. und 28. Juni sind weitere Aktionen geplant. „Allerdings machen nicht alle Gewerkschaftsverbände mit“, beklagte sich Mahieux. Vor allem der große bürgerliche Gewerkschaftsbund CFDT würde gegen die Bewegung arbeiten – obwohl auch die Mehrheit der CFDT-Gewerkschaftsmitglieder das „Loi Travail“ ablehnt.

Über die Aktionen gegen das Gesetz habe man dem rechten Rand Protestpotenzial abjagen können, sagte der Gewerkschafter: „Der Front National taucht in der öffentlichen Debatte seit Monaten kaum noch auf. Das ist ein Effekt, von dem wir noch lernen können.“

Trotz aller Proteste ist davon auszugehen, dass die Regierung die Novelle im Juli durchbringt. Präsident Hollande hat an das Gesetz die Vertrauensfrage geknüpft. „Das ist Erpressung, aber er darf das“, erklärte Mahieux. „Damit hat die Regierung aber noch nicht gewonnen.“ Im Kampf gegen das Jugendarbeitsrecht vor zehn Jahren formierte sich der große Protest erst nach der Verabschiedung des Gesetzes. Viele Veteranen von damals sind die Pioniere der jetzigen Proteste.

In Belgien und Italien seien gerade ähnliche Gesetze geplant. Es wäre deshalb notwendig, sich international dagegen zusammenzuschließen, doch selbst sein Verband wäre da schwerfällig.

Hamburger Mediengewerkschafter sammelten für die französische Protestbewegung: Lothar Degen (re.) übergibt die Spendenbox Foto: Lars Hansen
Hamburger Mediengewerkschafter sammelten für die französische Protestbewegung: Lothar Degen (re.) übergibt dem Gast die Spendenbox. Foto: Lars Hansen

„Internationale Solidarität hat eine lange Tradition in unserem Fachbereich“, sagte Lothar Degen, Ortsvereinsvorsitzender des ver.di-Fachbereichs Medien in Hamburg. Wie zum Beweis überreichte er Christian Mahieux die Spendenbox. 800 Euro wurden im Saal für die französische Protestbewegung gesammelt.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Gemeinsame Standards für Medienfreiheit

In Brüssel wird der European Media Freedom Act (EMFA) bereits als "Beginn einer neuen Ära" zelebriert. Ziel der Verordnung ist es, die Unabhängigkeit und Vielfalt journalistischer Medien in der EU in vielfacher Hinsicht zu stärken. Doch wie er von den Mitgliedsstaaten  - vor allem dort, wo etwa die Pressefreiheit gefährdet ist wie Ungarn und der Slowakei - umgesetzt wird, zeigt sich erst im kommenden Sommer.
mehr »

Filmtipp: Die Saat des Heiligen Feigenbaums

Die Alten hüten die Asche, die Jungen schüren das Feuer. Konflikte zwischen den Generationen sind vermutlich so alt wie die Geschichte der Menschheit. Zumindest im Westen haben die im Rückblick als „68er-Bewegung“ zusammengefassten Proteste für tiefgreifende gesellschaftliche Umwälzungen gesorgt. Angesichts des Klimawandels könnte sich das Phänomen wiederholen. Mohammad Rasoulofs Familiendrama, deutscher „Oscar“-Kandidat, beschreibt anhand der Demonstrationen im Iran, wie sich die Alten wehren.
mehr »

Die Zukunft der Filmförderung

In der morgigen Plenarsitzung des Bundestages wird über die Zukunft der deutschen Filmwirtschaft entschieden, der vom Bundestagsausschuss für Kultur und Medien beschlossene Gesetzentwurf zum Filmfördergesetz (FFG) steht zur Abstimmung auf der Tagesordnung. ver.di begrüßt eine Reform der Filmförderung, denn in Zukunft müssen Filmproduktionen Tarif- und Urheber-Vergütungen verbindlich einhalten.
mehr »

KI-Lösungen: Heise macht es selbst

Das Medienhaus „Heise Medien“ hat kürzlich das auf generative Künstliche Intelligenz (KI) spezialisierte Medienhaus „Deep Content“ (digitale Magazine „Mixed“ und „The Decoder“) aus Leipzig gekauft. Damit will Heise die Zukunft generativer KI mitgestalten. „Deep Content“ entwickelte mit „DC I/O“ ein professionelles KI-gestütztes Workflow-Framework für Content-Teams und Redaktionen. Bereits seit Juni dieses Jahres kooperiert Heise mit „Deep Content“ bei der Produktion des Podcasts „KI-Update“. Hinter der Übernahme steckt die Idee, den neuen Markt weiter zu erschließen und hohe Gewinne einzufahren.
mehr »