Medien-Arbeitszeit ist keine Tendenzfrage

Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts

Der Betriebsrat von Presse- und Rundfunkunternehmen hat in Arbeitszeitfragen ein Mitspracherecht. Dies entschied im Dezember das Bundesverfassungsgericht und lehnte damit Klagen von Gruner + Jahr sowie anderen Verlegern ab. Konkret ging es um die Festlegung der Arbeitszeiten bei dem Magazin „Wirtschaftswoche“, der Tageszeitung „Berliner Kurier“ und dem niedersächsischen Privatsender „Radio ffn“ (1)

Laut Betriebsverfassungsgesetz hat der Betriebsrat in Arbeitszeitfragen ein Mitspracherecht. Gibt es keine Einigung mit den Arbeitgebern, entscheidet eine gemeinsame Einigungsstelle. Die Verleger wollten diese Mitbestimmung der Beschäftigten jedoch vermeiden und beriefen sich auf den Tendenzschutz für Medienbetriebe. Tatsächlich sieht das Betriebsverfassungsgesetz für „Tendenzbetriebe“ wie Medien, Kirchen und Parteien weitgehende Ausnahmen von der betrieblichen Mitbestimmung vor. Die entscheidende Frage war deshalb, ob es sich auch bei der Bestimmung der Arbeitszeiten um eine Tendenzfrage handelt. Als sich das Bundesarbeitsgericht nach jahrelangem Rechtsstreit auf die Seite der Betriebsräte stellte, erhoben die Verleger Verfassungsbeschwerde. Eine Mitsprache des Betriebsrats in Arbeitszeitfragen verletze die Presse- und Rundfunkfreiheit, so ihr Argument.

Doch auch das Bundesverfassungsgericht entschied jetzt gegen die Unternehmer. Allgemeine Arbeitszeitregeln seien mitbestimmungspflichtig, hieß es in dem Beschluss einer mit drei Richtern besetzten Kammer, da sie keine „unmittelbaren Auswirkungen auf Aktualität und Qualität der Berichterstattung“ hätten. Um zu diesem Ergebnis zu kommen, betonte Karlsruhe allerdings nachdrücklich, dass arbeitsbezogene Einzelweisungen an Redakteure und Mitarbeiter aus aktuellem Anlass weiter möglich bleiben. Wenn sich also der Redaktionsschluss wegen eines wichtigen Ereignisses verzögert, dann können die Beschäftigten auch weiterhin ohne Mitsprache des Betriebsrats zur Mehrarbeit verpflichtet werden. Auch eine nur „vorübergehende“ Änderung der generellen Arbeitszeit sei mitbestimmungsfrei, erklärte Karlsruhe.


  • Az: 1 BvR 505/95 u.a.
  • (1) Dessen damaliger Betriebsratsvorsitzender Wille Bartz – heute connex.av-Mitarbeiter in Hamburg – hatte vor dem Bundesarbeitsgericht das Urteil zugunsten der Betriebsräte erfochten.
nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Gemeinsam gegen Hassrede im Netz

Das Bundeskriminalamt (BKA) und die Landesmedienanstalten intensivieren ihre Zusammenarbeit im Kampf gegen Hassrede und strafbare Inhalte im Netz. Ab sofort können alle Medienanstalten in Deutschland Verdachtsfälle von strafrechtlich relevanter Hassrede an die Zentrale Meldestelle für strafbare Inhalte im Internet beim Bundeskriminalamt (ZMI BKA) melden. Bereits seit Mai 2022 arbeitet die Landesanstalt für Medien NRW eng mit dem BKA zusammen. Bis heute hat die Medienanstalt NRW knapp 700 Meldungen zugeliefert.
mehr »

Presserat berät über Döpfner-Leaks

Die Springer-Berichterstattung der vergangenen Wochen beschäftigt den Deutschen Presserat. Gleich zwei Fälle, die im Zusammenhang mit dem Springer-Verlag und der Bild-Zeitung stehen, muss der Presserat auf seiner nächsten Sitzung am 15. Juni 2023 behandeln. Grundlage für die Verfahren sind Beschwerden über die "Berliner Zeitung" und die "Zeit", die beim Presserat eingegangen sind. Beide Publikationen sollen den Pressekodex verletzt haben: Die "Zeit" den Persönlichkeitsschutz und die "Berliner Zeitung" den Informantenschutz.
mehr »

Gesetz zum Schutz von Whistleblowern verabschiedet

Nach dem Bundesstag hat heute auch der Bundesrat das neue Regelwerk zum Whistleblower-Schutz verabschiedet. Damit wurde endlich – nach anderthalbjähriger Verspätung – die Whistleblowing-Richtlinie der EU umgesetzt. Da dieser Schritt überfällig war, wird das sogenannte Hinweisgeberschutzgesetz zwar begrüßt, steht jedoch nach wie vor in der Kritik, da es keinen umfassenden Schutz für Whistleblower beinhaltet. Das Gesetz soll noch im Juni in Kraft treten.
mehr »

Rote Karte gegen Kahlschlag bei der DW

Beschäftigte der Deutschen Welle (DW) protestierten am Tag der Feierlichkeiten zum 70-jährigen Bestehen der Deutschen Welle in Berlin gegen den geplanten Personalabbau und die Umstrukturierung in zentralen Bereichen des öffentlich-rechtlichen Auslandsenders mit Standorten in Bonn und Berlin. 250 folgten dem Aufruf von ver.di im Bündnis mit den Personalräten des Medienkonzerns zu einem Fahrradkorso vom Sender zum Kundgebungsort am Pariser Platz.
mehr »