Angesichts öffentlich-rechtlicher Sparzwänge nimmt der Anteil von freien Mitarbeiter*innen bei ARD und ZDF stetig zu. Für die soziale Absicherung der Betroffenen gilt das jedoch nur bedingt. Um die „Arbeitsbedingungen für ‚Feste Freie’ im öffentlich-rechtlichen Rundfunk“ ging es am 24. Oktober beim „Medienpolitischen Dialog“ der SPD-Bundestagsfraktion.
Christoph Hölscher arbeitet als arbeitnehmerähnlicher Redakteur und Reporter beim Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) und ist außerdem Mitglied der RBB-Freienvertretung sowie des ARD-Freienrats. Sein Arbeitsalltag unterscheidet sich oft kaum von dem eines Festangestellten. „Oft bin ich auch Planungsredakteur oder Chef vom Dienst“, berichtet er. Auch das Finanzamt betrachte ihn als „Arbeitnehmerähnlichen“, nicht als Selbstständigen. Allerdings verfügt er über keinen unbefristeten Arbeitsvertrag. Der Verdienst der Freien liege im Schnitt um 20 Prozent unter den Tarifgehältern von Festangestellten. Schlechter gestellt sei man auch bei den sozialen Leistungen. Ganz zu schweigen von der Arbeitsplatzsicherheit. Zwar komme man bei ARD und ZDF „normalerweise“ ohne betriebsbedingte Kündigungen aus. Aber die Festen Freien würden als Reservoir von Beschäftigten gelten, deren Arbeitsvolumen bei Bedarf ausgedünnt werden könne.
Trotz intensiver Bemühungen ist es der Freienvertretung noch nicht gelungen, einen gemeinsamen Personalrat für Feste und Freie durchzusetzen. Die laut Freienstatut eingesetzte Freienvertretung, so Hölscher, sei ein „zahnloser Tiger“, da sie nur in Randbereichen über gewisse Mitbestimmungsrechte verfüge: z. B. bei den Öffnungszeiten der Kantine. Anders als der Personalrat verfüge der Freienrat nicht über solide, gesetzlich verbriefte Informationsrechte. Das erschwere eine wirksame Interessenvertretung für die rund 1.500 arbeitnehmerähnlichen Freien, die den rund 1.900 Festangestellten gegenüberstehen. Trotz jahrelanger Regierungsbeteiligung der SPD und diverser Anläufe sei es weder in Berlin noch in Brandenburg bislang gelungen, die Landespersonalvertretungsgesetze entsprechend zu reformieren. Im Namen des ARD-Freienrats forderte Hölscher die SPD zudem auf, sich für eine Novellierung auch des Bundespersonalvertretungsgesetzes zu engagieren. „Das kostet nichts, beseitigt aber ein erhebliches Demokratiedefizit“ in den öffentlich-rechtlichen Sendern. Und schaffe gleichzeitig bessere Voraussetzungen für ein „mutiges, kritisches Programm“.
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ZDF-Hauptabteilungsleiter Personal Gregor Wichert brach eine Lanze für diese Forderung. Beim ZDF gelte die Devise: „Wir wollen die Freien fair behandeln“, aber man unterliege auch immer strengeren Sparzwängen. Arbeitnehmerähnliche bekämen pauschalierte Honorare, 31 Tage Jahresurlaub, Essens- und Familienzuschläge sowie andere Sozialleistungen. Er wandte sich gegen eine Pauschalierung der Freien in den Sendern. Es gebe weder „Geldsäcke“ noch ein umfangreiches „Prekariat“. Manche Freie verdienten allerdings so viel, dass sie Angebote auf Festanstellung ausschlügen. Zudem nutzten viele Freie nicht die Möglichkeit, an der betrieblichen Altersversorgung zu partizipieren. So machten nur 52 Prozent der Kolleg*innen Gebrauch von der Möglichkeit, ihre Rente durch Mitgliedschaft in der Pensionskasse Rundfunk aufzubessern.
Stephanie Funk-Hajdamovicz ist Reporterin, Autorin und Personalrätin beim WDR, zugleich Mitglied des ARD-Freienrates. Die fünf festen freien Personalräte im Sender seien nicht freigestellt, würden aber für ihre Gremientätigkeit auf Basis ihrer Durchschnittshonorare entschädigt. Bei den wöchentlichen Sprechstunden des Personalrats werde man ständig mit den gleichen Problemen konfrontiert: Was mache ich, wenn im Alter mein Arbeitsvolumen sinkt? Was, wenn ich bald nach Ende meiner Tätigkeit wirtschaftlich auf Hartz-IV-Niveau absinke? Funk-Hajdamovicz ist Teil eines achtköpfigen „Kernteams“, das nach den Vorwürfen sexueller Belästigung am Projekt „Kulturwandel im WDR“ arbeite. In diversen Workshops gehe es dabei darum, aus den bekannt gewordenen „hässlichen Formen von Machtmissbrauch“ im Sender Konsequenzen zu ziehen und trotz der existierenden Machthierarchien dafür zu sorgen, dass Freien mit Wertschätzung begegnet werde.
Ute Vogt, innenpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, sagte zu, sich für eine freienfreundliche Novellierung des Bundespersonalvertretungsgesetzes stark zu machen. Zwar sei die entsprechende „Ambition des amtierenden Bundesinnenministers Seehofer nicht allzu groß“, aber die Forderung sei immerhin Bestandteil des Koalitionsvertrags.
Was die sozialen Belange angehe, so habe die Koalition vereinbart, dass ab 2020 auch Selbstständige einen besseren Zugang zur Arbeitslosenversicherung hätten. Zudem würden die Krankenversicherungsbeiträge für Selbstständige halbiert.
Daneben liege der SPD auch daran, angesichts von Fake News und Medienkonzentration den Qualitätsjournalismus zu fördern und zu stärken. Vogt verwies auf das „Aktionsprogramm für freie und unabhängige Medien“ ihrer Partei und dessen zentrale Punkte: die Verabschiedung eines Gesetzes zur Informationspflicht von Bundesbehörden gegenüber den Medien, die Erarbeitung eines Gesetzentwurfs zur Wahrung des Berufsgeheimnisschutzes und des Informantenschutzes, Hilfe und Schutz für Medienschaffende bei der Erfüllung ihres öffentlichen Auftrags sowie die Prüfung neuer Finanzierungsmodelle für unabhängigen Qualitätsjournalismus. Denkbar seien Stiftungen, Steuervergünstigungen oder Formen von Gemeinnützigkeit. Allerdings, so räumte Vogt ein, würden entsprechende Initiativen des Bundes aufgrund des Kulturföderalismus erschwert.