Netflix schüttet erste Zusatzvergütungen aus

Eine Szene aus der erfolgreichen Netflix-Serie "How To Sell Drugs Online (Fast)". Lenny Sander im Rollstuhl (gespielt von Danilo Kamperidis) und Moritz Zimmermann (gespielt von Maximilian Mundt).
Foto: Netflix

Mitwirkende an deutschen Serien-Produktionen von Netflix erhalten auf der Grundlage Gemeinsamer Vergütungsregeln erstmals Zusatzvergütungen. Zudem beteiligt sich das US-amerikanische Medienunternehmen an der Finanzierung der Themis-Vertrauensstelle gegen sexuelle Belästigung und Gewalt e.V. Ein Interview mit Rachel C. Schumacher, Senior Counsel, Labour Relations, Netflix, und Bernhard F. Störkmann, Geschäftsführer der Deutschen Schauspielkasse (Deska).

Netflix, der Bundesverband Schauspiel (BFFS) und ver.di haben im März 2020 über ihre Gemeinsamen Vergütungsregeln (GVR) informiert. Auf deren Grundlage werden mitwirkende Urheber*innen und ausübende Künstler*innen am Erlös besonders erfolgreicher Serienstaffeln beteiligt. Wann können die Berechtigten mit ersten Auszahlungen rechnen?

Bernhard F. Störkmann | In den nächsten Tagen sollte das Geld auf den Konten der Berechtigten eingehen. BFFS, ver.di und Netflix haben sich in den letzten Monaten mit der Vorbereitung des Verteilungsprozesses für diese Folgevergütungen befasst. Hierzu waren unter anderem steuerliche sowie abwicklungstechnische und logistische Fragen zu klären.

Netflix Senior Counsel, Labour Relations, Rachel C. Schumacher
Foto: Netflix

Rachel C. Schumacher | Ich bin sehr glücklich, dass auch dieser Schritt mit unseren Partnern beim BFFS und ver.di so zügig und unbürokratisch gegangen werden konnte. Wir haben eine Einrichtung gefunden, die die Verteilung an den Großteil der Berechtigten übernehmen kann. Netflix, BFFS und ver.di haben sich auf die Beauftragung der Deska verständigt.

Was ist das Besondere an dem Abschluss der GVR?

Rachel C. Schumacher | Wir haben immer gesagt, dass die Sicherstellung einer fairen und angemessenen Vergütung für uns von zentraler Bedeutung ist. Wir glauben, dass sie einen Eckpfeiler unserer Beziehung zu Künstler*innen darstellt, und wir sind begeistert, eine bisher beispiellose Beziehung zwischen Netflix und unseren Partnerverbänden einzugehen. Ich bin überzeugt: Diese GVR stellen den Grundstein einer nachhaltigen und vertrauensvollen Partnerschaft mit der deutschen Kreativszene dar.

Bernhard F. Störkmann | Ich denke, die GVR, die wir gemeinsam erreicht haben, sind wirklich ein Meilenstein: Netflix wird in Zukunft für besonders erfolgreiche Serienstaffeln eine laufende Folgevergütung zahlen, wenn die Produktion bestimmte Erfolgsschwellen erreicht hat. So zahlt Netflix an die Berechtigten einen Gesamtbetrag von insgesamt 250.000,00 Euro für jeweils 10 Mio. Completer – also Abonnten*innen, die eine Serie nach Start innerhalb der ersten fünf Jahre angeschaut haben. Im zweiten Fünfjahreszeitraum zahlt Netflix jeweils 175.000,00 Euro pro 10 Mio. Completer. Und in allen weiteren Fünfjahreszeiträumen danach werden jeweils 100.000,00 Euro pro 10 Mio. Completer gezahlt.

Wer profitiert ganz konkret von diesem Abschluss?

Rachel C. Schumacher | Netflix stellt eine Folgevergütung für deutschsprachige Serien bereit für alle Filmschaffenden, die an den jeweiligen Produktionen entweder als Urheber*innen oder ausübende Künstler*innen mitgewirkt haben – also z.B.  aus den Departements Kamera, Ton, Szenenbild, Schnitt, Kostüm, Maske, Regie und die Schauspieler*innen. Es war uns immer wichtig, eine Regelung zu finden, die niemanden ausschließt. Mit den Drehbuchautor*innen haben wir vielversprechende Gespräche.

Wieviel wird denn jetzt ausgeschüttet?

Bernhard F. Störkmann | Der Gesamtbetrag, der jetzt zur Auszahlung gelangt, beläuft sich auf über 800.000 Euro. Diese Folgevergütungen beziehen sich auf ganz bestimmte Produktionen, die vor 2020 veröffentlicht wurden, und auf die wir uns geeinigt haben, unter anderem beispielsweise „Dark“.

Wie kommen die Berechtigten an das Geld?

Rachel C. Schumacher | Netflix stellt den Gesamtbetrag der Folgevergütungen der Deska zur Verteilung zur Verfügung. Die Deska wird dann die Auszahlung bis hin zur Überweisung des einzelnen Betrages an die jeweiligen Berechtigten organisieren und abwickeln.

Bernhard F. Störkmann, BFFS-Vorstand und Geschäftsführer der Deutschen Schauspielkasse (Deska) Foto: Kornelia Boje

Bernhard F. Störkmann | Und dabei ziehen wir keine Verwaltungskosten ab! Die Deska hat ja in den letzten sechs Jahren eine große Expertise entwickelt. Vier Mitarbeiter*innen der Deska sind mit der Abwicklung von Verteilungsaufgaben betraut.

Derzeit sammelt die Deska noch die Daten, die zur Auszahlungsabwicklung für die Netflix-Produktionen erforderlich sind.  Wenn dann alle wichtigen Informationen der Berechtigten vorliegen, sollte das Geld – wie eingangs schon erwähnt – Anfang dieses Jahres auch dort ankommen.

Auf welcher Basis erfolgt die Verteilung?

Rachel C. Schumacher | Die Verteilung basiert auf einem Verteilungsschlüssel, auf den sich die Berechtigten geeinigt haben. Es war für Netflix wichtig, sich nicht in die konkrete Aufteilung unter den einzelnen Mitgliedern einzumischen. Denn wir glauben, dass die Erarbeitung eines solchen Verteilungsschlüssels bei denjenigen, die es unmittelbar betrifft, am besten aufgehoben ist, und wir vertrauen darauf, dass die Berechtigten eine faire und ausgewogene Lösung gefunden haben.

Bernhard F. Störkmann | In einem ersten Schritt wird die für eine Serienstaffel betreffende Gesamtsumme der Folgevergütung auf die verschiedenen beteiligten Gewerke der Berechtigten verteilt. Wir nennen das Binnenverteilung. In einem zweiten Schritt wird dann die Weiterverteilung der Gewerkanteile an diejenigen vorgenommen, die diesen Gewerken angehören. Das ist die sogenannte gewerkinterne Verteilung.

Werden Serien-Drehstarts von Netflix auch bei der Deska angezeigt?

Bernhard F. Störkmann | Nein. Die Deska ist ein völlig eigenständiges Abrechnungsunternehmen, das keinerlei unternehmerische Verbindung zu Netflix hat. Insoweit erhält die Deska auch keine Informationen, wann ein Drehstart erfolgt. Jeweils nach Abschluss eines Geschäftsjahres wird Netflix der Deska die für die Verteilung einer Folgevergütung relevanten Informationen einer Netflix-Originalserie übermitteln. Auf der Grundlage dieser Daten kann die Deska dann tätig werden.

Beinhaltet die GVR noch weitere Regelungen, die für die Branche relevant sind?

Bernhard F. Störkmann | Ein für den BFFS und ver.di wichtiges Anliegen ist in den Verhandlungen und mit dem Abschluss der GVR erreicht worden. So wird Netflix die Themis- Vertrauensstelle gegen sexuelle Belästigung und Gewalt e.V. mit 15.000 Euro jährlich unterstützen. Es handelt sich dabei gerade auch im Vergleich zu deutschen Playern der Medienindustrie um einen wirklich substantiellen jährlichen Betrag. Wir freuen uns sehr, dass Netflix als einziges nicht-deutsches Unternehmen nun zum Kreis der 19 Brancheneinrichtungen der Kultur- und Medienbranche gehört, die die wertvolle Arbeit der Themis finanziert.

Rachel C. Schumacher | Netflix unterstützt die Ziele und die Arbeit von Themis voll und ganz. Es ist uns daher eine Ehre, zu den finanziellen Unterstützern von Themis zu gehören und damit die Ziele zu fördern, für die wir uns auf der ganzen Welt einsetzen. Darüber hinaus war es uns ein Anliegen, in die GVR aufzunehmen, dass sich Netflix als Auftraggeber der Produktionen für die Gleichstellung der Geschlechter sowie für Vielfalt und Inklusion innerhalb solcher Produktionen einsetzt und auch seine Unterstützung in dieser Hinsicht anbietet.

Vielen Dank für das Gespräch.


M Online vom 23. März 2020

Fair pay: the Netflix-Way

Gemeinsame Vergütungsregeln zwischen Netflix, BFFS und ver.di

ver.di – Filmschaffende

 

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Fünfter Streik beim Bundesanzeiger

Mit rund 130 Millionen Euro Jahresumsatz und einer stattlichen Gewinnmarge von 18 bis 20 Millionen Euro ist der Bundesanzeiger Verlag die Cash Cow der DuMont Verlagsgruppe. Doch der Verlag verweigert Tarifverhandlungen. Dabei, so formuliert es Bundesanzeiger-Betriebsrat Gerhard Treinen, befindet sich ein großer Teil der rund 560 Beschäftigten und der bis zu 280 Leiharbeitenden in prekären Arbeitsverhältnissen. Daher hat ver.di jetzt zum fünften Mal in diesem Jahr zu einem Warnstreik aufgerufen. Rund 100 Streikende hatten sich dann auch vor dem DuMont Gebäude in Köln versammelt und verliehen ihrem Unmut hörbar Ausdruck als sie „Tarifvertrag jetzt“ skandierten. „Ich habe…
mehr »

Kinostreik über Ostern angekündigt

Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) ruft die Beschäftigten im Kinokonzern CinemaxX noch vor Ostern, zum Warnstreik auf. Grund dafür ist die Verweigerungshaltung von CinemaxX ein konstruktives Angebot vorzulegen. Die Tarifverhandlungen sind ins Stocken geraten. „Auch in der gestrigen dritten Verhandlungsrunde hat die Geschäftsführung von CinemaxX kein substanziell verbessertes Angebot vorgelegt. Die Tarifforderung der Beschäftigten von 14 Euro stellen in der aktuellen Preissteigerungssituation eine notwendige Basis für ein existenzsicherndes Einkommen dar.
mehr »

Entlarven und kontern auf TikTok

Rechte und Rechtsextreme verfügen über große Reichweiten auf sozialen Medien, insbesondere auf TikTok. Dort trenden populistische Inhalte und fremdenfeindliche Hashtags. Dagegen regt sich immer mehr Widerstand. Politiker*innen und Institutionen wollen das digitale Feld nicht der AfD überlassen. Doch warum gelingt es den Demokratiefeinden dort offenbar so mühelos, junge Menschen anzusprechen? Antworten erhoffen sich Nachwuchsjournalist*innen der Kölner Journalistenschule für Politik und Wirtschaft mit ihrem Medienprojekt „Im rechten Licht“.
mehr »

Beschäftigte von ARD-Sendern streiken

ver.di hat die Beschäftigten der ARD-Rundfunkanstalten NDR, WDR und SWR für den 12. März zu Streiks für Einkommenserhöhungen aufgerufen. Die ARD-Verhandler*innen verweigern bisher Angebote für Tariferhöhungen. Sie zögern die Verhandlungen hinaus, zuletzt in der zweiten Verhandlungsrunde beim Südwestrundfunk in Stuttgart am 9. März. Frühestens für Ende April wurde im SWR ein beziffertes Angebot in Aussicht gestellt. Auch in  anderen ARD-Sendern gibt es bisher keine Verhandlungsfortschritte, heißt es in der Pressemitteilung.
mehr »