Neues Leben im alten Funkhaus

Funkhaus Nalepastraße
Foto: Wolfhard Besser, bearbeitet von Petra Dreßler

Standort für Unternehmen aus der Medien- und Kulturbranche

Eine DDR-weit bekannte Adresse lautete einst: 1160 Berlin, Nalepastraße 18-50 – Sitz des DDR-Rundfunks von 1952 bis zur Abwicklung Ende 1991 laut Einigungsvertrag. Seither entwickelte sich das Areal mit seinen teils denkmalgeschützten Gebäuden zu einem Standort für Unternehmen aus der Medien- und Kulturbranche, für Musikevents, als Kulisse für Filmproduktionen.

Nach der Abwicklung des DDR-Rundfunks stand das Gelände zunächst in Verwaltung der Neuen Bundesländer, die nun die Erben waren. Lange Zeit war nicht klar, was damit geschehen soll. Nach langen Querelen wurden das Gelände und die Bauten unter dubiosen, weil schwer durchschaubaren Umständen mehrfach geteilt und verkauft, so dass nur noch die vier ursprünglichen Gebäude, die der Architekt Franz Ehrlich konzipiert hatte, übrigblieben und heute als Gründungsareal des DDR-Rundfunks wegen seiner Einmaligkeit unter Denkmalschutz stehen.

Seit 1993 zogen neue Mieter ein: Kleine Medien–Unternehmen, Künstler, Musiker, Handwerker. Platz gab es genug. Produzenten mieteten die zwei Hörspielstudios und die ehemaligen Sende- und Aufnahmestudios. Im zweitgrößten Sendesaal agierte über zehn Jahre das Filmorchester Babelsberg. Filmproduktionsfirmen wurden zudem auf die Baulichkeiten und Außenflächen aufmerksam. Es entstanden dort Teile von Fernseh- und Kinofilmen wie „Unsere Mütter, unsere Väter“ (ZDF), „George“ – ein Spielfilm über den deutschen Schauspieler Heinrich George mit dessen Sohn Götz George in der Hauptrolle, „Weißensee“ (ARD), „Ballon“ (Spielfilm von Bully Herbig), um nur einige zu nennen. Dazu kamen US-amerikanische Produktionen. Ambitioniert übernahm der israelisch-niederländische Investor Albert Ben David 2007 den Funkhaus-Komplex, um ein Medienzentrum zu gestalten, was ihm offenbar nicht gelang.

Nach einem erneuten Besitzerwechsel 2017 kam weiteres Leben in das Areal. So hat seit gut zwei Jahren eine private Musikschule in zwei Stockwerken des ehemaligen Redaktionshauses ihren Sitz. Nahezu 600 Studenten sind derzeit eingeschrieben. In Ein-, Zwei- und Dreijahreslehrgängen können sie die Sparten Kreative Musikproduktion, Tontechnik, Musik-Technologie und auch Sommerkurse belegen. Englisch ist die Umgangssprache.

Ziel des neuen Betreibers Uwe Fabich ist es, hier im ehemaligen zentralen DDR-Funkhaus eine Kreativ-Stadt für Musik, Kunst, Kultur und Mode zu entwickeln. Auch Messen und Ausstellungen haben bereits stattgefunden. Es gibt noch viel Platz für junge Unternehmen. Erst kürzlich ist eine US-amerikanische Firma aus Boston mit 100 Mitarbeiter*innen eingezogen, die 3D-Drucker entwickelt und vertreibt. Als eine zusätzliche Veranstaltungsstätte wurde die ehemalige Kfz-Halle um- und ausgebaut, die nun für über 9.000 Besucher Platz bietet, zu Konzerten fast aller Genres – außer Schlagermusik – für junge (und auch interessierte ältere) Leute in der so genannten Shed-Halle, deren Be-zeichnung sich von der Dachkonstruktion her ableitet.

Zudem steht seit einiger Zeit eine zweite große Veranstaltungslocation neben dem ehemaligen Rundfunkgelände bereit: Die einstige Turbinenhalle des auch unter Denkmalschutz stehenden Kraftwerks Rummelsburg. Dieses Areal bildet nun zusammen mit der in der Nachbarschaft befindlichen Fahrgast-Reederei Riedel einen Gesamtkomplex, der sich in den nächsten Jahren zu einer großen Berliner Eventstätte entwickeln soll.

Für Interessierte lohnt ein Blick in die Geschichte des Funkhauses Nalepastraße. Mit der Wende existierten in Berlin drei große Sendeanstalten. Da gab es bereits seit 1931 das „Haus des Rundfunks“ in der Masurenallee, die „Radio Stunde Berlin“. Das Gebäude gegenüber dem Berliner Funkturm galt bei der Inbetriebnahme als das modernste Funkhaus Europas, in dem dann wenig später die Nazis das Sagen hatten. Sie bekamen damit ein Instrument in die Hand, dass sie einerseits massiv für die ideologische Beeinflussung und Kriegsvorbereitung einsetzten. Andererseits gaukelten sie mit Unterhaltungsprogrammen eine heile Welt vor – bis zum bitteren Ende.

Wenige Tage nach Kriegsende nahmen Antifaschisten und andere demokratisch gesinnte Kräfte unter der Regie sowjetischer Presseoffiziere den Sendebetrieb wieder auf. Die Alliierten hatten festgelegt, dass die Rundfunkversorgung der nördlichen Sowjetischen Besatzungszone und Gesamtberlins aus dem „Haus des Rundfunks“ zu erfolgen habe. Allerdings lag es im Britischen Sektor der geteilten Stadt; kam dann später an ostdeutsche Behörden und 1949 in Verwaltung der DDR. Mit anderen Worten: Zwei ostdeutsche Radioprogramme wurden aus West-Berlin gesendet!

Dass dies nicht lange gut gehen würde, war mit Beginn des Kalten Krieges abzusehen. Die Westberliner Seite versuchte immer wieder mit unterschiedlichen Aktivitäten, die Sendetätigkeit zu stören. Schließlich riegelten britische Truppen das Sendegebäude ab, so dass der DDR-Rundfunk nach mehrtägiger Blockade Westberlin verließ. Unterdessen war ohnehin ein neu-es Sendezentrum in Ost-Berlin im Bau, zu dem sich die junge DDR-Regierung entschlossen hatte – in der Nalepastraße. In das „Haus des Rundfunks“ zog 1954 der neu gegründete Sender Freies Berlin (SFB) ein. Er sollte ein Gegenpol zu den Ost-Berliner Programmen sein.

Ein anderer Konkurrent war bereits 1946 entstanden. Schon frühzeitig hatte sich die amerikanische Besatzungsmacht entschlossen, ein von amerikanischen Behörden finanziertes deutschsprachiges Radioprogramm zu gründen: den Rundfunk im amerikanischen Sektor (RIAS). Er zog in ein zum Funkhaus umgebautes Verwaltungsgebäude am heutigen Hans-Rosenthal-Platz. Im Zuge der Umgestaltung der Öffentlich-rechtlichen Rundfunklandschaft in der Nachwendezeit formierte sich 1994 dort das Deutschlandradio.

Als im September 1952 der Sendebetrieb im neuen Funkhaus in der Nalepastraße mit anfangs drei Vollprogrammen begann, war zunächst das Redaktions- und Sendegebäude fertiggestellt, um- und ausgebaut aus einer nicht mehr genutzten Holzverarbeitungs-fabrik (Block A genannt). Die für ein Rundfunkzentrum notwendigen Aufnahmeräume für Musik und künstlerisches Wort wurden bis 1956 errichtet (Block B) und zwei Funktionsgebäude wie Mehrzwecksaal, Garagen und Werkstätten, Sozialeinrichtungen sowie weitere Redaktionsräume (Block C und D). Die Leitung hatte der Architekt Franz Ehrlich (1907 – 1984) im Zusammenwirken mit dem Postingenieur Gerhard Probst, der für den technischen Ausbau verantwortlich war.

Franz Ehrlich hatte am Bauhaus Dessau Innenarchitektur studiert. Einige seiner Lehrer waren Paul Klee, Walter Gropius, Mies van der Rohe und Wassili Kandinsky. Als er 1949/50 von der DDR-Regierung den Auftrag zum Aus- bzw. Neubau des Funkhauses bekam, hatte er schwere Jahre hinter sich. Als Mitglied der KPD seit Anfang der 30er Jahre ging er nach der Machtübernahme der Nazis in den antifaschistischen Widerstand in Leipzig. Es folgten Verhaftung, Gefängnis, KZ Buchenwald und schließlich das Strafbataillon 999. Nach der Kriegsgefangenschaft stellte er sein Können in den Dienst des Wiederaufbaus. Die DDR-Oberen wollten ein Rundfunkzentrum nach sowjetisch-sozia-listischem Realismus errichtet wissen. Dem verweigerte sich Franz Ehrlich und schuf ein Ensemble im Stil der Weimarer Zwischenkriegszeit, das in vielen Details Bauhausmoderne ausstrahlt.

So entstand ein Komplex, der fast einmalig ist und heute mit Recht unter Denkmalschutz steht. Die insgesamt vier Gebäude sind mit brückenartigen Übergängen, auf Rundsäulen stehend, verbunden. Das würfelartige Musik-Produktionszentrum (Block B) umfasst vier unterschiedlich große Aufnahmesäle, die jeweils für eine spezielle Musikgattung eingerichtet sind: Sinfonik, Unterhaltungs- und Tanzmusik, Kammermusik und Jazz. Dazu kommen noch zwei Hörspielstudios. Das Gebäude war ausschließlich der Produktion von Musik vorbehalten. Öffentliche Veranstaltungen waren nicht vorgesehen.

Glanzstück ist der Saal 1 mit seiner exzellenten, inzwischen weltbekannten Akustik, 900 qm Grundfläche und einer Höhe von 28 – 35 Meter. Hier und in den anderen Aufnahmesälen musizierten und produzierten einst die rundfunkeigenen Klangkörper und weitere renommierte Orchester der DDR. Und auch in der Nachwendezeit waren bekannte Orchester Gast im Funkhaus Berlin, wie die offizielle Bezeichnung seit 1991 lautet. So zum Beispiel die Staatskapelle Berlin unter Daniel Barenboim, die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen, das Norddeutsche Jugend-Sinfonie-Orchester oder der Pianist Lang Lang sowie bekannte Musiker und Sänger aus der heiteren Muse.

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