Qualifizierte Ausbildung für Nachwuchs beim Film  

Kurzfilmproduktion bei Nacht Foto: Archivbild/Shutterstock/Faboi

Die Filmbranche ist sich einig: Dem Nachwuchsmangel in der Filmproduktion muss man auch mit einer qualifizierten Ausbildung begegnen. Nur gibt es kaum Ausbildungsberufe am Set. In den im Juni 2023 veröffentlichten „Sechs Eckpunkten gegen den Fachkräftemangel“ schlägt Martin Blankemeyer, Vorstand der Münchner Filmwerkstatt, eine nachhaltige Strategie vor. Und wie ver.di fordert er eine Wiederaufnahme der Weiterbildungsförderung durch die Filmförderungsanstalt (FFA).

Offiziell beklagte die Filmbranche erst vor vier Jahren einen Nachwuchsmangel in der Filmproduktion. Doch bereits Jahre vorher fehlte es an Personal, auch weil qualifizierte Fachkräfte dem Filmset den Rücken kehrten. Dies liegt vor allem an den Arbeitsbedingungen für die Filmschaffenden: Befristete Arbeitsverträge, 12stündige Drehtage und eine erhöhte Arbeitsverdichtung – bedingt durch weniger Drehtage pro Film und dem Personalschwund. Um den Nachwuchs wieder für die Arbeit am Set und im Produktionsbüro zu begeistern, forderte nicht nur ver.di, dass in „die Qualität und damit Qualifizierung der hiesigen Filmschaffenden investiert werden“ müsse. PAIQ, eine Initiative der Produzentenallianz, brachte 2022 den „Career Guide Film. Arbeit und Ausbildung für Kino, Streaming und TV“ heraus, um erst einmal einen Überblick über die Ausbildungsmöglichkeiten in Unternehmen und Qualifizierungsangebote an Hochschulen und Bildungseinrichtungen für die wichtigsten Filmberufe zu schaffen. Der Guide bekräftigt das Bild eines unübersichtlichen Aus- und Weiterbildungsbildungsdschungels.

Erste Initiativen gegen den Nachwuchsmangel

Bei den meisten Filmberufen handelt es sich um sogenannte Lernberufe, die Qualifizierung erfolgt mittels Learning by Doing, meistens über den Weg von Praktika mit anschließenden Assistenzen. Gemeinhin wird dies als „Quereinstieg“ bezeichnet. Man kann sich in diesem Bereich über Lehrgänge und Weiterbildungen in Filmhäusern, Instituten und über die PAIQ zusätzlich qualifizieren. Seitdem die Nachwuchskrise offiziell ist, hat sich in der Branche an einigen Stellen etwas getan: Die PAIQ vermittelt etwa berufsvorbereitende Volontariate für „Audiovisuelle Produktion“ in größeren Firmen. An mehreren Filmhochschulen kann man mittlerweile nicht nur die Regie erlernen, sondern sich im Rahmen des Studiums auch auf Kamera, Editing, Producing, Ton und Produktionsleitung spezialisieren. In Hessen startete bereits  2020 das neue Branchenqualifizierungs- und Weiterbildungsprogramm STEP, gefördert von Hessen Film & Medien. Das Programm unterstützt Studierende, Film- und Medien Alumni sowie Quereinsteiger*innen auf ihrem Weg in die Filmbranche.

Funktioniert das duale System?

Constantin Film etwa bietet in Zusammenarbeit mit Hochschulpartnern in München und Stuttgart duale Studiengänge an. Mit dieser Initiative sollen insbesondere Berufe im Produktionsbereich gefördert werden, da man vor allem dort mehr Spezialisten brauche. Die UFA hat eine Serienschule gegründet, in welcher neue Storyliner-Talente ausgebildet werden, die künftig die Handlungsstränge für das Vorabendprogramm entwickeln sollen und bei der Bavaria Film GmbH setzt man im Rahmen des Programms „Future Work Value“ auf innerbetriebliche Weiterbildungsmaßnahmen, um die Mitarbeiter*innen besser auf die sich stetig verändernden meist digitalisierten Anforderungen in ihren Berufen vorbereiten zu können.

In der Filmbranche gibt es wenige Berufe mit einer dualen Ausbildung, dazu gehören  „Mediengestaltung Bild und Ton“ sowie „Kaufmann/- frau für audiovisuelle Medien“. Da Technologien im Bereich immersiver Medien, darunter versteht man Augmented Reality und Virtual Reality, zunehmend an Bedeutung gewinnen, wurde jüngst eine neue dreijährige duale Ausbildung „Gestalter/-in für immersive Medien (GIM)“ geschaffen. Bei der Ausbildung „Mediengestalter*in Bild und Ton“ ist es möglich, sich im Rahmen der Ausbildung auf Schnitt, Ton oder Kamera zu spezialisieren. Doch bilden die Firmen in diesen Berufen aus? Schaut man sich in Frankfurt am Main um, nehmen sich neben dem Hessischen Rundfunk nur drei Unternehmen des Nachwuchses an: Acamnetwork GmbH, Mapp Media und Move Productions und der Frankfurter Standort von DAS WERK.

Für Martin Blankemeyer, Vorstand der Bildungseinrichtung Münchner Filmwerkstatt, ist dies nicht ungewöhnlich. Von den wenigen großen Playern wie Ufa, Constantin Film und Leonine abgesehen, bestehe die Branche überwiegend aus kleineren Unternehmen. „Die Kernbelegschaft ist bei über 90 Prozent der Unternehmen unserer Branche einstellig. Das passt nicht zur Einrichtung von Ausbildungsplätzen, denn im Durchschnitt kommt erst auf ca. 70 Arbeitsplätze in Deutschland ein Ausbildungs- oder dualer Studienplatz.“ Gleich ob duales Studium oder duale Berufsausbildung – beides funktioniere nicht richtig. In der Hochschulausbildung fehle die nötige Praxisintegration und das duale Modell ignoriere die zyklische Arbeitsweise der vorwiegend kleinen Unternehmen.

Qualifizierte Abschlüsse fehlen

Blankemeyer vertritt die Münchner Filmwerkstatt in dem vom Weiterbildungsverbund „Media Collective“ initiierten „Arbeitskreis Fachkräfte-Strategie Film & TV“, gegründet im Februar 2023. Hier treffen sich Fernsehsender, Interessenverbände der Filmwirtschaft, Bund- und Länderforderungen sowie Aus- und Weiterbildungseinrichtungen, um den Personalnotstand in der deutschen Filmwirtschaft entgegenzuwirken. Blankemeyer ist erfreut, dass die Filmberufe in diesem Kreis erst einmal definiert werden. Im Juni hatte er in der Zeitschrift „Black Box“ das Paper „Sechs Eckpunkte gegen den Fachkräftemangel“ veröffentlicht.  Darin geht es neben der Verbesserung der Arbeitsbedingungen auf dem Filmset auch um das kaum vorhandene und kaum regulierte deutsche Ausbildungssystem für die Filmberufe. Um den Nachwuchs nachhaltig an die Branche zu binden, brauche man anerkannte unabhängige Abschlussprüfungen, die dem deutschen oder Europäischen Qualifikationsrahmen DQR/EQR entsprechen. Anstatt der derzeitigen Zertifikate der Bildungseinrichtungen sollten vor allem die Industrie- und Handelskammern verstärkt öffentlich-rechtlichen Fortbildungsprüfungen anbieten, wie bereits für einige Berufe wie etwa die Erste Aufnahmeleitung  geschehen. Dies werde dem Wunsch junger Menschen gerecht, einen „echten“ Abschluss zu erreichen. Dass dem so ist, würden die steigenden Studierendenzahlen an den Filmhochschulen belegen, aber eine durchgängige Akademisierung des „Mittelbaus“ sei in der Filmbranche weder nötig noch praxisgerecht.

Weiterbildungsförderung durch die FFA wiederbeleben

Viele in der Branche, darunter auch ver.di, fordern die Wiederaufnahme der Weiterbildungsförderung durch die FFA, festgezurrt durch die derzeit sich in Vorbereitung befindliche Novelle des Filmfördergesetzes (FFG) 2015. Blankemeyer möchte dies allerdings nicht wie bis 2012 in Form einer Trägerförderung. Die Teilnehmer*innen, die ihre Aus- und Weiterbildung nicht selbst finanzieren können, sollen selbst antragsberechtigt sein. Nur fürchtet er, dass die großen Unternehmen kein Interesse an einem Fördertopf für Weiterbildungen haben, da diese FFA-Gelder dann für die Filmproduktionen fehlten. Man könne dem insofern mit einem Weiterbildungsfonds auf Bases eines Umlagesystems entgegenwirken – nach dem französischen Vorbild der „Assurance formation des activités du spectacle“.  Dies könnte so aussehen, dass alle branchenangehörigen Unternehmen für jeden Tag, an dem sie Filmschaffende auf Produktionsdauer beschäftigen, fünf Euro in einen Fonds zahlen. Bei Ausscheiden aus der Produktion bekämen die Mitarbeiter*innen einen aktuellen Kontostand des persönlichen Weiterbildungskontos für Qualifizierungsangebote zugelassener Träger. „Ausbildung kostet“, sagt auch ver.di Sekretär von Matthias von Fintel, allerdings baut er nicht auf eine Umlage, sondern auf das „novellierte FFG mit Zusatzmitteln aus dem Steuertöpfchen.“ Er betont:  „Gute Ausbildung ist ein wichtiger Standortfaktor im internationalen Wettbewerb der Filmproduktionswirtschaft.“

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