Schmerzgrenze erreicht

Zentrale Streikversammlung in Baden-Württemberg

Mehr als 400 Journalistinnen und Journalisten in Baden-Württemberg haben am 29. September die Arbeit niedergelegt, um den Verlegern bei den zeitgleich laufenden Tarifverhandlungen zu signalisieren, dass es Zeit ist, ein seriöses Angebot auf den Tisch zu legen. Redakteurinnen und Redakteure aus 21 Zeitungen kamen zur zentralen Warnstreikversammlung nach Stuttgart, in vier weiteren Redaktionen liefen vor Ort Aktionen.

„Solch eine Mobilisierung während einer Gehaltstarifrunde, das ist unfassbar“, kommentierte ein Redakteur aus Heilbronn. Nicht nur die Zahl verblüffte. Die „Hochburgen“ waren gewohnt gut vertreten, aber auch aus kleineren Redaktionen war der Zuspruch enorm. Manche Redaktion beteiligte sich zum ersten Mal seit Jahrzehnten an Streikaktionen. „Der letzte Streik bei uns liegt so lange zurück, dass sich keiner mehr daran erinnern kann. Diesmal sind außer den Kranken und Urlaubern alle dabei“, berichtete ein Redakteur der Neckar-Chronik Horb.
Die Berichte aus den Redaktionen beschrieben die Stimmung als Gemenge aus Angst und Wut. „Doch langsam nimmt die Wut bei immer mehr Kolleginnen und Kollegen überhand. Die Schmerzgrenze ist erreicht“, in Stuttgart, Ulm und Mannheim ebenso wie im Schwarzwald, am Bodensee und auf der Schwäbischen Alb. Die Verweigerungshaltung der Zeitungsverleger sorgt dafür, dass es in den Redaktionen gärt.
Gespannt warteten die Streikenden auf Nachrichten von der Verhandlungen in Berlin. Das Angebot des BDZV wurde mit gellendem Pfeifkonzert quittiert. „Das ist eine schallende Ohrfeige“, „So schätzen die Verleger unsere Arbeit“ oder auch nur „Unverschämtheit“, lauteten die Kommentare. Waren die Berichte aus den Redaktionen zu Beginn der Versammlung geprägt von vorsichtiger Zuversicht, so wurde die Stimmung durch die Meldungen aus Berlin immer kämpferischer. „Die Abwärtsspirale muss gestoppt werden“, wurde gefordert. „Ein Angebot, das noch nicht einmal die Teuerung auffängt, geschweige denn den enorm gewachsenen Arbeitsumfängen und Belastungen in den Redaktionen Rechnung trägt, kann keine Verhandlungsgrundlage sein.“ Zur nächsten Runde sollen die Arbeitskämpfe intensiviert und auch die Verlage und Beschäftigen mit einbezogen werden, die bisher noch nicht beteiligt waren.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Schutz vor zu viel Stress im Job

Immer weiter, immer schneller, immer innovativer – um im digitalen Wandel mithalten zu können, müssen einzelne Journalist*innen wie auch ganze Medienhäuser sich scheinbar ständig neu erfinden, die Belastungsgrenzen höher setzen, die Effizienz steigern. Der zunehmende Anteil und auch Erfolg von KI-basierten Produkten und Angeboten ist dabei nur das letzte Glied in der Kette einer noch nicht abgeschlossenen Transformation, deren Ausgang vollkommen unklar ist.
mehr »

Für eine Handvoll Dollar

Jahrzehntelang konnten sich Produktionsfirmen auf die Bereitschaft der Filmschaffenden zur Selbstausbeutung verlassen. Doch der Glanz ist verblasst. Die Arbeitsbedingungen am Set sind mit dem Wunsch vieler Menschen nach einer gesunden Work-Life-Balance nicht vereinbar. Nachwuchsmangel ist die Folge. Unternehmen wollen dieses Problem nun mit Hilfe verschiedener Initiativen lösen.
mehr »

Tarifverhandlungen für Zeitungsjournalist*innen

Bereits Ende Mai haben die Tarifverhandlungen zwischen der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di und dem Zeitungsverlegerverband BDZV begonnen. Darin kommen neben Gehalts- und Honorarforderungen erstmals auch Regelungen zum Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) zur Sprache.
mehr »

Für mehr Konfrontation

Die Wahlen zum EU-Parlament endeten – nicht unerwartet – in vielen Mitgliedsstaaten mit einem Rechtsruck. In Frankreich, Italien, Österreich, Belgien, den Niederlanden und anderswo wurden eher euroskeptische, nationalistische, migrationsfeindliche Kräfte der extremen Rechten gestärkt. Auch in Deutschland haben 16 Prozent der Bürger*innen, mehr als sechs Millionen Menschen für die rechtsextreme, völkische AfD gestimmt – trotz NS-Verharmlosungen, China-Spionage und Schmiergeldern aus Russland. Immerhin sorgte die große Protestwelle der letzten Monate, die vielen Demonstrationen für Demokratie dafür, dass die AfD-Ausbeute an den Wahlurnen nicht noch üppiger ausfiel. Noch Anfang…
mehr »