Sozialer entlassen – Sparen bei der DW

Foto: M-Archiv

Der bei der Deutschen Welle (DW) geplante Personalabbau konnte bislang leider nicht verhindert werden. Am Abend des 31. Mai einigten sich die Personalräte und die Gesamtschwerbehindertenvertretung mit dem Arbeitgeber auf eine „Vereinbarung zur Berücksichtigung sozialer Aspekte im Rahmen der Einsparmaßnahmen für das Jahr 2024“. Damit ist zum ersten Mal eine einem Sozialplan ähnliche Vereinbarung für freie Mitarbeitende geschlossen worden. Dies war möglich geworden, nachdem durch die Novellierung des Bundespersonalvertretungsgesetzes die Personalräte nun auch für Freie zuständig sind.

Die Vereinbarungen gehen über die Schutzregeln des Tarifvertrags für arbeitnehmerähnliche Personen (TVaP) hinaus. „Die Sozialplanpflicht ist allerdings nicht grundsätzlich geklärt worden. Das ist aber wichtig für kommende etwaige Abbaumaßnahmen unter Freien“, so Kathlen Eggerling, ver.di. Die DW verneine, dass eine solche Pflicht bestehe.

20 Millionen Euro müsse der Sender einsparen, heißt es seitens der DW. Ob dies tatsächlich der Fall sein muss, ist umstritten. Der Haushalt für 2024 sei noch nicht bekannt, dennoch wolle man „vorsorgliche Maßnahmen ergreifen“, so DW-Intendant Peter Limbourg. 100 Vollzeitstellen will die DW einsparen, bis zu 300 vorwiegend freie Mitarbeitende wären betroffen. ver.di forderte im März in einem Brief an Kulturstaatsministerin Claudia Roth, für eine ausreichende Finanzierung der DW zu sorgen und Stellen zu erhalten. Eine Antwort des Ministeriums steht immer noch aus.

Die Verhandlungen zwischen den Personalvertretungen und der Deutschen Welle waren wochenlang geführt worden. Am 10. Mai hatten zudem 250 Beschäftigte am Tag der Feierlichkeiten zum 70-jährigen Bestehen des öffentlich-rechtlichen Auslandsenders in Berlin gegen den geplanten Personalabbau und die Umstrukturierung in zentralen Bereichen protestiert.

Die DW beschäftigt derzeit noch rund 1750 Festangestellte und 2000 Freie. Die Vereinbarung zur Berücksichtigung sozialer Aspekte gilt für arbeitnehmerähnliche freie Mitarbeitende nach TVaP, die gewährten Maßnahmen und Zahlungen bleiben auf die aktuellen Einsparmaßnahmen begrenzt. Vereinbart wurde unter anderem, dass bestimmte Gruppen der Mitarbeitenden von den Einsparungen ausgenommen werden, es also weder zur Beendigung oder Nichtverlängerung ihres befristeten Honorarrahmenvertrags noch zu einer wesentlichen Einschränkung ihrer Beschäftigung kommen soll. Dazu zählen unter anderem Mitarbeitende mit einem Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50 (Schwerbehinderung) und solche mit einem GdB von mindestens 30 plus einem Gleichstellungsbescheid der Arbeitsagentur, Mitarbeitende in Mutterschutz oder Elternzeit sowie Schwangere, gewählte Interessenvertreter*innen wie Personalrät*innen und Mitarbeitende, deren Aufenthaltstitel in Deutschland an eine Beschäftigung bei der DW gebunden ist und die bei Beendigung der Tätigkeit in ein Kriegs- oder Krisengebiet zurückkehren müssten.

Des Weiteren wurden ergänzende soziale Maßnahmen vereinbart. Generell wird der bis Ende dieses Jahres geltende externe Einstellungsstopp bis Ende Juni 2024 und womöglich darüber hinaus verlängert. Mitarbeitende, die bis Ende 2023 das 60. Lebensjahr vollenden, sollen Weiterbeschäftigungsangebote erhalten, allerdings in Form eines bis Ende 2025 befristeten Honorarrahmenvertrags mit einer Honorargarantie von 70 Prozent der zuletzt bezogenen Jahresvergütung und ohne Anspruch auf die bisherige Tätigkeit. Von den Einsparungen Betroffene sollen auf Antrag Learning-Portale wie „LinkedIn“ oder „Coursera“ ein Jahr lang kostenfrei nutzen können. Zudem richtet DW einen „Härtefallfonds“ in Höhe von 50 000 Euro für betroffene Mitarbeitende in finanziellen Notlagen ein. Vereinbart wurde auch, dass vom Personalabbau betroffene Mitarbeitende, die noch keinen Anspruch auf Übergangsgeld nach dem TVaP haben, weil sie erst unter fünf Jahre für die DW tätig sind, eine pauschale Einmalzahlung in Höhe von 1 500 Euro erhalten, wenn sie mindestens zwei zusammenhängende Beschäftigungsjahre nachweisen.

Darüber hinaus sind verschiedene soziale Pauschalen vorgesehen, etwa für betroffene arbeitnehmerähnliche Freie, die Kinder haben oder nahe Angehörige pflegen. Soziale Pauschalen können auch in Anspruch genommen werden, wenn die betroffene Person wegen einer wesentlichen Einschränkung ihres Vertrages auf unter 72 Einsatztage pro Jahr und damit aus dem Schutzbereich des TVaP fällt.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Vernetzte Frauen im Journalismus

Sich als Frau in einer Branche behaupten müssen, in der Durchsetzungskraft und Selbstbewusstsein entscheidende Faktoren sind: Für Generationen von Journalistinnen eine zusätzliche Belastung im ohnehin schon von Konkurrenz und Wettbewerb geprägten Beruf. Angesichts dieser Herausforderung sind Netzwerke und solidarische Bündnisse von großer Bedeutung. Der Journalistinnenbund (JB) hatte hierbei seit seiner Gründung im Jahr 1987 eine Vorreiterrolle inne. Sein Anliegen: Geschlechtergleichstellung in den Medien erreichen.
mehr »

In den eigenen Räumen etwas bewegen

Stine Eckert forscht zu Geschlechterkonstruktionen in den Medien am Institut für Kommunikationswissenschaft an der Wayne State University in Detroit. Ihr Buch „We can do better“ versammelt  „feministische Manifeste für Medien und Kommunikation“. Mit Ulrike Wagener sprach sie für M über die Verbindung zwischen Universitäten und Aktivismus und die Frage, wo Medien und Medienschaffende etwas verändern können.
mehr »

Vertrauen in die Medien wächst wieder

Eine repräsentative Studie im Auftrag des WDR zeigt: Das Vertrauen in Medien in Deutschland ist wieder gewachsen. Als glaubwürdig gelten vor allem öffentlich-rechtliche Angebote. Auch das Vertrauen in Institutionen hat leicht zugenommen. Und: Junge Menschen schätzen ihre Hauptinformationsquelle Soziale Medien mehrheitlich als nicht ausgewogen oder glaubwürdig ein.
mehr »

Aktive Medien gegen Rechts

„Wie weiter?“ – unter dieser Fragestellung wollten am 7. Mai in der rheinland-pfälzischen Landesvertretung in Berlin Medienpolitiker*innen und Journalist*innen über „Visionen für eine demokratische Medienlandschaft“ diskutieren. Den Rahmen bildete das Roman Brodmann Kolloquium zum Oberthema „Rechtsruck in Europa! Ohnmacht der Medien?“ Anstelle von überzeugenden Visionen spiegelte die Debatte eher die Ratlosigkeit der Demokraten angesichts eines erstarkenden Rechtsextremismus.
mehr »