Streikrecht ist ein Freiheitsrecht

Fragen an Franz Anton Kersjes, einst IG Medien-Vorsitzender in NRW

M | Droht in der Tariflandschaft nach dem BAG-Entscheid tatsächlich ein „ungebremster Wettbewerb unter verschiedenen Gewerkschaften“? Und könnte man ihm per Gesetz beikommen?

FRANZ ANTON KERSJES | Es gibt in Deutschland lediglich acht DGB-Gewerkschaften und einige wenige Spartengewerkschaften. Neugründungen sind kaum zu erwarten. Die geforderte Ausweitung der tariflichen Friedenspflicht bzw. Einschränkung des Streikrechts trifft zudem ausschließlich kampffähige Gewerkschaften. Für kleine „Dumpingorganisationen“ wie die sogenannten Christlichen Gewerkschaften ist sie bedeutungslos. Die können und wollen ohnehin nicht streiken. Die Beschwörung künftiger „Streikwellen“ ist nichts anderes als Panikmache.

M |Juristisch gesehen soll ja das „Spezialitätsprinzip“ gegen das „Mehrheits- und Repräsentativitätsprinzip“ eingetauscht werden?

KERSJES | Das macht überhaupt keinen Sinn und dient vor allem den Interessen der Unternehmer. Was heißt repräsentativ? Wer soll zu welchem Zeitpunkt für welche Organisationseinheit die mitgliederstärkste Gewerkschaft ermitteln? Eine tarifliche Gleichbehandlung der Beschäftigten ist von einer Tarifeinheit im Betrieb mit Sicherheit nicht zu erwarten. Die Unternehmer werden weiterhin Dumpinglöhne zahlen, tarifliche Verpflichtungen umgehen und Belegschaften erpressen. Und mit solchen Unternehmern machen die Gewerkschaften gemeinsame Sache mit dem Ziel, auch noch das Streikrecht einzuschränken?

M | Ist das Streikrecht teilbar?

KERSJES | Das Streikrecht ist ein Freiheitsrecht und darf auf keinen Fall eingeschränkt werden. Jede diesbezügliche Änderung unserer Verfassung muss hart bekämpft werden.


Franz Anton Kersjes

Franz Anton Kersjes war 1999 bis 2001 Mitglied der Gründungsorganisation der Vereinten Dienstleitungsgewerkschaft. Von 1980 bis 1989 war er Vorsitzender der IG Druck und Papier, danach bis 2001 Vorsitzender der IG Medien im Landesbezirk Nordrhein-Westfalen. Der 72-Jährige gibt die Internetseiten www.weltderarbeit.de heraus.

 

Weitere aktuelle Beiträge

Altersversorgung für Filmschaffende

Zusammen mit der Schauspielgewerkschaft BFFS und dem Tarifpartner Produktionsallianz hat ver.di einen Tarifvertrag für eine branchenweite betriebliche Altersversorgung für Filmschaffende in Film- und Serienproduktionen abgeschlossen. Für die etwa 25.000 auf Projektdauer beschäftigten Film- und Fernsehschaffenden vor und hinter der Kamera wird die neue tarifliche Altersvorsorge ab Juli 2025 starten.
mehr »

Kriminalität nicht mit Migration verknüpfen

Kriminelle Migranten bedrohen die Sicherheit in Deutschland“ – dieses alte rechte Narrativ wird von der AfD neu belebt und verfestigt sich in der Mitte von Gesellschaft und Politik. Medien, die diese realitätsverzerrende Erzählung bedienen, weil sie meinen, die laute Minderheit repräsentiere ein öffentliches Interesse, spielen mit dem Feuer.
mehr »

Mit BigTech gegen Pressefreiheit

Der Vogel ist frei“ twitterte der US-Milliardär und Big Tech-Unternehmer Elon Musk am 28. Oktober 2022, dem Tag seiner Übernahme des Kurznachrichtendienstes Twitter, der damals noch den blauen Vogel als Logo hatte. Der reichste Mann der Welt wollte nach eigener Aussage den Dienst zu einer Plattform der absoluten Redefreiheit machen: „Freie Meinungsäußerung ist die Grundlage einer funktionierenden Demokratie, und Twitter ist der digitale Marktplatz, auf dem die für die Zukunft der Menschheit wichtigen Themen diskutiert werden“, hatte er zuvor erklärt.
mehr »

Vernetzte Frauen im Journalismus

Sich als Frau in einer Branche behaupten müssen, in der Durchsetzungskraft und Selbstbewusstsein entscheidende Faktoren sind: Für Generationen von Journalistinnen eine zusätzliche Belastung im ohnehin schon von Konkurrenz und Wettbewerb geprägten Beruf. Angesichts dieser Herausforderung sind Netzwerke und solidarische Bündnisse von großer Bedeutung. Der Journalistinnenbund (JB) hatte hierbei seit seiner Gründung im Jahr 1987 eine Vorreiterrolle inne. Sein Anliegen: Geschlechtergleichstellung in den Medien erreichen.
mehr »