Streikwirkungen

Streikversammlung in der Goldhalle des Hessischen Rundfunks am 3. Dezember
Foto: ver.di

Erste Ergebnisse des Tarifkampfes im öffentlich-rechtlichen Rundfunk

Die Streiks und Aktionen der Beschäftigten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für deutliche Gehalts- und Honorarerhöhungen haben Wirkung entfaltet. Im NDR, MDR und SWR liegen Ergebnisse vor, die auch im ver.di-Tarifausschuss Zustimmung fanden. Sie sind in Teilen unterschiedlich, jedoch in der Gesamtbetrachtung aller jeweiligen Komponenten am Tarifabschluss des Öffentlichen Dienstes orientiert. Hier eine Abkoppelung nicht zuzulassen, war und ist die zentrale Forderung der Gewerkschaften in der andauernden Tarifauseinandersetzung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Viele Rundfunkanstalten sind noch mittendrin in den Verhandlungen. Einige wie der RBB laufen in die Zielgerade. Die Tarifverhandlungen des ZDF und der Deutschen Welle beginnen im Januar.

Das nun im NDR vorliegende Ergebnis mit einem Gesamtvolumen von 6,75 Prozent wird von ver.di nicht schlechter als das Volumen im Öffentlichen Dienst bewertet, trotz der längeren Laufzeit. Sie soll 36 Monate betragen, beginnend rückwirkend ab dem 1. April dieses Jahres. Festangestellte würden mehr freie Tage und einen Anspruch auf fünf zusätzliche „Pflegetage“ erhalten. Für Azubis gibt es einen weiteren Urlaubstag sowie ab 2019 und in den folgenden zwei Jahren jeweils 50 Euro monatlich mehr Vergütung. Bis zum 31. Dezember 2024 sind betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen. Die Honorare der Freien sollen ab 1. Januar 2020 um 4,3 Prozent und zum 1. April 2021 um 2,45 Prozent angehoben werden. Freie, die 2019 Urlaubsentgelt in Anspruch nehmen, erhalten eine Einmalzahlung von 1.300 Euro. Weitere positive Veränderungen betreffen die Rahmenverträge von Freien. Die Forderung nach Streichung des Urlaubsgeldes für neu Eingestellte konnte abgewehrt werden.

Der NDR gab im Frühjahr den Startschuss für die Tarifverhandlungen in der ARD. Anfangs, am 5. April, lag das Angebot des NDR-Senders dem Volumen nach etwa 50 Prozent unter dem des Öffentlichen Dienstes. In vier großen Streiks haben die Beschäftigten des NDR ihre Forderungen in die Tarifrunde getragen, waren Teil der insgesamt über die Monate bundesweit 3.000 Streikenden in ARD und Deutschlandradio. Die Folge: verbesserte Angebote. „Streik wirkt!“, heißt es deshalb in ver.di-Flugblättern nicht nur beim NDR.

Auch im MDR liegt ein Tarifabschluss in greifbarer Nähe. Im vorliegenden Eckepunktepapier wird eine Laufzeit für den Honorar- und Vergütungstarifvertrag von 33 Monaten vorgeschlagen. Feste Mitarbeiter*innen erhalten bis zum Ende dieses Zeitraums insgesamt 6,2 Prozent mehr Gehalt und ab 2020 auch mehr Urlaubsgeld. Es gibt ab dem nächsten Jahr unter anderem zusätzliche Zeitzuschläge an Sonn- und Feiertagen sowie mehr freie Tage. Auch die Vergütungen der Chor- und Orchestermitglieder werden erhöht. Die Effektivhonorare der arbeitnehmerähnlichen freien Mitarbeiter*innen steigen entsprechend der Gehaltsfestlegungen stufenweise. Weitere Honorarleistungen werden im 12a Tarifvertrag (für arbeitnehmerähnliche Freie) den tariflichen Steigerungen angepasst. Auch der Urlaubsanspruch wird ab dem kommenden Jahr erhöht.

Der SWR hat ein Tarifergebnis auf den „die Tarifverhandler*innen von ver.di stolz sind“.  Die linearen Erhöhungen für Feste und Freie belaufen sich auf insgesamt 6,2 Prozent. Für die vergangenen Monate seit April gibt es Einmalzahlungen gestaffelt nach Vergütungsgruppen zwischen 800 und 1800 Euro. Alle Freien erhalten 980 Euro, die Azubis 480 Euro. Das Auszubildendenentgelt wird ebenfalls erhöht. Mit einer deutlichen Gehaltserhöhung kann auch das Vokalensemble des SWR rechnen. Weitere Verbesserungen betreffen unter anderem Urlaub, „Pflegetage“ und das von Sender finanzierte Jobticket. Betriebsbedingte Kündigungen sind bis Ende2024 ausgeschlossen. Die Laufzeit des Tarifvertrages ist auf 33 Monate festgelegt. Mit Blick auf die sehr enge Abstimmung der Tarifverhandlungen in allen ARD-Anstalten durch ver.di heißt es im aktuellen Tarifinfo des SWR: „Ohne den Druck der von ver.di angestoßenen und im Wesentlichen von den ver.di-Mitgliedern getragenen drei Streiks im SWR, ohne die Unterstützung durch die parallelen Streiks der ver.di-Mitglieder bei NDR, WDR, BR und anderen Anstalten wäre das jetzt für den SWR erreichte Ergebnis so nicht zustande gekommen.“

Erstmals kam es beim HR am 3. Dezember zu einem Warnstreik. 250 Beschäftigte aus Redaktion, Technik und Verwaltung demonstrierten am Verhandlungstag in Frankfurt am Main und Kassel für ein verbessertes Angebot des Arbeitgebers. Sendeausfälle im Hörfunk waren die Folge. Mitglieder des HR-Sinfonie Orchesters verließen vorzeitig die Proben, um sich dem Warnstreik anzuschließen. Eine Bläsergruppe aus dem Orchester zog lautstark an der Spitze eines Demonstrationszuges durch den Sender. „Dafür, dass zum ersten Mal in der Geschichte des Hessischen Rundfunks gestreikt wurde, sind wir mit der Beteiligung hoch zufrieden“, sagte Manfred Moos vom ver.di-Landesbezirk Hessen bei einer Streikversammlung in der Goldhalle des HR (s. Foto). Am 8. Januar 2020 wird weiter verhandelt.

„Noch nie waren Streiks so nötig wie in diesem Jahr, um überhaupt Tariferhöhungen zu erreichen“, sagt Matthias von Fintel, ver.di-Tarif-sekretär Bereich Medien. Dies sei bisher „eindrucksvoll gelungen, mit tausenden Streikenden und deshalb auch für das Publikum erkennbaren Programmausfällen“.

 

 

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