Unter 22 000 Mark Jahreseinkommen

Soziale Lage selbstständiger Künstler, Journalisten und Autoren ist prekär

Einen Gewinn von 1,3 Milliarden Mark meldete der Medienkonzern Bertelsmann auf seiner Bilanz-Pressekonferenz im September 2000. Das ist mehr als die Hälfte von dem, was sämtliche 107.167 Künstlerinnen und Künstler, freie Journalisten und Autorinnen, die über die Künstlersozialkasse (KSK) versichert waren, 1999 als Einkommen erreichten – 2,34 Milliarden Mark. Im Durchschnitt betrug ihr Jahreseinkommen (Einnahmen minus Ausgaben vor Steuern) ganze 21.428 Mark, also 1785 Mark im Monat.

Wohlgemerkt, hier geht es um Künstler und Publizisten, die als Selbstständige hauptberuflich vom Schreiben, der Musik, der darstellenden oder bildenden Kunst leben. Denn nur solche werden in die KSK aufgenommen. Und da der Staat für sie einen – seit 1. Januar 2000 auf 20 Prozent gekürzten – Bundeszuschuss zur Renten- und Krankenversicherung einzahlt, wird dieses Kriterium streng kontrolliert. So hat die KSK „in den letzten Jahren über 25 Prozent der Neuanträge abgelehnt“.

Dies ist neben vielen anderen interessanten Fakten dem „Bericht der Bundesregierung über die soziale Lage der Künstlerinnen und Künstler in Deutschland“ zu entnehmen, der im Zusammenhang mit der Novellierung des Künstlersozialversicherungsgesetzes (KSVG) erstellt wurde (siehe eigenen Artikel in dieser Ausgabe). Statistische Daten der KSK waren zuletzt 1994 veröffentlicht worden.

Versichertenzahl steigt – Einkommen stagniert

Bemerkenswert sind zwei Entwicklungen: Die Zahl der Versicherten hat sich von 1993 bis 1999 von knapp 65.000 auf über 107.000 um mehr als 65 Prozent erhöht. Gegenüber 1988 hat sie sich gar verdreifacht. Kaum Wachstum gibt es hingegen beim Einkommen. Nominal stieg es in sechs Jahren um rund zehn Prozent. 1994 betrug das durchschnittliche Jahreseinkommen 19.895 Mark, im Jahr 2000 waren es 21.852 Mark.

Von 1994 bis 1996 kamen jährlich etwa 8000 KSK-Versicherte hinzu. Seitdem hat sich der Zuwachs abgeflacht. Im Jahre 1999 betrug er knapp 5000 Versicherte. Grund ist die steigende Zahl derjenigen, die jährlich aus der Künstlersozialversicherung ausscheiden. Die Zahl der jährlichen Neuzugänge blieb in den letzten vier Jahren mit 13.000 bis 14.000 – auch auf Grund der hohen Ablehnungsquote – ziemlich konstant. Gestiegen ist der Frauenanteil von 37 auf 43 Prozent. Bei den Berufsanfängern liegt er sogar über 50 Prozent.

Ihre Einkommen liegen im Durchschnitt aber rund ein Viertel niedriger als die der Männer. Die Differenz ist im Wort-Bereich am größten. Hier stehen im Jahr 2000 gemeldete Einkommen der Männer von 31.004 Mark Einkommen der Frauen von 22.383 Mark gegenüber. In der darstellenden Kunst sind es 23.967 zu 15.954 Mark, in der bildenden Kunst 24.497 zu 17.037 Mark und in der Musik 19.545 zu 15.870 Mark.

Die durchschnittlichen Jahresarbeitseinkommen stiegen seit 1994 am stärksten in den Bereichen bildende Kunst (von 18.461 Mark auf 21.377 Mark) und Musik (von 16.465 Mark auf 18.347 Mark). Im Bereich Wort nahmen die gemeldeten Einkommen von 26.055 auf 27.128 Mark zu, während in der darstellenden Kunst ein leichter Rückgang der Durchschnittseinkommen von 20.472 auf 20.141 Mark zu verzeichnen ist. Die Statistik zeigt, dass mit der Berufserfahrung auch das Einkommen zunimmt.

„In der Sahelzone der Einkommen“

Angesichts dieser Zahlen kann wohl zu Recht davon gesprochen werden, dass freiberuflich tätige Künstler und Publizisten „in der Sahelzone der Einkommen“ arbeiten. So tat es Fred Breinersdorfer, Vorsitzender des Verbandes Deutscher Schriftsteller (VS) in der IG Medien, auf einer Anhörung der PDS-Bundestagsfraktion zum Thema im Dezember 2000.

Nun könnte gegen die Zahlen eingewandt werden, dass die der KSK gemeldeten Arbeitseinkommen auf Schätzungen der Versicherten beruhen. Der Bericht der Bundesregierung führt allerdings an, dass andere Quellen wie eine Untersuchung des ifo-Instituts im Jahre 1994, die Einkommensteuer-Statistik und nicht zuletzt die Umfrage der IG Medien bei freien Journalisten und Fotografen (Honorarspiegel 1999, Beihefter zu M 12/1999) zu ähnlichen Ergebnissen kommen.

Wie prekär die Lage vieler Künstler und Publizisten ist, wird auch daran deutlich, dass es vielen offenbar schwer fällt, ihre KSK-Beiträge zu zahlen. In den letzten Jahren wurden jährlich über 8000 Mahnungen (nach zwei Monaten Zahlungsverzug) und rund 3000 Ruhensbescheide (wenn dies erfolglos blieb) von der KSK verschickt. Um den Versicherungsschutz nicht zu verlieren, wird dann allerdings meist gezahlt, so dass der jeweils aktuelle „Ruhensbestand“ im Schnitt nur etwa 500 Fälle betrifft.

Altersarmut droht

Diese Mini-Einkommen haben natürlich auch Konsequenzen im Alter. Wenn selbstständige Künstler und Publizisten nicht auch noch rentenversicherungspflichtige Einkommen aus anderen Quellen haben, droht vielen von ihnen die Altersarmut. Ein Durchschnittseinkommen von 22000 Mark im Jahr liegt noch unter der Hälfte der Bezugsgröße in den alten Bundesländern (im Jahr 2000: 53.760 Mark). Die dafür gezahlten Beiträge eines Jahres erbringen nach dem gegenwärtigen Stand eine monatliche Rente von 19,61 Mark. Wer zehn Jahre lang aus der künstlerischen oder publizistischen Tätigkeit nur das Durchschnittseinkommen erzielt, kann für diesen Zeitraum also lediglich eine Rente von monatlich rund 196 Mark erwarten.

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Die Zukunft der Filmförderung

In der morgigen Plenarsitzung des Bundestages wird über die Zukunft der deutschen Filmwirtschaft entschieden, der vom Bundestagsausschuss für Kultur und Medien beschlossene Gesetzentwurf zum Filmfördergesetz (FFG) steht zur Abstimmung auf der Tagesordnung. ver.di begrüßt eine Reform der Filmförderung, denn in Zukunft müssen Filmproduktionen Tarif- und Urheber-Vergütungen verbindlich einhalten.
mehr »

Rundfunkreform mit vielen Fragezeichen

Bis zuletzt hatten die öffentlich-rechtlichen Anstalten auf ein Ende der Blockade einer Beitragserhöhung durch die Ministerpräsidenten der Länder gehofft. Die Verweigerungshaltung der Politik ließ ihnen am Ende keine Wahl: Am 19. November kündigten ARD und ZDF eine Klage beim Bundesverfassungsgericht an, um ihren Anspruch auf die von der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) errechnete Empfehlung einer Beitragserhöhung um 58 Cent auf 18,94 Euro monatlich durchzusetzen.
mehr »

Audiodeskription: Die KI liest vor

Die Hälfte der öffentlich-rechtlichen Sender verwendet inzwischen auch synthetische oder mit Künstlicher Intelligenz (KI) generierte Stimmen, um für Fernsehformate Audiodeskriptionen zu erstellen. Das ergibt sich aus Nachfragen von M bei den neun ARD-Landesrundfunkanstalten und beim ZDF. Neben professionellen Sprecher*innen setzen der MDR, WDR, NDR, Radio Bremen und das ZDF auch auf synthetische oder KI-Stimmen für die akustische Bildbeschreibung.
mehr »

Gendergerechtigkeit per KI überprüfen

Ein Gender-Analyse-Tool der Technischen Universität München zeigt, wie Frauen medial ausgeklammert werden. Das Ziel vom  Gender Equality Tech Tool – GETT  ist es, die Sichtbarkeit von Frauen in der Berichterstattung bewusst zu fördern. Mit GETT kann über eine Kombination aus klassischen Algorithmen und Open-Source-KI-Modellen nachgeprüft werden, wie oft Frauen im Vergleich zu Männern in den Medien genannt und wie sie dargestellt werden.
mehr »