SEEMO: Informationsnetzwerk und schnelle Hilfe für Medien in Südosteuropa
Die Pressefreiheit in Südosteuropa ist noch immer keine Selbstverständlichkeit. Ein Jahr nach der friedlichen Revolution in Belgrad ist Jugoslawien nach der Verfassung zwar ein demokratisches Land, in der Realität davon allerdings noch weit entfernt. Skandale um Politiker, Korruptionsaffären, Gerüchte um eine Verbindung zwischen Staat und organisiertem Verbrechen sind an der Tagesordnung. Dass trotz Milosevics Abgang der Weg zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit noch lang ist, zeigt auch hier die Lage der Pressefreiheit.
Der letzte Bericht des Londoner Institute for War and Peace Reporting (IWPR) befasst sich mit der Bedrohung von Journalisten in Serbien und kommt zu einem erschreckenden Ergebnis: Nach wie vor erhalten Journalisten anonyme Drohungen, sie werden von der Polizei zu so genannten „Informationsgesprächen“ eingeladen. Das IWPR führt den Missstand vor allem darauf zurück, dass unabhängige Journalisten wie zu Milosevics Zeiten von der Polizei und dem Beamtenapparat als Gegner betrachtet werden. Unbequeme Journalisten sind somit doppeltem Druck ausgesetzt. Einerseits können sie bei heiklen Recherchen keinen Schutz von der Polizei erwarten. Andererseits sind deshalb oft Enthüllungsgeschichten über die organisierte Kriminalität nicht möglich, weil sie für die Journalisten zu gefährlich sind.
In Mazedonien werden die Auseinandersetzung zwischen den Mazedoniern und den Albanern teilweise in den Redaktionen ausgetragen. Aus diesem Grund setzt sich auch die in Wien ansässige South East Europe Media Organisation (SEEMO) immer wieder mit Protestaktionen ein.
Pressefreiheit, der freie Zugang zu Nachrichten, die ungehinderte Verbreitung von Nachrichten und das Recht der freien Meinungsäußerung gehören zu den Rechten, zu deren Verwirklichung SEEMO einen Beitrag leisten will. Die Organisation ist am 10. Oktober des vergangenen Jahres gegründet worden. Zu den Entwicklungen und Aktionen des ersten Jahres hat sich der Generalsekretär von SEEMO, Oliver Vujovic, in einem Interview geäußert.
Was ist SEEMO?
Vujovic: SEEMO ist sozusagen die Zweigstelle des International Press Institute (IPI) für Südosteuropa. Das IPI mit Sitz in Wien kümmert sich weltweit um die Rechte von Journalisten. SEEMO ist auf den Wunsch der Leute in der Region entstanden. Chefredakteure von vielen Zeitungen sind auf die IPI zugekommen und haben erklärt, dass sie sich eine Dachorganisation wünschen, die eine Brücke zwischen den Leuten in der Region und internationalen Organisationen bildet. Die meisten Mitglieder von SEEMO, die sich alle als Demokraten beweisen und für die Pressefreiheit kämpfen müssen, sie alle sind schon in irgend einer Weise organisiert gewesen. Aber mit einem starken Partner wie IPI und SEEMO im Rücken lassen sich ihre Ziele leichter erreichen. Wir wollen kein neuer bürokratischer Apparat sein, sondern nur helfen, wenn wir gebraucht werden. Wir sind ein Informationsnetzwerk, das dazu beitragen will, dass Journalisten frei und ohne Angst berichten können. Wenn wir z.B. davon hören, dass Journalisten bedroht werden, versuchen wir zu helfen.
Wie sieht Ihre Hilfe aus?
Vujovic: Unsere Mitglieder, also zum Beispiel die Chefredakteure vor Ort, geben uns Bescheid, wenn einer ihrer Mitarbeiter Drohungen erhält oder Schwierigkeiten mit der Polizei hat.
Bis zum Juni diesen Jahres haben wir so wieder von mehreren Verstößen gegen die Pressefreiheit in Serbien erfahren. In diesem Fall haben wir einen offenen Brief an den jugoslawischen Präsidenten Vojislav Kostunica geschrieben, mit der Bitte, Polizeiaktionen gegen Journalisten zu unterbinden und zu garantieren, dass jeder Journalist seiner Arbeit ohne Angst vor Belästigung oder Einschüchterung nachgehen kann.
Gibt es Reaktionen auf solche Briefe?
Vujovic: Zum einen gab es beispielsweise nach dem Brief eine Einladung ins jugoslawische Informationsministerium. Das bedeutet: Man wird wahrgenommen und hat die Chance, sein Anliegen nochmals mit Nachdruck vorzutragen. Zum anderen haben lokale Medien den Brief abgedruckt. Diese Verbreitung zeigt denen, die wir kritisieren, dass wir gehört werden. Das kann vielleicht schlimmere Folgen verhindern.
Einen richtigen Erfolg hatten wir mit einer unserer ersten Fälle. In Mazedonien sollte zu Beginn des Jahres 2001 ein Gesetz erlassen werden, dass es nur noch Journalisten mit einer Sonderlizenz vom Staat erlauben sollte, in ihrem Beruf tätig zu sein. Das hätte bedeutet, dass der Staat entscheidet, wer berichten darf und wer nicht. Wir haben einen Protestbrief geschrieben, uns mit hiesigen Medien zusammen-geschlossen. Nach kurzer Zeit wurde das Gesetz aus der weiteren parlamentarischen Prozedur herausgenommen.
Gibt es auch konkrete Hilfe für die bedrohten Journalisten?
Vujovic: Ja. In einem der Fälle, von dem wir Kostunica in dem Brief geschrieben hatten, einer Journalistin aus Leskovac, gab es wirklich etwas „Handfestes“, was wir tun konnten. Sie erhält Morddrohungen, weil sie darüber berichtete, dass ein Albaner von den Behörden in Leskovac schikaniert wurde. In einem Telefongespräch erzählte mir die Journalistin, dass die örtliche Polizei ihr geraten habe, sich ein Handy zu kaufen, mit dem sie Telefongespräche aufnehmen kann, um so die anonymen Anrufer zu identifizieren. Das Handy, das etwa 1000 DM kostet, wurde mit Hilfe von SEEMO und dem österreichischen Außenministerium bereitgestellt. Es ist lebenswichtig für die Journalistin, die es sich nicht hätte leisten können.
Sind Sie selber Opfer staatlicher Repression gewesen während Ihrer zehnjährigen Tätigkeit als Korrespondent für „Die Presse“ in Belgrad?
Vujovic: Ich habe mit einigen Unannehmlichkeiten zu kämpfen gehabt. Es gab oft Probleme bei der Ein- und Ausreise, mit dem Material, das ich ein- oder ausführen wollte. Von 1994 bis 1997 wurde mir meine Akkreditierung entzogen, mir war verboten, aus Serbien über Serbien zu berichten. Ich habe auch Morddrohungen erhalten und habe deshalb Telefonnummern von Personenschützern immer bei mir getragen. Aber ich habe mir auch immer gesagt: „Mit einem Bodyguard an meiner Seite kann ich doch kein Journalist sein.“
Hat sich die Lage der Pressefreiheit seit dem 5. Oktober 2000, dem Datum des politischen Umbruchs in Serbien, verbessert?
Vujovic: Jein. Nach wie vor gibt es zum Beispiel ein Gesetz aus dem Jahr 1974, das den Polizisten an der Grenze erlaubt, gedrehtes Material zu beschlagnahmen oder den Journalisten die Verbreitung zu verbieten. Dieses Gesetz wie auch weitere sechs Artikel aus dem serbischen Strafgesetzbuch, die vom Milosevic-Regime zur Disziplinierung kritischer Medien genutzt wurden, müssen weg. Die Artikel, die sich auf den „Schutz von Ehre und Ansehen“ von Amtsträgern beziehen, beschränken die Rede- und Pressefreiheit. Unter diesen Bedingungen können keine freien und unabhängigen Medien entstehen, die eine wichtige Rolle für die Entstehung einer demokratischen Gesellschaft spielen. Momentan ist Serbien noch weit entfernt von demokratischen Standards. Aber Verbesserungen sind dennoch zu spüren: beispielsweise wird technisches Equipment, das unter dem Milosevic-Regime beschlagnahmt wurde, an Radio- und Fernsehsender zurückgegeben. Und Geldstrafen, die die nicht-staatliche Presse wirtschaftlich beinahe ruiniert hätte, werden zurückgezahlt.
In welchem Land Südosteuropas ist die Lage der Medien momentan am schlechtesten?
Vujovic: Momentan eindeutig Mazedonien. Dort ist es aber nicht nur ein Problem der Pressefreiheit überhaupt, sondern auch ein Kampf zwischen den Zeitungen auf ethnischer Ebene. Es gab einen Artikel in einer mazedonischen Zeitung, in dem ein Chefredakteur einer anderen mazedonischen Zeitung als Nicht-Mazedonier und
Albaner-Freund dargestellt wurde. Das kann für die verleumdete Zeitung eine wirtschaftliche Krise herbeiführen.
Um gerade solche Attacken von Journalisten gegeneinander zu verhindern, hat SEEMO vor einigen Monaten versucht, die Chefredakteure aller Zeitungen aus Mazedonien und der Region an einen runden Tisch zu bringen. Wir hatten das OK von allen und wollten das Treffen auf neutralem Boden in Griechenland stattfinden lassen. Dazu fehlte uns das Geld. Wir haben dann bei verschiedenen Regierung um Unterstützung gebeten. Aber keine war bereit dazu. Also konnte das Treffen nicht stattfinden.
Wie wollen sie es in Zukunft verhindern, dass solche Aktionen an der Finanzierung scheitern?
Vujovic: Wir haben jüngst den SEEMO Found for Emergency-Help for Media in South East Europe gegründet. Das Geld aus diesem Found, der von der finanziellen Unterstützung von Medien und anderen Institutionen aus Österreich und anderen Ländern abhängt, soll in dringenden Fällen schnelle Hilfe innerhalb von 24-48 Stunden leisten, so dass schnelle und effektive Hilfe wie bei der Journalstin aus Leskovac gewährleistet werden kann. Natürlich stellen auch Nicht-Regierungsorganisationen oder die EU Geld zur Verfügung. Aber die bürokratisierte Art und Weise kann dazu führen, dass man einige Monate oder Jahre warten muss. Manchmal ist aber schnelle Hilfe nötig.
Was sind Ihre Pläne für das nächste Jahr?
Vujovic: Exklusiv erzähle ich hier jetzt zum ersten Mal von der Idee, ab dem Jahr 2002 einmal jährlich den SEEMO Award for Better Understanding zu verleihen. Der mit 2000 Euro dotierte Preis soll an Journalisten aus der Region vergeben werden, die zur besseren Kommunikation zwischen den Menschen beitragen.
Konto:
Hilfe für SEEMO FUND FOR EMERGENCY HELP FOR MEDIA IN SOUTH EAST EUROPE
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- Das Gespräch führte für „M“: Nicole Tepaße.