Von Idealismus kann man nicht leben

Klaus Schrage, Vorsitzender der dju-Tarifkommission
Foto: Jan-Timo Schaube

Die nächste Tarifrunde für rund 13 000 Zeitungsjournalist_innen steht an, am 30. Januar geht es los. Digitalisierung und crossmediale Produktion führen auch an Tageszeitungen zu steigenden Arbeitsanforderungen. Die Bezahlung von Festen und Freien hinkt dieser Entwicklung hinterher. Nicht zuletzt aufgrund der geringen Einstiegsgehälter, gibt es Nachwuchsprobleme! Über die Tarifforderungen der dju in ver.di sprach M mit dem neuen Vorsitzenden der dju-Tarifkommission, Klaus Schrage, Redakteur und Betriebsratsvorsitzender bei den Nürnberger Nachrichten.

Es gibt also Nachholbedarf, was das Geld betrifft. Mit welchen Forderungen geht ver.di in die Tarifrunde 2018?

Wir fordern eine Entgelterhöhung von 4,5 Prozent bezogen auf ein Jahr sowie 200 Euro mindestens für die unteren Tarifgruppen. Diese Erhöhungen sollen auch für Pauschalist_innen und freie Journalist_innen gelten. Außerdem fordern wir, dass die Tarifverträge für arbeitnehmerähnliche Freie endlich auch in Hessen und Mecklenburg-Vorpommern gültig werden. Die sind bisher außen vor.

Zeitungen macht die Konkurrenz zu digitalen Medien und verschiedensten Unternehmen, die in der Medienbranche aktiv werden, zu schaffen. Sie locken junge, gut ausgebildete Absolventen mit attraktiven Jobs. Was kann man dem entgegensetzen?

Einen der schönsten Berufe der Welt! Ereignisse zu schildern, einzuordnen, zu bewerten, zu kommentieren, zu glossieren und durch Aufklärung der Menschen einen Beitrag zur Demokratie zu leisten, ist eine ganz wunderbare Aufgabe. Nicht dagegen setzen können wir gute Gehälter. Studien zeigen klar, dass die Einkünfte von Jungredakteur_innen gemessen an denen von anderen Studienabgängern am unteren Ende der Skala liegen. 3250 Euro bekommt der Jungredakteur. Er hat dafür ein Studium absolviert, viele Praktika gemacht – schlecht bezahlt und unbezahlt – und dann noch ein zweijähriges Volontariat. Wenn man das berücksichtigt, ist eine solche Bezahlung einfach zu wenig. Es ist allerdings falsch, wenn man glaubt, dass andere digitale Unternehmen mehr bieten als Tageszeitungen. Da ist eher das Gegenteil der Fall. Da macht man häufig auf Start-Up-Atmosphäre: Der Chef wird geduzt, es gibt Kaffee kostenlos und ein Kicker steht bereit.  Aber die genannten Tarife werden dann nochmal unterboten.

Aber es hat sich doch in den letzten Jahren auch einiges verändert, zum Beispiel bei den Volontärsgehältern?

Ja, aber nicht unbedingt zum Besseren. Veränderungen gab es in zweierlei Hinsicht. Zum einen haben etliche Verlage ihre Volontärsausbildung ausgelagert, auf Tochterunternehmen oder auf eigene Journalistenschulen. Zum zweiten greift auch hier die Tarifflucht von Zeitungsverlagen. Sie definieren dann die Vergütungen von Volontär_innen selbst, aber weit unter jenen, die durch Tarifvereinbarungen gewährleistet werden.

Bereits vor Jahren wurde vereinbart, die Onliner flächendeckend in den Tarifvertrag einzubinden. Geschehen ist da eher wenig! Ist das Thema deshalb wieder auf der dju-Agenda?

Es muss auf der dju-Agenda sein, denn zu viele Verlage haben sich raus gestohlen aus dem Tarif, haben tariflose Online-Töchter gegründet und bezahlen die Leute einfach zu schlecht – obwohl die Einbeziehung der Onliner in den Tarif bereits 2014 mit dem Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger vereinbart wurde.  Ein Onliner bekommt zum Beispiel 2800 bis 2900 Euro für eine 40 Stunden-Woche im Schichtdienst zwischen 6 und 24 Uhr – das ist eine übliche Bezahlung. Er wird behandelt als Verlagsangestellter ohne dessen Zuschläge. Wenn man das auf die Arbeitszeit eines Verlagsangestellten mit seinen Zuschlägen umrechnet, dann ergibt sich für den Onliner eine Anlehnung an die Entgeltgruppe Zeitungsverlagsgewerbe 2. Das ist ein Tarif für einen Job ohne Ausbildung und mit unselbstständiger Arbeit. Dieses Entgelt bekommen Büroboten, Kolleg_innen, die Belege versenden oder junge Kaufleute im Gesellenjahr im Anschluss an ihre Ausbildung.

So stufen die Verleger ihre Journalist_innen der Zukunft ein.  Denn bei Kongressen oder Transformations-Workshops betonen sie ja gern, Online gehöre die Zukunft. Aber es kann doch nicht sein, dass man Menschen, die sich einige Jahre eingearbeitet haben und richtig gute Journalist_innen geworden sind, einfach gehen lässt. So hört man immer häufiger aus Online-Redaktionen: Ich kann mir meinen Idealismus nicht mehr leisten. Ich will jetzt mal ein normaleres Leben führen und mir auch was leisten. Und dann gehen diese jungen Leute, die gut ausgebildet sind, in Pressestellen. Das finde ich tragisch.

Ausgebildet wie der bisherige Printredakteur?

Das ist nicht zwingend. Es gibt in Online-Redaktionen sowohl Autodidakten als auch Volontäre. Aber es gibt durchaus einige Verlage bei denen die gleiche Bezahlung von Onlinern und Redakteur_innen selbstverständlich ist. Ich war gerade in einem Verlag im Osten von Bayern mit einer überschaubaren Auflage und eher kleineren Belegschaft. Da ist das überhaupt kein Thema, selbstverständlich wird da der Onliner gleichbehandelt. Andernorts werden Onliner vertröstet. Da heißt es: Nach einer 4- bis 5-jährigen Übergangszeit und wenn wir wissen, wie es uns wirtschaftlich geht und wie wir uns entwickeln, dann werde natürlich über höhere Gehälter geredet. Dann geht es besser, die Firma hat sich etabliert, aber über Geld wird nicht gesprochen. So wächst die Wut!

Gibt es Anzeichen, dass die Verleger der Argumentation der Gewerkschaften folgen und die journalistische Arbeit künftig mehr wertschätzen? Wird es ohne Druck gehen, wie ist die dju vorbereitet?

Es gibt Verlage, die ihre Journalisten wertschätzen, die auch dementsprechend bezahlen und gute Konditionen bieten. Aber es gibt auch diese Verlage, die ihren eigenen Journalismus immer dann am tollsten finden, wenn sie ihren Leser_innen eine Erhöhung der Abo-Gebühr erklären müssen und die ansonsten vielleicht mal bei einer Festrede Wertschätzung äußern.  In internen Innovationsworkshops sind sich alle einig, dass Wertschätzung in der heutigen Zeit ein ganzer wichtiger Faktor ist, um Mitarbeiter_innen zu begeistern und zu binden. Die Wirklichkeit ist jedoch oft eine andere. Würden in den Tarifverhandlungen nur die guten Argumente zählen, dann bräuchten wir nicht viel streiten. Wir haben die besseren Argumente, die Verleger müssten nur darauf eingehen. Die Gewerkschaften haben mit ihrer 4,5 Prozent-Forderung auch gezeigt: Wir möchten die Sache schnell regeln, wir kommen Euch entgegen und fordern keine 6 oder 7 Prozent.

Aber es ist zu vermuten, dass uns die Verleger erklären werden bzw. sie haben es uns bereits über ihren Verhandlungsführer deutlich gemacht, dass die Gewerkschaften, die Betriebsräte und Belegschaften im Rücken haben, deren Ehrenamtliche selbst in Redaktionen arbeiten, dass also wir, die Lage der Verlage nicht kennen. Die kennen demnach nur Vorstandsvorsitzende und Verhandlungsführer der Verleger. Eine solche Aussage ist eigentlich schon kurios.

Also wird es wohl ohne Druck nicht gehen. Und da ist es eben so: Wir, die besonders engagierten Ehrenamtlichen können zusammen mit den ver.di-Sekretären die Plattform bauen, mit Argumenten, mit Informationen, mit der Organisation von Aktionen beispielsweise. Aber letztendlich muss der Druck von den Mitgliedern kommen, von denen die mitmachen. Je mehr wir sind, desto mehr bekommen wir am Ende. Das ist keine hohle Phrase, das ist einfach die Wahrheit!

 

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