Die Aussicht auf weniger als 65 Stunden die Woche macht kompromissbereit
Zeitungen im www leiden nicht alleine an rückläufigen Werbeschaltungen und an einem Verfall der Werbepreise, ihnen fehlt zusätzlich noch die Einnahmenkomponente des Vertriebs. Nachdem niemand einen Weg gefunden hat, die Leser zum Bezahlen zu animieren, wurden im Gefolge der aktuellen Krise ganze Ressorts personell eingestampft, bis zum Ressortleiter als Alleinkämpfer. Freie, die hier eine Chance witterten, wurden eines Besseren belehrt.
Die Töpfe zur Honorierung freier Autoren wurden ebenfalls kleiner und brauchen sich durch den redaktionellen Personalengpass schneller auf als je zuvor. Schon zur Jahresmitte waren die meisten Mittel vollständig ausgeschöpft.
Die redaktionelle Qualität gerät durch Unterbesetzung und ohne den Zukauf von qualifizierten Beiträgen freier Journalisten spürbar unter Druck. Zugleich schwächt sich der positive Impuls, Leser über eine hochwertige Onlineberichterstattung zum Printprodukt zu führen, spürbar ab. Trotz drastischer Kostendiät ist man von Gewinnen allerorten deutlich entfernt. Die Zusammenlegung von Onlineredaktionen, wie zum Beispiel beim „Focus“ mit der Internetzeitung Tomorrow, führte zwar im ersten Halbjahr zu einer deutlichen Verringerung der Verluste, dennoch wird für 2002 ein Minus von rund 15 Millionen Euro erwartet.
Die Fluktuation der festangestellten Redakteure ist in vollem Gange. Sogar Logenplätze des deutschen Online-Journalismus werden von manch enttäuschtem Redakteur geräumt, selbst wenn der Wechsel in eine regionale Tageszeitung weder einen Prestigegewinn, noch einen finanziellen Vorteil verspricht. Alleine die Aussicht auf weniger als 65 Arbeitsstunden pro Woche macht kompromissbereit.
Besser geht es hingegen den kleinen, thematisch spezialisierten Nischenmagazinen im Online-Markt. Jens Ihlenfeld, Geschäftsführer des IT-Magazin Golem.de, vermag im Vergleich zum Ausnahmejahr 2000 keine rückläufige Geschäftsentwicklung feststellen. Mit fünf Angestellten, in gemieteten Räumen und kostengünstigen Freien im Gepäck, sind die Kostenstrukturen den realen Gegebenheiten des Marktes optimal angepasst.
Die wenigen Online-Biotope, in denen freie Journalisten noch Spielräume zur Entfaltung finden, zahlen üblicherweise Honorare, die mit berichterstatterischer Qualität nicht mehr in Einklang zu bringen sind. Knebelverträge, die dem Herausgeber ein unbeschränktes und exklusives Verwertungsrecht einräumen, sind inzwischen die Regel und verhindern eine Zweitverwertung durch die Autoren und damit die wirtschaftliche Gangbarkeit solcher Arrangements.
Die einst ins gelobte Online-Land gelockten freien Journalisten sitzen in der Falle. Eine Rückkehr auf gedrucktes Papier ist dank der Zeitungskrise ebenso unmöglich, wie der Wechsel in eine feste Anstellung. Was bleibt ist Konsumverzicht bis an das Existenzminimum, private Insolvenz oder gleich der Gang zum Sozialamt, immer verbunden mit dem unerschütterlichen Glauben an ein Ende der Krise.
Anlaufstellen für Freie:
ver.di
Referat Freie und Selbständige
Veronika Mirschel
Tel: 030 / 69 56 14 11
Fax: 030 / 69 56 32 11
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mediafon
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