Stellenabbau, sinkende Honorare, zunehmende Konkurrenz – die Herausforderungen für Fotojournalisten sind groß. Fotografen und eine Wissenschaftlerin über Möglichkeiten und eigene Wege, ihnen zu begegnen.
Nischen suchen
Es gibt unglaublich viele Themen und Geschichten, die recherchiert, dokumentiert und erzählt werden wollen und müssen. Die Verlage und Redaktionen zahlen aber immer weniger für Fotos. Dabei steigt die Anforderung an Fotojournalisten: Wir müssen nicht nur fotografieren können, sondern auch filmen, schneiden, vermarkten, Websites gestalten und vieles mehr.
Wichtig ist, sich Nischen zu suchen, also fotografische Bereiche, die gar nicht oder kaum bedient werden und in denen man weniger Konkurrenz hat. Hier muss aber gutes und konstantes Marketing betrieben werden. Damit man nicht Gefahr läuft, von einzelnen Themen abhängig zu sein, sollte man neben den Nischen aber immer noch breitere Themenbereiche abdecken. Gut ist auch, sich ein Standbein außerhalb des Fotojournalismus aufzubauen. Ich fotografiere zum Beispiel auch bei Hochzeiten oder anderen Events. (Jan-Timo Schaube)
Weiterbilden
Es wird immer schwerer, von den niedrigen Honoraren zu leben. Redakteure sind schon vor Ort und können mal eben schnell ein Bild knipsen. Leider gibt es auch immer wieder Leute, die umsonst oder für 10 Euro ihre Bilder an den Verlag verkaufen und so den Preis senken. Bilder kann in Zeiten der Smartphone-Fotografie ja auch jeder machen. Vielen Verlagen scheint ziemlich egal zu sein, wie schlecht das Bild aussieht. Hauptsache es gibt ein Bild und es erhöht die Klickzahlen. Ich habe Glück, weil dem Verlag, für den ich arbeite, die Qualität der Bilder wichtig ist. Trotzdem merke ich, wie immer mehr verlangt wird für das gleiche Honorar. So werden Bilder für den Online-Auftritt genutzt, ohne sie zusätzlich zu bezahlen.
Ich versuche, mir mehrere Auftraggeber zu suchen und nicht nur für einen Zeitungsverlag zu arbeiten. Außerdem bilde ich mich im Bereich Video bzw. Multimedia weiter und will demnächst kleine Projekte verwirklichen, damit ich Online-Redaktionen etwas anbieten kann. Alle Verlage schauen ja jetzt immer mehr Richtung online. (Janina Rahn)
Neue Wege gehen
Die Situation und Zukunft des Journalismus wird seit Jahren unter den Bedingungen der Medienkrise und Medienkonvergenz breit diskutiert, dabei wird die Situation des Fotojournalismus weitgehend ignoriert. Der Fotojournalismus befindet sich im Umbruch.
Die mediale Durchdringung aller Alltagsbereiche, wie sie gerade in westlichen Gesellschaften zu beobachten ist, hat auch Folgen für die Entwicklung des Fotojournalismus. Die Aufmerksamkeit muss sich der Fotojournalismus, wie der Journalismus insgesamt, mit den Produkten aus diesen neuen, digital basierten Medienpraktiken teilen. Diese Konkurrenz hat ökonomische Folgen. Andererseits ist der Ort der dokumentarischen Fotografie nicht mehr allein das klassische Printmedium und schon gar nicht im nationalen Markt. Nicht nur die traditionellen Medien experimentieren mit neuen Formen von Bild und Text, gerade Fotojournalisten selbst haben die dokumentarische Fotografie weiterentwickelt, sich neuen Themen geöffnet, international vernetzt, sie arbeiten an neuen multimedialen Erzählformen, neuen ästhetischen Ausdrucksformen des Dokumentarischen, Präsentationsformen, neuen Formen der Finanzierung und der Verbreitung. Eine einfache, gar pauschale Lösung ist hier nicht in Sicht, aber es gilt, diese Wege weiter zu verfolgen und zu diskutieren. (Elke Grittmann)
Zusammenschließen
Für fotojournalistische Arbeit gab es noch nie viel Geld. Es ist eine Sache, Geschichten im Nachhinein zu verkaufen. Eine ganz andere ist es, wenn Verlage oder Redaktionen Fotografen die finanzielle und zeitliche Freiheit geben, sich in Ruhe mit Themen zu beschäftigen. Das bezahlt kein Medium mehr in Deutschland. Die Gründe dürften vielschichtig sein: Mangelnde Wertschätzung für die Fotografie, Buchhalter statt Redakteure, die die Marschrichtung der Redaktionen bestimmen etc.
Die Frage, ob das was mit Konkurrenz, Preisdumping oder fotografierenden Amateuren bzw. Nachrichtenagenturen zu tun hat, können wir klar mit nein beantworten. Es ist den Medien einfach nicht mehr wichtig, mit fotojournalistischen Geschichten zu überzeugen und damit ja auch in die Gesellschaft zu wirken. Es ist ihnen und den Konzernen dahinter nur wichtig, eine möglichst hohe Rendite zu erwirtschaften. Die Zeiten, wo Verleger noch ein verlegerisches Interesse verfolgten, sind längst vorbei.
Wir, die Mitglieder von attenzione photographers, erarbeiten unsere Fotogeschichten frei und besorgen uns das nötige Geld durch andere fotographische Aufträge im Bereich Werbung und Corporate – oder durch Foto-Seminare.
Dass wir das schon so viele Jahre durchhalten, immer wieder losziehen, um ein Thema allein oder zusammen zu bearbeiten und, ganz wichtig, diese Geschichten auch zu zeigen, schaffen wir, weil wir uns gegenseitig unterstützen. Wir arbeiten an unserer Qualität, reden sehr offen über unsere Bilder und helfen uns gegenseitig zu planen – egal ob das die Reise nach Syrien ist oder eine Ausstellung in Hamburg. So wie ein Text gelesen werden muss, um etwas zu bewegen, so müssen Bildergeschichten gezeigt werden. Andere Meinungen sind wichtig, gerade bei selbstverliebten Fotografen. Wir brauchen Kollegen, die uns offen ihre Meinung zu unseren Bildern sagen, die uns unterstützen in technischen wie inhaltlichen Herausforderungen. Eine Gruppe also, die zusammen etwas wuppt.
Die Menschen da draußen wollen erreicht werden. Wenn es kein anderer finanziert, musst du es halt selbst tun. Dich zum Billigheimer zu machen, bringt dabei – zumindest langfristig – gar nichts. Wir als attenzione photographers machen uns nicht billig. Wir gehen los und fotografieren unsere Geschichten. Danach zeigen wir sie. Und um das zu können, muss man mit Gruppen, Institutionen oder Stiftungen zusammen arbeiten, die das auch gut finden, über was man da berichtet. Auch über Crowdfunding haben wir uns schon die finanziellen Mittel organisiert, um eine Ausstellung und dazu eine Bilder-Zeitung zu realisieren. Das hätte keiner von uns allein geschafft. Dafür ist es gut, ein Fotografenkollektiv zu sein. (Mark Mühlhaus, Roland Geisheimer und Janko Woltersmann)