Mehr, moderner und subtiler

Rechtsextremes Angebot im Internet wächst

„Das Internet ist die Kommunikationsplattform Nummer 1 für Rechtsextreme geworden“, sagte Stefan Glaser von Jugendschutz.net bei der Vorstellung des Jahresberichts in Berlin. Professionell und modern gestaltet sind die rechtsextremen Seiten oft schwierig zu erkennen. Deshalb bittet Jugendschutz.net die Internet-Community um Hinweise, denn durch Kooperation mit den Providern gelingt es immer öfter, diese Webangebote aus dem Netz zu drängen.

Jugenschutz.net, 1997 von den Ländern gegründet, hat 2008 ein weiteres Anwachsen rechtsextremer Websites von 1635 auf 1707 beobachtet. Dabei ist speziell die Zahl der Web-Angebote aus dem Umfeld neonazistischer Kameradschaften und „Autonomer Nationalisten“ gewachsen. Mit 1.500 rechtsextremen Videos und Profilen in sozialen Netzwerken wurden doppelt so viele Verstöße und Unzulässigkeiten dokumentiert wie 2007. „Unzulässig“, so Jugendschutz.net-Pressesprecherin Meike Steinle, sind „Inhalte, wenn sie nach dem Strafgesetzbuch oder dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) verboten sind.“ Im Umkreis rechtsextremer Web-Seiten handele es sich aber meistens um strafbare Inhalte wie verbotene Symbole (67 Prozent), Volksverhetzung (25 Prozent oder Holocaust-Leugnung (5 Prozent). Als Beispiele für Inhalte, die unzulässig, aber nicht strafbar sind, nennt Steinle Posenangebote von Kindern und Jugendlichen in einer unnatürlich geschlechtsbetonten Körperhaltung. „Statt einer Haft- oder Geldstrafe kann dem Täter hier neben der Sperrung des Angebotes eine Geldbuße auferlegt werden.“

72 Prozent der rechtsextremen Seiten nutzen deutsche Internet-Dienste. Die Häufigkeit unzulässiger Inhalte ist seit 2006 von 18 auf zehn Prozent gesunken, die Agitation wird immer subtiler verpackt. Bei den im Ausland angemeldeten Seiten kommen rund 70 Prozent aus den USA. Eine Rolle spielen auch niederländische und österreichische Server mit 8 und 6 Prozent. Bei rechtsextremen Verstößen auf ausländischen Seiten hat jugendschutz.net häufig mit Hinweisen auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Providers Erfolg, wenn in ihnen Hassreden oder rassistische Äußerungen explizit verboten sind. Die Zahl der rechten Szene-Dienste ist 2008 auf mindestens 12 Provider angestiegen, die der rechten Internet-Radios auf 16. Ebenso wächst das Angebot zur rechten Website-Gestaltung, für CDs, Flirt-Börsen oder Graffiti-Vorlagen. Rund 170 Szene Vertriebe nutzen außerdem das Internet als Verkaufsplattformen für Kleidung, Devotionalien und Musik.
Als wirksames Mittel gegen rechtsextreme Web-Inhalte erweist sich laut Jugendschutz.net die Kooperation mit in- und ausländischen Providern oder Plattformen wie „YouTube“. 80 Prozent der kritisierten Angebote wurden so aus dem Netz entfernt. Bei diesem Monitoring der rechtsextremen 2.0-Szene arbeiten inzwischen 17 nationale Online-Meldestellen im 2002 entstandenen Netzwerk INACH (International Network Aganinst Cyber Hate) zusammen.
Deshalb bezeichnete es Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für Politische Bildung (BPB), als unverständlich, dass die Einrichtung in Deutschland von den Ländern nicht ausreichend finanziert werde. Die BPB unterstütze Jugendschutz.net deshalb seit 2007 für zunächst vier Jahre mit jährlich 200.000 Euro. Ebenso greift die Bundeszentrale zusammen mit dem Bundesfamilienministerium der von einem Verein organisierten Online-Beratung gegen Rechtsextremismus finanziell unter die Arme. Sie bietet Aussteigern, aber auch Eltern, Lehrern, Arbeitgebern und Kollegen anonym und kostenlos Rat, wenn sie mit Rechtsextremismus konfrontiert sind.

Weiter lesen

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Feminismus trifft Klassenkampf im Film

Das Internationale Frauenfilmfest (IFFF) wirft einen sehr außergewöhnlichen Blick auf die Arbeitswelt von Frauen im Film. Damit kommt es beim Publikum gut an und liegt voll im Trend. Denn es geht um Frauensolidarität, Antirassismus, Antisexismus und Klassenkampf. Bei der 41. Ausgabe des Festivals vom 16. bis 21. April in Köln gab es volle Kinosäle. Der Schwerpunkt der von Frauen produzierten Filme aus aller Welt lag in diesem Jahr auf dem Horrorgenre.
mehr »

Klimakiller in der TV-Werbung

Knapp ein Drittel aller Spots in TV und auf YouTube wirbt für klimaschädliche Produkte. Das verstößt gegen den Medienstaatsvertrag, wie die am 6. Mai veröffentlichte Studie „Reklame für Klimakiller“ der Otto Brenner Stiftung offenlegt. Denn der Medienstaatsvertrag untersagt explizit Werbung für „in hohem Maße“ umweltschädliches Verhalten. Die Autoren fordern von der Medienpolitik eine strengere Regulierung klimaschädlicher Werbung.
mehr »

ARD und ZDF: Offene technische Plattform 

ARD und ZDF stellen sich mit einer Open-Source-Initiative und einer gemeinsamen Tochterfirma für den Betrieb ihrer Mediatheken als Streaming-Anbieter auf dem deutschen Markt neu auf. Beide wollen künftig zentrale Komponenten arbeitsteilig entwickeln und gemeinsam nutze, teilten sie gemeinsam mit. Zugleich sollen wichtige Bausteine als Open Source anderen Dienstleistern offen stehen. Das gelte unter anderem für den Player, das Empfehlungs- und das Designsystem.
mehr »

Beitragsanpassung unter der Inflationsrate

Seit die aktuelle Empfehlung der KEF zur Beitragsanpassung vorliegt, gibt es mehrere Ministerpräsidenten, die eine Zustimmung zu einer Erhöhung kategorisch ausschließen. Dabei hatte das Bundesverfassungsgericht vor drei Jahren bereits geurteilt, dass sich ein Bundesland dem Vorschlag der KEF im bislang gültigen Verfahren nicht einfach so widersetzen darf. M sprach mit dem KEF-Vorsitzenden Prof. Dr. Martin Detzel über die aktuelle Debatte um die Rundfunkfinanzierung.
mehr »