Nachrichtenvielfalt im Abgang?

Der Wert von Nachrichten scheint unaufhaltsam weiter zu sinken. Ihre Produktion ist teuer. Beim Privatfunk gelten sie als „Programmblocker“ und als völlig ungeeignet, im Umfeld Werbung zu schalten – also bringen sie nichts ein.

ProSieben Sat.1-Vorstandschef Thomas Ebeling hält sie „für das Image bei den Politikern vielleicht für wichtig“, bei den Zuschauern „nicht unbedingt“. So ist es nicht verwunderlich, wenn eine Agentur wie AP Deutschland, obwohl schwarze Zahlen schreibend, verscherbelt wird, um die Verluste der amerikanischen Mutter zu verringern. Die Übernahmeagentur ddp drückt die Tarifverträge der eingekauften APler, bezahlt an seine Leute ohnehin schon immer weniger Geld, beginnt zu kündigen. Aus zwei mach eins – eine starke Agentur, die den Markt erobern will. Mit insgesamt weniger und schlechter bezahlten Journalisten? (titelthema: nachrichtenmarkt)
Auch bei N24 stimmt die Rendite nicht. Am besten verkaufen. Was auch die Rettung des etablierten Nachrichtenkanals bedeuten könnte, käme er in die richtigen Hände! Die alternativ angedrohte Neuausrichtung würde unausweichlich zu einer weiteren Verflachung des Informationsangebotes führen. Ginge sie doch einher mit Einschnitten beim Personal, daran besteht wenig Zweifel. Weniger Anbieter, weniger Nachrichtenvielfalt! Weniger Redakteure, machen in kürzerer Zeit mehr – arbeiten crossmedial – wählen qualifiziert Infos aus, schreiben Nachrichten? Und das führt dann zu mehr oder zumindest zum Erhalt von Qualitätsjournalismus in Print, Online und im Rundfunk? Feierlich wird auf unzähligen Medienpodien die Qualitätsflagge geschwenkt. In der Medienrealität bestimmt der Rotstift die Anzahl der Arbeitsplätze in Redaktionen, Verlagen und Sendern, bricht das viel beschworene journalistische Gütesiegel.
Nicht besser ergeht es den Zustellern, die bei jedem Wetter dafür sorgen, dass das gedruckte Medienprodukt ins Haus kommt. Dafür werden zum Beispiel in Aachen gerade die „Zustellkosten optimiert“. Was im Klartext heißt, die Löhne zu kürzen und die Arbeitsbedingungen zu verschlechtern. Auch in Bremen und im bayerischen Rosenheim ist man in dieser Beziehung „auf gutem Wege“!
Niedrige Einkommen und Arbeitstage ohne Ende kennen auch viele Selbstständige in der Medienbranche. Die dju in ver.di hat nahezu sieben Jahre für freie Journalistinnen und Journalisten an Tageszeitungen mit den Verlegern um neue Vergütungsregeln gerungen. Mit Erfolg! Erstmals, seit dem 1. Februar, gibt es nun verbindliche Standards für Text-Honorare. Es sind Mindeststandards, die für viele Freie eine enorme Steigerung ihrer Einkünfte, mitunter eine Verdopplung der bisherigen Zeilenhonorare, bedeuten. Auch wenn Kritiker die Nase rümpfen ob der Centbeträge, es ist ein Schritt auf dem Weg Honorardumping auszumerzen. Und es ist ein akzeptabler Kompromiss, der nun auch noch für die Fotografen gefunden werden muss. Jetzt gilt es, die Honorare in der Praxis durchzusetzen, Freie und Gewerkschaften gemeinsam.

Karin Wenk,
verantwortliche Redakteurin

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