Fünf Gewerkschaften diskutierten auf einem Kongreß in Frankfurt die „Zukunft des Rundfunks“: „Soviel Freiheit muß sein.“
„Es ist und bleibt ein fundamentaler Unterschied, ob Programme hergestellt und verbreitet werden, um Geld zu verdienen oder ob – öffentlich-rechtlich – Gebühren erhoben werden, um Programme zu finanzieren.“ So brachte Detlef Hensche zur Eröffnung des Kongresses zur Zukunft des Rundfunks, der unter dem Motto „Soviel Freiheit muß sein!“ stand, den Konfliktstoff auf den Punkt. Der von DGB, IG Medien, GEW, DJV und DAG organisierte Kongreß in der Johann Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt diskutierte in hochkarätig besetzten Arbeitsgruppen mit über 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmern.
Die wurden von Hensche entsprechend eingestimmt: „Das Ausleseprinzip des privatwirtschaftlichen Wettbewerbs prämiert keineswegs notwendig publizistische Qualität und erzeugt keinesfalls Vielfalt. Oder: Unkontrollierter Wettbewerb bewirkt Verdrängung und Konzentration. Doch so lautstark und heldenhaft sich der Eifer artikuliert, das angebliche Monopol des öffentlich-rechtlichen Rundfunk anzuprangern, so kleinmütig zeigt sich die Gesetzgebung bei der notwendigen Kontrolle privater Medienmacht und Monopole.“ In der Tat: Der „heldenhafte“ Kampf der EU-Kommission – in Gestalt seines zuständigend Kommissars Karel van Miert – gegen das gebührenfinanzierte öffentlich-rechtliche Rundfunkwesen verkennt genau jene Eingangsbemerkung Hensches in ihrem Wesen: Rundfunk ist eben mehr als ein Wirtschaftsgut.
Hensche: „Am Anfang war und ist der Programmauftrag und nicht die Betriebswirtschaft.“ Andererseits, das machte die Europaabgeordnete und Vorsitzende des Programmausschusses im WDR-Rundfunkrat, Karin Junker, während der Eröffnungsveranstaltung deutlich, verhindert gerade ein rein marktwirtschaftlich denkender Mann wie van Miert auch eine Fusion wie die von Kirch und Bertelsmann. Junker wies darüber hinaus energisch die „Konvergenztheorie“ zurück: Zwar gibt es die technische Konvergenz (irgendwann haben wir wahrscheinlich ein einziges Endgerät für Rundfunk, Telefon, Telebanking usw.), die Behauptung der inhaltlichen Konvergenztendenz aber diene allein dazu, das Rundfunkrecht einzuschränken. Das Ansinnen, „Quotenknüller für die Kommerziellen“ (finanziert aus Werbung), „Quotenkiller für die öffentlich-rechtlichen“ (finanziert aus Gebühren) – auch unter dem Schlagwort „getrennte Buchführung“ in der Diskussion – hält Junker für „nicht durchsetzbar“. Hensche nannte dies „eine ausgesprochene Schnapsidee, die hoffentlich nicht weiter verfolgt wird. Eine Differenzierung nach einzelnen Programmsparten ist schlechthin unzulässig.“ Der IG Medien-Vorsitzende hält ohnehin diese Idee, welche Gattung wie zu finanzieren ist, „für verfassungswidrig“. Und Junker: „Die EU-Kommission hat sich aus der Diskussion um die Grundversorgung herauszuhalten.“
Rundfunk – Kultur- oder Wirtschaftsgut?
Die Europa-Abgeordnete geht gleichwohl davon aus, daß die öffentlich-rechtlichen Spartenkanäle (Phönix, Kinderkanal) die Kommis-sions-Prüfung unbeschadet überstehen. Sie warnte aber vor der ungleich druckvolleren „Lobbytätigkeit der Kommerziellen“ in Brüssel und forderte die öffentlich-rechtlichen Anstalten auf, mit „der Transparenz des Auftrags, des Angebots und der Finanzierung offensiv“ aufzutreten.
Lutz Freitag, stellvertretender DAG-Vorsitzender, sieht in der zunehmenden Umwidmung des Kulturguts „Rundfunk“ in ein reines Wirtschaftsgut, wie sie eben in Brüssel betrieben wird, Parallelen zur Sozialstaatsdiskussion: Ebenso wie die solidarisch finanzierten Sicherungssysteme diskreditiert und abgebaut werden, wird versucht, die einheitliche Gebührenfinanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu deregulieren. Motto: „Fragmentierung des Marktes, Segmentierung des Publikum.“ Keinesfalls dürfe der öffentliche-rechtliche Rundfunk in die „Kulturberatungsnische“ abgeschoben werden, vielmehr sei die öffentliche Meinungsbildung dort in Gefahr, wo Programme nur produziert werden, um Werbung zu verkaufen. „Qualität ist nicht nötig, wo der Markt bestimmt, das Niveau ist nach unten offen.“ Beispiele dafür lieferte der DJV-Vorsitzende Hermann Meyn in gewohnt launiger Manier: Wo er als „Präsident“ statt „Vorsitzender“, zur „dju“ statt zum „DJV“ gehörig, als „Herbert“ statt „Hermann“ und „Meier“ statt „Meyn“ vom Redakteur vorgestellt werde und seine Korrekturen die verbleibende Sendezeit verbrauchten, werde der „Qualitätsverfall durch Zeit- und Quotendruck“ evident. Natürlich, sagte Meyn, könne man nicht gegen Mehrheit „ansenden“, der Quotendruck auch bei ARD und ZDF aber sei geradezu absurd. Meyns Vorschlag: Die Werbeeinschränkungen für die Kommerziellen völlig aufheben („sollen sie doch alle zwei Minuten ihre Filme unterbrechen“), und die Rundfunkgebühren an den Index der Lebenshaltungskosten koppeln. „Es weiß ohnehin kein Mensch, wie hoch die Gebühren sind.“ Laut Umfragen schätzen die Zahler sie etwa 8,- DM zu hoch …
Dazu die Berichte aus den Foren “ Programmqualität“, „Rationalisierung/Outsourcing“, Abschluss-Gesprächsrunde