Unheimlich: Die Banalität des Geheimen

BND-Kommunikationszentrale in Pullach. Hier findet unter anderem die elektronische Anbindung aller In- und Auslandsdienststellen des BND statt. Während des Fotografierens wurde penibel darauf geachtet, dass auf Monitoren und Mobiliar keine sensiblen Details zu erkennen sind. Der schräg hängende Zettel am Holzschrank halb rechts verdeckt zum Beispiel wichtige Telefonnummern darunter. Foto: Martin Lukas Kim

Was darf man erwarten, wenn sich der Bundesnachrichtendienst nach außen öffnen will und BND-Präsident Gerhard Schindler gar von einer „Transparenzoffensive“ spricht? Mit Sicherheit nicht die Veröffentlichung bisher streng gehüteter Geheiminformationen. Immerhin dürfen die rund 6.500 BND-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach außen hin seit kurzem ihren wahren Arbeitgeber nennen. „Bisher war ich der einzige im BND, der unter seinem richtigen Namen bekannt war“, sagt Schindler. Jetzt erlaubt auch eine Fotoausstellung den Blick hinter die hohen Zäune und Mauern der Pullacher Bundesbehörde.

Der Fotograf Martin Lukas Kim erhielt ausgiebig Gelegenheit, sich auf dem Gelände und in den Räumen des BND zu bewegen. „Beim Fotografieren in Pullach hatte ich große Freiheiten – mit zwei Einschränkungen: Menschen und Autokennzeichen durfte ich nicht abbilden“, beschreibt Kim seine Arbeit. Herausgekommen ist eine Fotodokumentation mit 50 meist großformatigen Bildern, die derzeit im Pressehaus von Gruner + Jahr in Hamburg zu sehen ist.

Obwohl die Abbildungen natürlich nichts von der eigentlichen geheimdienstlichen Tätigkeit zeigen, erzählen sie doch ihre eigenen Geschichten. Stern-Chefredakteur Christian Krug, dessen Magazin vorab fünf Doppelseiten mit den Fotos von Martin Lukas Kim gebracht hat, nennt es zutreffend die Banalität und Skurrilität des Geheimen. Urlaubspostkarten an der Bürotür, Karnevalsorden und selbst gemalte bunte Bilder von den Kindern zuhause an den Wänden wollen sagen: Hier arbeiten Menschen wie du und ich. Wie zum Beispiel der Naturwissenschaftler, dessen frisch angebissenes Brötchen man erst nach genauerem Hinsehen im Chaos auf seinem Schreibtisch entdeckt. Das Bild einer Holztafel, die noch aus den Anfangszeiten des BND in den fünfziger Jahren zu stammen scheint und den Dienstplan der Wachhunde zeigt, lässt dagegen keinen Zweifel, dass in der Behörde Ordnung herrscht. Ein Flipchart aus dem Unterrichtsfach Nachrichtendienstliche Psychologie verrät, dass gute BND-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stets mit vier Ohren hören.

Die Motive aus Pullach, die Martin Lukas Kim ausschließlich nachts fotografiert hat, um das Unheimliche zu betonen, wie er sagt, werden ergänzt durch Aufnahmen aus der neuen noch nicht bezogenen Zentrale in Berlin. Diese Fotos sind zwar gleißend hell, wirken jedoch ohne menschliche Spuren steril und leblos. Hell und Dunkel steht auch für die Doppeldeutigkeit des Ausstellungstitels, der dem Betrachter einerseits einen leichten Schauer über den Rücken jagen, andererseits der Behörde etwas von ihrer Heimlichkeit nehmen soll. Die Öffnung des BND, der keiner demokratischen Kontrolle unterliegt, kann mit dieser Ausstellung aber nur sehr begrenzt gelingen.

 

Unheimlich – der BND im Wandel

Der Bundesnachrichtendienst 1956 – 2016
Eine Fotodokumentation von Martin Lukas Kim
bis 24. April 2016, täglich 10 – 18 Uhr, mittwochs bis 20 Uhr, der Eintritt ist frei
Gruner + Jahr Pressehaus
Am Baumwall 11
20459 Hamburg

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