Deutsche Regierung knickt vor türkischem Präsidenten ein

Die Bundesregierung entspricht dem Wunsch des türkischen Staatschefs Recep Tayyip Erdogan, den TV-Moderator Jan Böhmermann wegen seines „Schmähgedichts“ in der Satire-Sendung „Neo Magazin Royale“ (ZDF) einer Strafverfolgung in Deutschland auszusetzen. Das gab Kanzlerin Angela Merkel in Berlin bekannt. Für ver.di eine „bittere“ und „enttäuschende“ Entscheidung zum Schaden von Presse- und Kunstfreiheit.

ver.di hält die Entscheidung der Bundesregierung für fatal, dem Ersuchen der türkischen Regierung nach Strafverfolgung des Satirikers Jan Böhmermann nachzugeben. „Wir sind tief enttäuscht, dass die Bundesregierung unter Führung von Kanzlerin Angela Merkel eingeknickt ist. Diese Form der außenpolitischen Rücksichtnahme ist ein absolut falsches Signal. Satire-, Kunst- und Medienfreiheit dürfen nicht verhandelbar sein“, sagte der stellvertretende ver.di-Vorsitzende Frank Werneke und Mitglied im ZDF-Fernsehrat. Die Entscheidung der Bundesregierung wiege umso schwerer, da die Meinungsfreiheit in der Türkei immer stärker eingeschränkt werde. „Journalisten werden verhaftet, nach Schauprozessen ins Gefängnis geworfen oder regierungskritische Medien enteignet – diesen antidemokratischen Politikstil versucht die türkische Regierung, auch auf Deutschland zu übertragen. Dagegen hätte die Bundesregierung ein Zeichen setzen müssen. Sie hat es nicht getan – das ist bitter“, kritisierte Werneke, der auch Bundesfachbereichsleiter Medien in ver.di ist, der größten Gewerkschaft für Kultur- und Medienschaffende in Deutschland.

Zu der Entscheidung gab es in der schwarz-roten Bundesregierung „unterschiedliche Auffassungen“, räumte die Regierungschefin im Kanzleramt ein. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann teilte auf Twitter mit: „Ich halte die Entscheidung für falsch. Strafverfolgung von Satire wegen „Majestätsbeleidigung“ passt nicht in moderne Demokratie.“
Merkel erklärte: „Im Rechtsstaat ist es nicht Sache der Regierung, sondern von Staatsanwaltschaften und Gerichten, das Persönlichkeitsrecht und andere Belange gegen die Presse- und Kunstfreiheit abzuwägen.“ In Deutschland solle nicht die Regierung, sondern die Justiz das letzte Wort haben. Sie kündigte zugleich an, dass der hier zu Grunde gelegte Paragraf 103 des Strafgesetzbuchs (StGB) zur Beleidigung ausländischer Staatsoberhäupter noch in dieser Legislaturperiode abgeschafft werden soll. Er sei „für die Zukunft entbehrlich“.
Nach Paragraf 103 StGB muss, wer einen ausländischen Staatschef beleidigt, in Deutschland mit bis zu drei Jahren Haft oder einer Geldstrafe rechnen. Ist Verleumdung im Spiel, drohen sogar bis zu fünf Jahre Freiheitsentzug.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Trumps digitaler Medienpranger

Donald Trump verfolgt mit seinen Attacken auf Medien und Journalist*innen drei Hauptziele: Ablenkung von eigenen Verfehlungen, Bindung seiner rechten Unterstützer*innen und Selbstbereicherung. Große Medienkonzerne unterstützen ihn, um eigene Profitinteressen zu fördern. Das Resultat ist eine Bedrohung von Pressefreiheit und Demokratie.
mehr »

Ein Plädoyer fürs Zuhören

Zuhören, Gehörtwerden, den Dialog auf Augenhöhe führen – das sind Schlagworte unserer Zeit, Leerformeln der politischen Rhetorik. Mit dem Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen sprachen wir über journalistisches Zuhören, BigTech und den Sofortismus der Sozialen Medien.
mehr »

Presse-Versorgung hält hohes Zinsniveau

Die Vertreter*innenversammlung der Versicherten der Presse-Versorgung hat beschlossen, die Gesamtverzinsung für das Jahr 2026 im dritten Jahr in Folge beizubehalten. Damit behauptet die Presse-Versorgung erneut ihre Spitzenposition im deutschen Lebensversicherungsmarkt.
mehr »

Digitale Mobilität als Machtfaktor

Smartphone, Social Media und Plattformen – wie werden Menschen durch mobile, vernetzte Medientechnologien sichtbar, und wer oder was bleibt unsichtbar? Welche Rolle spielen dabei Geschlechter- und Machtverhältnisse? Über diese Fragen diskutierten Medienforscher*innen  auf der Tagung „Bilder in Bewegung, mit Bildern bewegen: Gender, Macht und Mobilität“ in Tübingen.
mehr »